Hilfe für die Ukraine
PNP-Weihnachtsaktion mit CARE weckt Erinnerungen

10.12.2022 | Stand 12.10.2023, 10:16 Uhr

Besonders lange musste Berlin, das 1948/49 unter sowjetischer Blockade stand, mit Paketen versorgt werden – die Luftbrücke half dabei.

Schule – das war ihr Leben. 40 Jahre lang brachte Annemarie Hanke (88) unzähligen Kindern an der Grundschule in der oberbayerischen Gemeinde Engelsberg im Landkreis Traunstein das Lesen, Schreiben und Rechnen bei. Dass aus der jungen Annemarie überhaupt eine Studentin und später eine Lehrerin wurde, verdankt sie vor allem ihrer eigenen Lehrerin – aber auch ein wenig dem CARE-Paket und dem Mitgefühl der Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg.

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„Es ist, als ob es gestern gewesen wäre“, erzählt Annemarie Hanke im Gespräch mit der Heimatzeitung. Die Weihnachtsaktion der Passauer Neuen Presse für Kinder in der Ukraine in Zusammenarbeit mit CARE weckt in ihr alte Erinnerungen. „Ich war damals elf, zwölf Jahre alt und lebte mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester in München. Es war die schlimme Hungerszeit nach dem Krieg von 1945 bis 1948.“ In der zerbombten bayerischen Landeshauptstadt herrschte bittere Not. „Ich bin oft abends ins Bett gegangen und habe vor Hunger geweint“, sagt Annemarie Hanke. „Wir hatten keine Beziehungen aufs Land wie andere und lebten nur von den Lebensmittelmarken. Aber die waren oft wertlos, weil es die Ware, für die man anstand, gar nicht gab.“

„Diesen Rock habe ich mit Liebe getragen“

Auch der Unterricht in ihrer Schule im Stadtteil Laim sei oft ausgefallen. „Wir hatten nur sporadisch Unterricht, wenn die Witterung gerade passte. Bei zu großer Kälte mussten wir zuhause bleiben. Es gab ja keine Heizung.“ Tage, an denen sie in die Schule gehen und lernen durfte, seien gute Tage gewesen. „Wir hatten ja schon während des Kriegs oft keinen Unterricht. Die vierte Klasse habe ich nie ganz besucht und die dritte Klasse nur zur Hälfte“, erinnert sich die 88-Jährige.

1946 sei dann eines Tages eine Dame in die Schule gekommen. „Sie war von CARE und hat sich bei uns umgeschaut“, erinnert sich Annemarie Hanke. Kurze Zeit später seien Frauen aufgetaucht, die Pakete mit Kleidung dabei hatten. „Die Lehrerin wusste, welche Kinder es besonders nötig hatten. Wir durften uns dann etwas aussuchen. Ich nahm mir einen Rock und eine Weste“, erzählt Annemarie Hanke. So viele Jahrzehnte später sind Material und Design noch immer präsent: „Der Rock war weiß-grün geblümt und die Strickweste grün-orange abgetönt. Ich habe es mit Liebe getragen“, sagt sie und lacht. „Später kamen amerikanische Studenten zu uns und haben ein Foto von mir gemacht, weil ich mich so gefreut habe. Wer weiß, vielleicht wurde das Foto damals in irgendeiner amerikanischen Zeitung veröffentlicht?“

Einige Wochen später seien dann wieder Damen in die Schule gekommen, die CARE-Pakete mit Lebensmitteln an die Kinder verteilten. „Das durften wir mit nach Hause nehmen. Sie können sich nicht vorstellen, wie sich meine Mutter damals gefreut hat. Es war ein Fest für die ganze Familie. Da war Büchsenfleisch drin, Streichkäse und Erdnussbutter – die kannten wir bis dahin gar nicht.“

Später dann habe CARE auch eine Schulspeisung organisiert. „Wir durften jeden Tag mit einem großen Schöpfer und einer Blechdose in die Schule gehen und uns aus einem großen Topf bedienen. Da war dann mal eine warme Suppe drin und mal eine Art Kakao mit Einlagen. Dieser Monat war etwas Wunderbares“, erinnert sich Annemarie Hanke. „Diese Hilfe vergesse ich nie.“

Fast zehn Millionen Pakete für Nachkriegsdeutschland

Fast zehn Millionen CARE-Pakete mit Lebensmitteln, Kleidung oder Werkzeugen erreichten in den Nachkriegsjahren die zerbombten deutschen Städte, allen voran Berlin, das nur mit einer Luftbrücke erreichbar war. Deutschland und viele andere europäische Länder steuerten im ersten Nachkriegswinter auf eine erneute Katastrophe zu. Millionen Menschen, die den von Adolf Hitler und Nazi-Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieg überlebt hatten, drohten zu erfrieren und zu verhungern.

22 Wohlfahrtsverbände in den USA beschlossen zu helfen, gründeten C.A.R.E. und schufen das bis heute weltberühmte Paket. Am 21. Februar 1946 stimmte US-Präsident Harry S. Truman der Hilfsidee zu. Er kaufte persönlich hundert Pakete für Europa und forderte das amerikanische Volk auf, es ihm gleichzutun. „Dosenschmalz, Milch und getrocknetes Fleisch retteten Millionen Menschen vor dem Hunger“, schreibt die Hilfsorganisation in ihrem Rückblick. Am 9. Mai 1946 erreichten die ersten CARE-Pakete in der französischen Hafenstadt Le Havre das europäische Festland. Am 15. Juli 1946 kamen in Bremerhaven die ersten Pakete für Deutschland an. 

Heute, mehr als 75 Jahre später, ist das CARE-Paket für Millionen Menschen in der Ukraine ein Symbol der Hilfe. Der erste Kriegswinter hat begonnen – und ohne Hilfe von außen drohen zwei Flugstunden von uns entfernt Menschen zu verhungern und zu erfrieren. Für Annemarie Hanke keine Frage: „Ich bin CARE unendlich dankbar, dass sie mir damals geholfen haben. Mir geht es heute gut, mein Mann und ich hatten bis zu seinem Tod ein schönes Leben. Deshalb gebe ich diese Hilfe gerne zurück.“