Fragen & Antworten
Hintergründe, Folgen, Planung: Alles Wichtige zum Astrazeneca-Stopp

17.03.2021 | Stand 21.09.2023, 23:22 Uhr

−Symbolfoto: dpa

Die Zukunft der Astrazeneca-Impfung hängt von der Entscheidung der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Impfstopp mit Astrazeneca.

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Wieder einmal ruhen die Hoffnungen von Politikern in Deutschland auf einer Behörde in einem schmucklosen Bürogebäude in Amsterdams Süden. Hier, bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA, soll das Signal gegeben werden, ob der Impfstoff von Astrazeneca weiterverwendet wird.



Sagt die EMA Stopp, müsste der Impfplan für Deutschland umgeschrieben werden. Die Regierung sieht unerwartete Probleme auf sich zurollen. Ein dauerhafter Stopp würde "neue Herausforderungen" bedeuten, meint Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Wie geht es weiter?

Was sagt die EMA?
Dass sie am Donnerstag eine Einschätzung zu möglichen Risiken und zur weiteren Verwendung des Impfstoffs abgeben will. Bis dahin gibt sie schon einmal etwas Entwarnung: Stand heute seien die Vorteile zur Verhinderung von Covid-19 größer als das Risiko, sagt EMA-Chefin Emer Cooke. Die 59-jährige Pharmazeutin aus Irland versucht, die Wogen zu glätten: Unerwartet kämen Erkrankungen nach einer Impfung nicht, wenn man Millionen Menschen impfe. Aber: Nebenwirkung oder Zufall? Die entscheidende Frage prüft die EMA noch.

Was sind die nächsten Schritte in Deutschland?
Schon bisher war der genaue Fortgang der Impfkampagne unklar - sollen wirklich die Hausärzte spätestens in der Woche vom 19. April groß einsteigen? Das hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern vergangene Woche empfohlen. Eine für diesen Mittwoch geplante Telefonschalte zum Impfen sagten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länder-Regierungschefs ab - Wiedervorlage nach Entscheidung der EMA. Nach jüngsten Berichten könnte der "Impf-Gipfel" schon am Donnerstag stattfinden. Für Donnerstag ist bereits eine Schalte der Länderchefs zu anderen Themen anberaumt. Mit Merkel kommen sie spätestens am Montag wieder zur großen Corona-Runde zusammen. Heikel wird das Treffen so oder so: Wegen der steigenden Infektionszahlen stehen gerade alle Öffnungsschritte wieder in Frage.

War der vorläufige Impfstopp in Deutschland nötig?
Die einen sagen: Nein, das zerstört Vertrauen. Grüne und FDP schlagen vor, dass man sich freiwillig mit dem Astrazeneca-Stoff impfen lassen kann. Das Bundesgesundheitsministerium verteidigt den Stopp. Seit Freitag seien drei neue Fälle von Hirnvenen-Thrombosen nach einer Impfung gemeldet worden. Damit gab es sechs Fälle plus einen vergleichbaren Fall, drei davon tödlich. Trotz der hohen Zahl von 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca sei das "überdurchschnittlich". Für Experten sei ein Zusammenhang mit der Impfung "nicht unplausibel", so das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Das Ressort von Jens Spahn (CDU) meint: Auf jeden Fall müssen Ärzte über die neuen Fakten und Impfbereite über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden - selbst wenn der Stoff wieder erlaubt ist. Auch das Präsidiumsmitglied der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI, Uwe Janssens, hat die Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigt, Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca vorläufig zu stoppen. "Herr Spahn kann doch gar nicht anders entscheiden, wenn die Expertinnen und Experten vom Paul-Ehrlich-Institut ihm so eine Botschaft auf den Tisch legen", sagte Janssens, der früher Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) war, am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Wer ist nach der Impfung erkrankt?
Menschen zwischen etwa 20 und 50 Jahren, darunter sechs Frauen, so das PEI. Bei dieser Art von Thrombose kommt es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel. Die Folge: Kopfschmerzen. Zudem können epileptische Anfälle, Lähmungen, Sprachstörungen oder Blutungen auftreten.

Gibt es sonst weniger Hirnvenen-Thrombosen?
Ja. Bei der geimpften Personengruppe und in einem Zeitraum von 14 Tagen nach Impfung sind statistisch gesehen bei 1,6 Millionen Impfungen 1 bis 1,4 solche Thrombosen zu erwarten - nicht aber 7. Auch bei Anti-Baby-Pillen sind Thrombosen, auch mit tödlichem Verlauf, als sehr seltene Nebenwirkung bekannt. Dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zufolge ist dies aber nicht vergleichbar.

Was ist mit Menschen, die schon eine Astrazeneca-Impfung haben?
Nur wer 4 bis 14 Tage danach anhaltende Kopfschmerzen oder die Hautblutungen entwickelt, soll zum Arzt. Impfschutz wiederum gibt es nach der Erstimpfung in abgeschwächter Form schon. Gegen schwere Verläufe einer Covid-19-Infektion ist man dann schon geschützt. Mindestens sechs Monate soll dieser Schutz halten.

Wie weit sind die Impfungen inzwischen überhaupt schon?
Derzeit gibt es dem Ministerium zufolge 244.400 Impfungen pro Tag. Von 12,5 Millionen gelieferten Dosen sind 9,7 Millionen Dosen gespritzt. Mindestens eine erste Impfung haben 8,1 Prozent der Bevölkerung, schon zwei 3,5 Prozent. Bis April sollten die Lieferungen von Astrazeneca auf insgesamt 5,6 Millionen Dosen angewachsen sein, die von Biontech/Pfizer auf 12 Millionen und die von Moderna auf 1,8 Millionen.

Wie sollte die Impfkampagne mit Astrazeneca weitergehen?
Die Probleme knapper Dosen und überlasteter Termin-Hotlines sollten von April an allmählich schwinden. "Bereits zu Ostern wird der große Impfstoffmangel vorüber sein", frohlockte die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor drei Wochen. Der Löwenanteil soll von Biontech/Pfizer kommen - 40,2 Millionen Dosen im zweiten Quartal, dazu 6,4 Millionen Dosen von Moderna. Astrazeneca sollte mit 16,9 Millionen Dosen dabei sein. Zudem wird in der zweiten Aprilhälfte der Lieferbeginn des Johnson-&-Johnson-Stoffs erwartet.

Ist der ganze Impfplan jetzt Makulatur?
Wenn die EMA bei ihrem bisher positivem Votum für den Astrazeneca-Stoff bleibt, ohnehin nicht. Aber auch sonst eigentlich nicht komplett. Beispiel Hamburg: Nun werden Reserven anderer Impfstoffe genutzt und der mögliche Zeitabstand zwischen den zwei nötigen Impfdosen ausgeschöpft. Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung rechnet dem "Handelsblatt" zufolge mit einer Verzögerung um mehrere Wochen, wenn es beim Astrazeneca-Stopp bleibt. Alle Menschen über 60 wären aber Anfang Juli durchgeimpft. Es kommt auch immer wieder zur Aufstockung der prognostizierten Liefermengen - so kann die EU von Biontech/Pfizer nun kurzfristig im zweiten Quartal weitere 10 Millionen Dosen Corona-Impfstoff bekommen.

− afp/dpa