Stelldichein der Polit-Prominenz
Politik im Bierzelt: Einer wird am Gillamoos besonders bejubelt

04.09.2023 | Stand 12.09.2023, 22:14 Uhr

Hubert Aiwanger wurde trotz oder vielleicht auch wegen der Flugblatt-Affäre besonders umjubelt auf dem Gillamoos. −Foto: dpa



Festzelt, Bier - und heftige Attacken auf die politische Gegnerschaft. Das Abensberger Volksfest Gillamoos in Niederbayern wird alljährlich zur Bühne der Bundes- und Landespolitik. Und einer wird besonders bejubelt.





Verbale Angriffe auf die politische Gegnerschaft - und neuerliche Debatten über die Flugblatt-Affäre: Einen Tag nach der Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), seinen Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im Amt zu belassen, stand der politische Frühschoppen beim Volksfest Gillamoos in Niederbayern ganz im Zeichen der Vorwürfe. Allerdings ging Aiwanger selbst bei seiner umjubelten Rede am Montag gar nicht auf das Thema ein. Wenige Wochen vor der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober attackierte er vor allem die Ampel-Parteien in Berlin.

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CDU-Chef Friedrich Merz lobte derweil Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für die Aufarbeitung der Flugblatt-Affäre. Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er bravourös gelöst, sagte Merz beim gemeinsamen Bierzelt-Auftritt mit Söder in Abensberg: „Sehr gut, genauso war`s richtig, das so zu machen.“ Söder indes schwieg in seiner Rede zur Causa Aiwanger.

Söder hatte am Sonntag seine Entscheidung mitgeteilt, Aiwanger am Ende trotz der Vorwürfe rund und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten im Amt zu belassen.

„Demokratie in höchster Gefahr“



Aiwanger selbst warnte vor einer politischen Spaltung des Landes. „Dieses Land wird derzeit politisch tief gespalten bis hin zu einer Situation der Regierungsunfähigkeit“, sagte der bayerische Wirtschaftsminister. Als Beispiel nannte er Umfragen in ostdeutschen Bundesländern, in denen „Randparteien“ mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinten. „Dann ist die Demokratie in höchster Gefahr“, sagte Aiwanger. Seine Partei wolle deshalb „ein Angebot der vernünftigen Politik“ an Wähler der Mitte machen.

Auch Merz und Söder attackierten in ihren Reden die Ampel-Regierung zur Halbzeit der Legislaturperiode in scharfen Worten. „Wir sind fest entschlossen, es spätestens in zwei Jahren besser zu machen als diese Regierung“, sagte Merz. Deutschland habe eine bessere Regierung verdient. „Fachkräftemangel haben wir in erster Linie in der Bundesregierung - und nicht bei den Ingenieuren in Deutschland.“ Merz warf SPD, Grünen und FDP unter anderem schwere Fehler in der Energie- und in der Migrationspolitik vor. Die Abschaltung dreier funktionierender Atomkraftwerke kritisierte er als „Dämlichkeit“ und „Schwachsinn“.

Söder spricht vom „Hampel-Ampel“



Söder sagte: „Die Hampel-Ampel ist die schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte.“ Es gebe „Woche für Woche Hin und Her“, sagte er. Nach der Bundestagswahl 2025 werde die Union die Ampel ablösen, sagte Söder optimistisch voraus. „Die Ampel wird das Jahr 2025 nicht mehr erfolgreich als Regierung bestreiten. Die lösen wir gemeinsam ab.“

Die Flugblatt-Affäre spielte vor allem bei SPD und Grüne eine Rolle. Aiwanger verhalte sich unanständig, kritisierte SPD-Bundeschef Lars Klingbeil. Es würde der politische Diskurs verschoben, „da verschwindet Anstand aus der Politik“, sagte er. Söder warf er Egoismus vor: „Der guckt nur auf sich selbst, aber nicht auf dieses Bundesland“, sagte Klingbeil.

„Anschein von Antisemitismus in der Staatsregierung“

„Allein der Anschein von Antisemitismus in der Staatsregierung schadet dem Antrieb unseres Handelns“, sagte der Spitzenkandidat der bayerischen Grünen, Ludwig Hartmann: „Der Populismus ist der Feind unserer Demokratie.“ Sein Parteikollege, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat indes die Äußerungen Aiwanges bei einer Demonstration im Juni in Erding kritisiert. „Wenn ein stellvertretender Ministerpräsident sagt, man müsse sich die Demokratie zurückholen - die ihn selber an die Macht gebracht hat, nämlich die schweigende Mehrheit in der Wahlkabine - dann stimmt was nimmer, und dann ist das gefährlich. Und das ist nimmer lustig.“

Aiwanger überließ das Thema Flugblatt-Affäre anderen Vertretern seiner Partei. Der parlamentarische Geschäftsführer, Fabian Mehring, bezeichnete die Vorwürfe als Kampagne „mit dem Ziel, der Ampel den Weg zu bahnen“, bezeichnet. Die Opposition habe den Vize-Ministerpräsidenten „aus wahltaktischen Gründen in den Dreck ziehen wollen“.

Kubicki mahnt mehr Leistungsbereitschaft an

Aber auch andere Themen kamen auf dem Gillamoos zur Sprache: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki mahnte zum Beispiel mehr Leistungsbereitschaft in Deutschland an. „Wir fallen im wirtschaftlichen Leistungswettbewerb weltweit zurück“, sagte er. „Wenn wir nicht den jungen Menschen bereits wieder beibringen, dass sie in der Schule was leisten müssen, im Leben was leisten müssen, dann müssen wir uns nicht wundern, dass es uns auf allen Ebenen schlecht geht.“

AfD-Co-Chefin Alice Weidel gruiff bei ihrem Auftritt die Bundesregierung scharf an und betonte den Anspruch der AfD, auf Ebene der Bundesländer künftig regieren zu wollen. Das Land stecke in einer tiefen Krise, die Regierung reite es immer weiter hinein, rief Weidel den AfD-Anhängern bei ihrer Rede zu. „Wir werden von Wahnsinnigen regiert und von Idioten!“ Die AfD sei angetreten, das Land zu retten. Mit Blick auf aktuelle Umfragewerte für ihre Partei in Sachsen (35 Prozent), wo im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt wird, sagte Weidel: „Die Zeit ist reif für die erste AfD-Landesregierung.“

Der Gillamoos ist ein Jahrmarkt mit Volksfestbetrieb, der immer Anfang September stattfindet. Die Veranstaltung im Landkreis Kelheim hat eine mehr als 700-jährige Tradition und ist gerade für die politischen Reden am letzten Festtag überregional bekannt.

− dpa