Viertelmilliarde Euro
Hoher Schaden wegen Pkw-Maut: Wissing prüft Regressansprüche und kritisiert Scheuer

14.07.2023 | Stand 14.09.2023, 21:21 Uhr

Da war die Stimmung noch gut: Volker Wissing (FDP, l.), Bundesminister für Verkehr und Digitales, bei der Amtsübergabe von Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) aus Passau. −Foto: dpa/Archiv

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) prüft nach dem hohen Schaden um die gescheiterte Pkw-Maut, inwiefern er einen Teil der 243 Millionen Euro in die Staatskasse zurückholen kann. Zudem kritisiert er Amtsvorgänger Andreas Scheuer (CSU) aus Passau.



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„Wir prüfen derzeit genau, welche Rechtsgrundlagen für generelle Regressansprüche bestehen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ vom Freitag. „Bei der Größenordnung des angerichteten Schadens kann man das nicht einfach weglegen. Dazu sind wir den Steuerzahlern verpflichtet.“

In der vergangenen Woche hatte der Haushaltsausschuss des Bundestag 243 Millionen Euro freigegeben, die das Ministerium an die einstige Betreiberfirma der Pkw-Maut zahlen will. Hintergrund war, dass das zuständige Schiedsgericht dem Unternehmen Autoticket Anspruch auf Schadenersatz zugesprochen hatte.

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Fasst eine Viertelmilliarde Steuergeld sinnlos vertan



„243 Millionen Euro sind eine bittere Summe“, sagte Wissing der Zeitung. „Das ist fast eine Viertelmilliarde Euro Steuergeld, das die Bürgerinnen und Bürger hart erarbeitet haben und das nun sinnlos als Schadenersatz gezahlt werden muss, weil ein Vertrag zu früh unterschrieben wurde.“ Er bezeichnete den Vorgang als „mehr als ärgerlich. Mit diesem Geld hätte man sehr viel Sinnvolles tun können, beispielsweise Investitionen in Innovationen oder in die Infrastruktur.“

Die Pkw-Maut war ein Projekt von Wissings Amtsvorgänger Andreas Scheuer (CSU). Im Sommer 2019 kippte der europäische Gerichtshof (EuGH) das Vorhaben als europarechtswidrig. Scheuer kündigte daraufhin die Verträge mit Autoticket, wies Entschädigungsforderungen der Firma aber zurück. Zur Klärung rief das Verkehrsministerium selbst im Jahr 2020 ein Schiedsgericht an.

Überlegungen für einen erneuten Anlauf zu einer Pkw-Maut erteilte Wissing eine Absage. Heute müsse es um die Frage gehen, wie klimaneutrale Mobilität günstiger werden könne, sagte er der Zeitung. „Überlegungen, die das Autofahren zusätzlich verteuern, sind hier wenig hilfreich.“ Die Preise für Elektrofahrzeuge seien „noch immer für viele Menschen zu teuer“, befand Wissing.

Wissing warnt vor einseitiger Klimapolitik gegen das Auto



Wissing hat unterdessen auch vor Forderungen nach einer einseitigen Klimaschutzpolitik zulasten des Autoverkehrs gewarnt. „Ein solches Vorgehen hätte in der Verkehrspolitik ein Vielfaches der Konsequenzen, die wir im Streit um das Gebäudeenergiegesetz erlebt haben“, sagte der FDP-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). „Es gibt Menschen, die verlangen von mir, eine Politik gegen das Auto zu machen“, sagte Wissing. „Wir haben gerade in der Debatte um das Heizungsgesetz gesehen, wohin so etwas führt.“

Gegen das umstrittene Heizungsgesetz hatte es zahlreiche Proteste gegeben. SPD, Grüne und FDP hatten monatelang darüber gestritten. Am vergangenen Freitag sollte es im Bundestag verabschiedet werden - wurde aber vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Nun soll nach der Sommerpause Anfang September darüber entschieden werden.

Der Verkehrssektor reißt regelmäßig die Klimaziele der Bundesregierung. Ein wesentlicher Treiber bei den Emissionen ist der Autoverkehr. Insbesondere den Kommunen kommt deshalb eine wichtige Rolle zu, mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf den Umweltverbund aus Bus, Bahn und Fahrrad zu bewegen. Die Treibhausgasemissionen im Verkehr müssen laut Gesetz bis 2030 im Vergleich zu 1990 halbiert werden. Mit den derzeit beschlossenen Maßnahmen der Politik ist dieses Ziel laut Umweltbundesamt nicht zu erreichen.

Müssen auch den ländlichen Raum im Auge behalten



Wissing sagte, sehr viele Menschen schreckten auf, wenn sie das Gefühl hätten, der Staat greife über Gebühr in ihren Lebensalltag ein. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, dies nur durch die Brille der Städte zu betrachten, sondern müssen auch den ländlichen Raum im Blick behalten.“ Er sei immer wieder erstaunt, dass so leichtfertig gesagt werde, das Auto sei überflüssig. „Ist es nicht. Und das wird es auch nicht werden.“ Umso wichtiger seien klimaneutrale Antriebe, bei denen der Staat technologieoffen handeln müsse.

− AFP/dpa/che