Neustart nach drei Jahren Pandemie
Gipfel der Kirchenmusik: Musikfreunde Passau führen Bachs h-Moll-Messe auf

Drei Tage vor dem Konzert mussten die Musikfreunde Passau Bachs h-Moll-Messe absagen – Am 12. März ist es nun soweit

01.03.2023 | Stand 25.10.2023, 10:53 Uhr

Dirigent Michael Tausch blättert in einem Faksimile der originalen Bach-Noten. −Foto: Rabenstein

Die Gesellschaft der Musikfreunde Passau meldet sich aus langer Corona-Pause im Konzertgeschehen zurück: Am 12. März wird in der Pfarrkirche St. Peter in Passau Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe aufgeführt. Es singt der Chor der Gesellschaft der Musikfreunde und musiziert das Euridice Barockorchester der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Am Pult steht Michael Tausch, seit 2014 künstlerischer Leiter der Gesellschaft der Musikfreunde und Träger des Urban-Mangold-Musikpreises sowie der Ehrennadel der Stadt Passau. Die PNP sprach mit dem Musiker, Musikpädagogen und Dirigenten über das Projekt mit einem Werk Bachs, das ihn seit über 30 Jahren bewegt und beschäftigt.

Zusatzproben über den Wochentermin hinaus

Wie geht es Ihnen und der Gesellschaft der Musikfreunde nach Corona?
Michael Tausch: Allen Schwierigkeiten zum Trotz ganz gut. Wir haben ja auch nicht durchgehend pausiert. Mit Hilfe eines ziemlich aufwendigen Online-Konzeptes konnten wir im Herbst 2021 beispielsweise die Aktion „Zum INNehalten“ durchführen. Das gab dem Chor die Chance weiterzuarbeiten, ersetzte aber natürlich nie die Proben in Präsenz. Mir war es wichtig, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Wie bei anderen Chören gibt es Abbrüche und eine Entwöhnung von regelmäßigen Terminen. Dies können ja mehrere Vereine und Institutionen beobachten.

Nach drei Jahren gehen Sie Bachs h-Moll-Messe an, die Sie kurz vor der Aufführung wegen Corona absagen mussten. Was waren die größten Schwierigkeiten?
Tausch: Es war damals bitter, dass wir drei Tage vor der geplanten Aufführung wegen Corona absagen mussten. Bei der Besetzung der Solisten gab es keine Probleme. Wir sind da gut vernetzt. Der Chor wird etwa 50 Sängerinnen und Sänger haben. Ich bin sehr dankbar, dass es ausreichend Leute gibt, die die Arbeit, die ich mache, wertschätzen und sozusagen „den langen Atem“ haben. Ein Chorkonzept zu entwickeln und durchzusetzen, das bei den vielen individuellen Ansprüchen letztlich auch einem Werk wie Bachs Messe in h-Moll gerecht wird, ist wirklich nicht leicht. Dazu bedarf es über die regelmäßigen und oft unterschiedlich gut besuchten Montagsproben hinaus auch einer mehr projektbezogenen Arbeitsweise. Die regelmäßigen Proben dienen dabei der Vorbereitung für intensive und zeitlich gebündelte Probenphasen. Es ist ein gutes Konzept, weil es auch denen Zeit gibt, die länger üben möchten. Die Gesellschaft der Musikfreunde macht hier ein wirklich breites musikalisches Angebot und das soll auch so bleiben. Im Übrigen muss es natürlich auch Raum für den musikalischen Nachwuchs geben.



Sie geben eine Werkeinführung vor dem Konzert. Warum?
Tausch: Gerade bei diesem Werk ist nach meiner festen Überzeugung eine inhaltliche Auseinandersetzung besonders geboten. Man stößt auf Details, die durch bloßes Anhören nicht zugänglich sind. Es geht um fundamentale und existenzielle Dinge. Ich weiß nicht, ob das funktionieren wird oder ob da überhaupt jemand kommt. Aber es ist ein Angebot, tiefer einzudringen, sich wirklich bewegen zu lassen, Bach war ja nicht nur Musiker, er war und ist bis heute Prediger. Für mich ist so ein Werk ein Geschenk und eine Aufgabe – nicht nur für Musiker, nicht nur wegen des schönen Klanges, sondern auch für ein hoffnungsvolles Verständnis von Mensch und Religion in einer Welt aus den Fugen.

