Steigende Corona-Zahlen
Ärzteverband: Bald wird es eng in den Kliniken - Warnung vor Corona-Lockerungen

22.01.2022 | Stand 20.09.2023, 21:28 Uhr

−Symbolbild: Julian Stratenschulte/dpa

Bei weiter so rasant steigenden Corona-Infektionszahlen sieht die Ärzteorganisation Marburger Bund die Kliniken bereits in wenigen Tagen an ihrer Belastungsgrenze. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt vor Corona-Lockerungen.



"Spätestens Anfang Februar wird es in den Krankenhäusern deutschlandweit sehr eng werden, wenn die Infektionszahlen weiterhin in diesem Tempo steigen", sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dabei gehe es nicht nur um steigende Patientenzahlen. "Wir erwarten, dass in den kommenden Wochen sehr viele Beschäftigte des ärztlichen und pflegerischen Personals ausfallen werden, weil sie sich infiziert haben und in Isolation müssen." Das gelte für den ambulanten Versorgungsbereich genauso wie für den stationären.

"Das Personal ist der Engpass"

Weiter steigende Infektionszahlen könnten dazu führen, "dass die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr dem üblichen Standard entsprechen wird", sagte Johna. Anders als in der ersten Pandemiewelle gehe es jetzt nicht mehr um zu wenig Technik oder zu wenige Beatmungsgeräte. "Das Personal ist der Engpass."

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Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste warnt angesichts der sich verschärfenden Personalnot bei Pflegekräften vor einer Gefährdung der Versorgung. Ihr Präsident Bernd Meurer sagte der "Welt am Sonntag": "Ohne zusätzliche Kräfte - ob von der Bundeswehr oder aus dem Katastrophenschutz - drohen erhebliche Gefahren für die Versorgung." Die Belastungsgrenzen seien erreicht und weitere Personalausfälle nicht mehr verkraftbar. Der Verband vertritt 12.000 Pflegeheime und soziale Dienste.

Die Caritas Altenhilfe, die 72 Senioreneinrichtungen in drei Bundesländern betreibt, forderte eine Aussetzung der Impfpflicht für das Pflegepersonal. "Angesichts der relativ milden Verläufe durch die Omikron-Variante und der aktuellen Personalverknappung ist eine Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen nicht mehr vertretbar und muss ausgesetzt werden, bis es eine Entscheidung zur allgemeinen Impfpflicht gibt", sagte eine Sprecherin der Zeitung. Bis zum 15. März müssen Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen laut Bundesgesetz einen Nachweis über eine abgeschlossene Impfung, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest ihrer Nicht-Impfbarkeit vorlegen.

Lauterbach: Corona-Lockerungen wären "fatal"

Vor neuen Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Lage hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dafür ausgesprochen, die bestehenden Maßnahmen derzeit beizubehalten.

Der SPD-Politiker wandte sich in der "Rheinischen Post" gegen Verschärfungen - zugleich warnte er: "Aber eine Lockerung wäre fatal. Wir würden Öl ins Feuer gießen und die Welle beschleunigen." Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen schlug Lauterbach eine Priorisierung der besonders genauen PCR-Tests und eine Konzentration der Kontaktnachverfolgung auf bestimmte Berufsgruppen vor. Am Samstag sprachen sich die Gesundheitsminister der Länder einstimmig für diesen Vorschlag aus.

Beratungen am Montag

Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder beraten am Montag über die Lage. Bereits an diesem Samstag sprechen die Gesundheitsminister über das weitere Vorgehen, dabei geht es auch schon um die PCR-Tests.

Im Fokus steht aktuell der Umgang mit der neuen Virusvariante Omikron, die sich rasant ausbreitet. Lauterbach rechnet für Mitte Februar mit mehrere Hunderttausend Neuinfektionen pro Tag. Zwar geht Omikron tendenziell mit milderen Verläufen einher als die Delta-Variante. Es gibt aber Befürchtungen, dass sehr hohe Fallzahlen und massenhafter Personalausfall dennoch zu Belastungen des Gesundheitssystems und wichtiger Versorgungsbereiche führen könnten.

Lockerungen versus Verschärfungen

Hinsichtlich der Corona-Maßnahmen kamen aus den Ländern bereits Stimmen, von neuen härteren Beschränkungen abzusehen - etwa von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Dieser sagte am Freitag, auf der anderen Seite gebe es auch keinen Anlass dafür, wie etwa in Großbritannien auf ein Corona-Management völlig zu verzichten. Es könne aber nach Lage der Dinge Erleichterungen geben. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist nicht die Zeit für Lockerungen, aber Verschärfungen sind ebenfalls noch nicht angezeigt."

Bundesjustizminister Marco Buschmann knüpfte die Rücknahme von Corona-Einschränkungen an den Verlauf der Omikron-Welle: "Wenn die nächsten Wochen zeigen, dass Omikron beherrschbar ist und mit milderen Mitteln zu bekämpfen ist, müssen Maßnahmen zurückgenommen werden", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Zur ganzen Wahrheit gehört, dass es Modellierungen gibt, die im Laufe des Februars eine starke Belastung der Krankenhäuser prognostizieren." Man müsse die Lage "genau im Blick behalten".

− dpa