Goldener Leopard für „Critical Zone“
Filmfestival von Locarno: Iranischer Sieg und deutsche Erfolge

13.08.2023 | Stand 12.09.2023, 23:38 Uhr

Er konnte da sein: Der iranische Filmproduzent Sina Ataeian Dena posiert mit dem Goldenen Leoparden für den Gewinnerfilm „Critical Zone“. Dem Regisseur des Films, Ali Ahmadzadeh, wurde die Reise zum Locarno Filmfestival von den iranischen Behörden untersagt. −F.: Bott, Keystone, dpa

Der Spielfilm „Mantagheye Bohrani“ („Critical Zone“) des iranischen Regisseurs Ali Ahmadzadeh hat den Goldenen Leoparden des 76. Internationalen Filmfestivals Locarno gewonnen. Der Film um den Alltag eines Drogendealers in Teheran reflektiert in verschlüsselten Bildern das Leben in einem Land, in dem ein freies Leben keine Selbstverständlichkeit ist. Ali Ahmadzadeh wurde vor dem Festival von den iranischen Behörden aufgefordert, seinen Film nicht in Locarno zu zeigen und durfte nicht zum Festival reisen. Die Auszeichnung ist künstlerische Anerkennung und ein Zeichen der Solidarität mit den Filmemachern im Iran.

Für die auch von deutschen Produzenten finanzierte internationale Gemeinschaftsproduktion „Stepne“ („Steppe“) wurde die in Kiew und Berlin lebende ukrainische Regisseurin Maryna Vroda mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Ihr Spielfilm schildert das Landleben in der Ukraine, fernab des Krieges. Mit der Vergabe dieser Preise und mit den meisten anderen Entscheidungen haben die Jurys weithin den Erwartungen entsprochen.

Im Nachwuchswettbewerb wurde die deutsche Regisseurin Katharina Huber für ihr dystopisches Gesellschaftspanorama „Ein schöner Ort“ als beste Nachwuchsregisseurin gekürt. Clara Schwinning erhielt für die Interpretation der zentralen Rolle einen der Schauspielpreise. Zwei weitere gingen an Isold Halldórudóttir und Stavros Zafeiris, die Hauptdarsteller des ungewöhnlichen deutschen Liebesfilms „Touched“ von Regissuerin Claudia Rorarius. Im Experimentalfilmwettbewerb wurde das in dänisch-deutscher Ko-Produktion realisierte 15-minütige Drama „A Study of Empathy“ von der deutschen Regisseurin Hilke Rönnfeldt zum besten Kurzfilm gekürt.

Die Jury des Hauptwettbewerbs unter Vorsitz des französischen Schauspielstars Lambert Wilson („Von Menschen und Göttern“) hat die zweitwichtigste Auszeichnung, den Spezialpreis, an den Film „Do Not Expect Too Much From the End of the World“ des Rumänen Radu Jude vergeben. Der Regisseur, international bekannt geworden mit dem Gewinn des Goldenen Bären der Berlinale 2021 für „Bad Luck Banging or Loony Porn“, setzt sich in dem Spielfilm, in dem die deutsche Schauspielerin Nina Hoss in einer Nebenrolle auftritt, kritisch mit den sozialen Ungerechtigkeiten in seinem Heimatland auseinander.

Zum ersten Mal wurden die Preise für beste schauspielerische Leistungen in Locarno genderneutral verliehen. Eine der zwei Ehrungen ging an die griechische Schauspielerin Dimitra Vlagopoulou für ihre Interpretation einer von den Wolfsgesetzen des Kapitalismus getriebenen jungen Frau in dem Spielfilm „Animal“. Ausgezeichnet wurde auch die Niederländerin Renée Soutendijk. Sie spielt im Anti-Kolonialismus-Drama „Sweet Dreams“ die Ehefrau eines Plantagenbesitzers, die sich auf bemerkenswerte Weise gegen männliche Gewalt wehrt.

Peter Claus