Es musiziert das Euridice Barockorchester aus Linz. Wie sind Sie dazu gekommen?
Tausch: Schon die Matthäus-Passion 2017 haben wir mit diesem Orchester aufgeführt. Michi Gaigg hat es als Nachwuchsorchester der Anton Bruckner Universität Linz gegründet. Es war mutig, das junge Orchester an der Universität zu institutionalisieren. Jetzt leitet die Nachfolgerin in der Professur Gaiggs, Elisabeth Wiesbauer, das Orchester. Ich finde es wunderbar, dass Professoren und Studenten in diesem Klangkörper gemeinsam spielen, viele Studenten haben die h-Moll-Messe noch nie gemacht. Für mich ist das eine wirklich reizvolle Aufgabe.

Kommen die Solisten auch von der Linzer Uni?
Tausch: Nein. Sie sind aus ganz verschiedenen Orten. Mit Markéta Cukrová haben wir erneut eine der renommiertesten Barock-Sängerin aus Tschechien gewonnen. Auch Felix Schwandtke hat schon bei uns gesungen, er zählt inzwischen zu den Shooting-Stars der Oratorien-Szene. Die beiden Sopranistinnen kennen wir über ein Engagement beim Konzertwinter. Auf Samir Bouadjadja freue ich mich ganz besonders. Es ist ein wirklich ausgezeichnetes Solisten-Ensemble.

„Finsternis gibt es genug in unserer Welt“

Was antworten Sie Menschen, die äußern, dass z. B. die Chorpartie zu schwer ist für Laien?
Tausch: Kommen und mitproben! Im Ernst: Kurt Thomas, einer der ganz großen Chorleiter Deutschlands, sagte einmal, es gäbe keine schlechten Chöre, sondern nur schlechte Chorleiter. Sicher eine scharfe Polemik, aber gemeint ist, dass die wichtigen Entscheidungen vorne fallen. Und Laie heißt ja nicht automatisch ungeübt oder schlecht, es ist vielmehr absolut individuell. Da ist Chorarbeit ein bisschen anders als der Instrumentalbereich, etwas voraussetzungsloser. Das schützt freilich nicht vor dummen, manchmal auch arroganten Klischees. Sicherlich gibt es eine gewisse Professionalisierung der Chorszene, was eigentlich aber erst eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist. Sie wäre nicht möglich gewesen ohne eine qualitativ hochwertige Basisarbeit. Was manche Puristen da verbreiten, hilft wirklich niemandem außer vielleicht einem fragwürdigen Ego. Ich habe eine ganz andere Auffassung.

Die da wäre?
Tausch: Der Erlebniswert der Musik ist kolossal. Ein Beispiel: Ich habe beim Mozart-Requiem mit unserem Jugendchor einmal mehr erlebt, welche Kräfte aktive Beschäftigung bei Jugendlichen freisetzt. Und die waren vorher teilweise weit weg davon. Das ist ein absolut professioneller Ansatz, der zunächst an uns Leiter und Musikpädagogen geht. Will sagen, wir tragen die Verantwortung für eine gültige Vermittlung, eine ehrliche und uneitle Auseinandersetzung mit Kunst, die jedem zugänglich sein sollte, der sie verantwortungsvoll ernst nimmt. Dann lässt man sich nicht nur von schöner Musik unterhalten, sondern entdeckt Existenzielles. Finsternis gibt es ohnehin genug in unserer Welt. Bachs Musik bedeutet, sich nach dem Licht zu strecken. Dafür kann man sich nun am 12. März Zeit nehmen.

Das Gespräch führteEdith Rabenstein.



•12. März, Pfarrkirche St. Peter in Passau, Beginn 19.30 Uhr

•Kostenlose Werkeinführung in zwei Teilen mit Pause und Erfrischung: 16 bis 17 Uhr Kyrie und Gloria, 17 bis 18.30 Uhr Credo bis Dona nobis pacem

• Karten auf okticket.de oder an der Abendkasse ab 18.30 Uhr