PNP-Interview
Dehoga-Chefin: Mitarbeitermangel ist derzeit das größte Problem

11.06.2021 | Stand 21.09.2023, 4:53 Uhr

Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). −Foto: dpa

Das aktuell größte Problem des deutschen Gastgewerbes sei "eindeutig der riesige Mitarbeitermangel", sagt Dehoga-Chefin Ingrid Hartges im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse.

Die Bundesregierung verlängert die Corona-Wirtschaftshilfen und das Kurzarbeitergeld. Hilft das ihrer Branche?
Ingrid Hartges: Es ist absolut zu begrüßen, dass die Bundesregierung die Regelungen zur Kurzarbeit mit der vollen Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge und die Überbrückungshilfen bis zum 30. September verlängert. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass beides bis zum Jahresende läuft. Aber das war offensichtlich in der Bundesregierung nicht konsensfähig. Vielleicht ist man ja davon überzeugt, dass man so gut mit dem Impfen vorankommt, dass die Pandemie bald hinter uns liegt. Ich befürchte aber, dass relevante Teile unserer Branche, wie Clubs und Diskotheken, die Stadt- und die Tagungshotellerie, im vierten Quartal bei weitem noch nicht an die Umsätze von 2019 wieder anknüpfen können.

Ist das Gastgewerbe bereit für den großen Neustart in diesen Wochen?
Hartges: Unsere jüngste Umfrage hielt für den Mai immer noch einen Umsatzrückgang von 67 Prozent fest. Erst im Laufe des Mai kam es ja zur bundesweiten Öffnung der Außengastronomie und teilweise auch der Innenräume. Die Testpflichten und Kontaktregeln werden von vielen Gästen und Gastronomen noch als Hürden empfunden. Dennoch steigt die Zuversicht in weiten Teilen der Branche. Das betrifft besonders die Betriebe mit großer Außenwirtschaft. Auch die Buchungen in wichtigen touristischen Destinationen, etwa an der Nord- und Ostsee, gehen nach oben. Das macht Hoffnung für den Sommer. Doch die Stadt- und Tagungshotellerie steckt noch immer in einer schwierigen Lage. Gleiches gilt für Clubs und Diskotheken.

Sollten angesichts der Infektionszahlen die noch bestehenden Beschränkungen rigoros aufgehoben werden?
Hartges: Ich denke, dass sollte und wird jetzt Schritt um Schritt erfolgen. Wenn die Infektionszahlen sich weiter so positiv entwickeln, ist es notwendig, die bestehenden Restriktionen aufzuheben, und das geschieht schon in den Ländern – wenn auch noch nicht überall befriedigend. Einschränkungen und Auflagen müssen permanent auf Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir unbeschwerte Urlaubswochen haben werden.

Was kann die Regierung noch tun, um dem Gastgewerbe zu helfen, die Corona-Folgen hinter sich zu lassen?
Hartges: Ohne die staatlichen Hilfen hätten zig Tausende von Betrieben in unserer Branche definitiv nicht überlebt. Jetzt ist es wichtig, dass die Hilfsanträge rasch bearbeitet werden und die Gelder zur Auszahlung kommen. Die Firmen, die auf das Geld angewiesen sind, brauchen Planungssicherheit. Die Hauptaufgabe der Regierung besteht aber darin, allen Impfwilligen ein Angebot zu machen, denn davon hängt es ab, ob wir die Pandemie bald hinter uns lassen können.

Braucht Ihre Branche noch weitere Hilfen zum Ausgleich für Krisenfolgen?
Hartges: Große Sorgen bereitet mir noch die Lage der größten Arbeitgeber der Branche, die trotz der aktuellen Verbesserungen keine ausreichende Hilfen erhalten. Ganz wichtig ist, dass am 26. September die richtigen Weichenstellungen erfolgen etwa bei der Bürokratie und den Steuern. Elementar wichtig ist für uns, die dauerhafte Mehrwertsteuersenkung und die Getränke darin einzubeziehen. Der Aufbruch kann nur gelingen, wenn die neue Bundesregierung durch Bürokratieabbau und Entlastungen dazu beiträgt.

Was ist das aktuell größte Problem des deutschen Gastgewerbes?
Hartges: Das ist eindeutig der riesige Mitarbeitermangel. Wir hatten im Lockdown sehr viele Menschen lange in Kurzarbeit, dennoch haben wir allein bis Februar 130.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte verloren - das ist ein Minus von zwölf Prozent. Wir sind inzwischen unter die Beschäftigtenzahl von einer Million gerutscht. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind abgewandert. Auch die Zahl der Auszubildenden bei ist bei uns zuletzt um 25 Prozent eingebrochen. Da müssen wir mit allen Mitteln gegensteuern. Deshalb muss die Politik alles tun, damit wir dauerhaft geöffnet bleiben. Sie muss besser vorbereitet sein für den Fall einer nächsten Welle, ohne dass dann gleich wieder unsere Betriebe schließen müssen.

Was ist also aktuell die vorherrschende Stimmung in ihrer Branche?
Hartges: Das muss differenziert betrachtet werden. In den vielen Betrieben, die jetzt öffnen können, kehrt die Lebensfreude zurück – bei den Gästen, den Mitarbeitern und den Unternehmern. Anders ist die Lage bei der Stadt- und Tagungshotellerie, die noch nicht läuft. Und auch bei den Bars, Diskotheken und den Clubs brauchen wir endlich konkrete Öffnungstermine.