Theater an der Rott spielt „Der Entstörer“
Premiere von „Der Entstörer“ in der Berufsschule Eggenfelden überzeugt mit Emotionen

08.03.2023 | Stand 25.10.2023, 11:48 Uhr

Ein Wirrwarr aus Gedanken: Jonas, gespielt von Martin Puhl, wünscht sich ein einfaches Leben. Ohne Verschwörungen. −Foto: Theater an der Rott

Ein Klassenzimmer, zwanzig Schüler, kein Lehrer. Die Tür geht auf, ein Mann kommt hereingestürmt, schaut sich abgehetzt um, schließt die Vorhänge, späht in den Gang und atmet tief durch. „Ich glaube, hier ist es okay“, sagt er. Er stellt sich als Jonas vor, das sei natürlich nicht sein echter Name. Über wichtige Dinge will er reden, wichtige Dinge und ihre Zusammenhänge. Jonas ist „Der Entstörer“

Das Klassenzimmerstück von Ursula Kohler hatte am Dienstag Bayern-Premiere in der Berufsschule Eggenfelden. Gespielt wird es von Martin Puhl, Ensemble-Mitglied am Theater an der Rott in Eggenfelden, direkt im Klassenzimmer (die PNP berichtete).

Als „Schlafschafe“ bezeichnet Jonas die Schüler, eigentlich die gesamte Menschheit, dann wickelt er sein Handy in Alufolie. „Schlafschafe“, das sind Menschen, die nicht hinterfragen, was die Regierung ihnen erzählt. Jonas hat Angst, über 5G getrackt zu werden. An der Tafel zeigt er, wie man Numerologie anwendet, um von Bill Gates Namen auf die Zahl 666 zu kommen – der vermeintliche Beweis, dass der Milliardär der Antichrist ist.

Anfangs fällt es schwer, Martin Puhl den Verschwörungstheoretiker abzukaufen. Das liegt weniger an seiner schauspielerischen Leistung, sondern vielmehr an der absurden Situation. Da steht plötzlich einer, der von Mikrochips in Impfungen, sogar in Regentropfen, spricht und chemische Elemente an die Tafel malt, als wäre er ein etwas abgedrehter Lehrer.

Dann wird es emotional. Jonas erzählt von der Einsamkeit, die seine mit Alufolie ausgekleidete Wohnung mit sich bringt. Von der Nachbarin Trixi, die er doch eigentlich mag, aber die seine Theorien hinterfragt. Und von seiner Mutter, die an Krebs gestorben ist und der Auslöser für seine verworrenen Theorien war. Hier zeigt Martin Puhl sein ganzes Können. Man kauft ihm die Emotionen ab. Die Einsamkeit, die Angst, nie ein normales Leben zu leben, und die Trauer um die Mutter und letztlich auch sich selbst.

Zu jeder Aufführung gehört eine Nachbesprechung mit Theaterpädagogin Marianne Klausen, um noch einmal zu reflektieren, sich bewusst zu machen, was da gerade passiert ist. Viele der Schüler haben bereits eigene Erfahrungen mit Verschwörungstheorien gemacht. Das Feedback ist durchgehend positiv.

„Der Entstörer“ ist ein Muss für alle, die nicht mehr sicher sind, was sie noch glauben sollen. Das Stück zeigt, wie leicht es ist, sich in Theorien zu verstricken, und auch, wie einsam es macht. Es macht sich nicht lustig, über die, die den Faden im Informationswirrwarr verloren haben, sondern weckt Verständnis und zeigt, wie man sich davor schützt, in das schwarze Loch zu fallen, das das Internet meist ist.


• Informationen zur Buchung: info@theater-an-der-rott.de