Im Landkreis Passau zu Hause
Zeichner und Maler Fritz Klier wird am Samstag 75 Jahre alt

Mit seiner Kunst blickt er hinter Fassaden

05.09.2020 | Stand 25.10.2023, 10:53 Uhr

Fritz Klier in seinem Atelier. Auf der Staffelei steht eine Arbeit des Triptychons "Sie säen nicht, sie ernten nicht und der liebe Gott ernährt sie doch", Mischtechnik, 2015. −Fotos: Rabenstein

Wer sieht, wie Fritz Klier mit glänzenden Augen und Leidenschaft in seinem Atelier kramt, Blätter und damit auch Erinnerungen hervorholt, kann kaum glauben, dass der Zeichner und Maler, der in Vornbach im Landkreis Passau zu Hause ist, heute 75 Jahre alt wird. Da ist dann auch die Malaise vergessen, dass er neulich gestürzt ist und Schulter und rechter Arm verletzt sind. Was bedeutet: Zurzeit kann Fritz Klier nichts arbeiten. "Wird auch vorbei gehen", kommentiert er den Sturz, der in "Verschwörung" mit Corona auch eine Ausstellung zum Jubiläum verhindert hat. Aber sie wird noch kommen.
Fritz Klier malt seitseiner Kindheit Noch vor Corona hatte er eine Ausstellung in der Kanzlei Gerauer, nein eigentlich war es eine "Ausstellungsparty, wo die Kunst im Mittelpunkt stand", erzählt er, mit der sein ehemaliger Schulkamerad Alfred Gerauer sein 40. Kanzleijubiläum in Pocking feierte. Klier, der 1997 mit dem Kulturpreis für bildende Kunst des Landkreises Passau ausgezeichnet wurde, bringt es auf den Punkt: "Er, der Bauernsohn aus Oberindling und ich, der Lehrerbua von Hartkirchen, − das ist eine Freundschaft fürs Leben geworden." Freundschaften sind ihm wichtig.

Fritz Klier blickt gerne in die Vergangenheit zurück, vor allem in seine Kindheit. Dort, da ist er ganz sicher, liegt auch der Urgrund seiner Kunst. Im Schulhaus aufgewachsen, ist er zum Beobachter von Menschen geworden. "Ich hab’ viel Zeit gehabt, über die Verhaltensweisen nachzudenken." Eine Tatsache, die viel später ein prägendes Element in seinen Zeichnungen geworden ist.

Dass das Zeichnen ihm liegt, hat ausgerechnet sein Religionslehrer entdeckt. Pfarrer Wasner erwischte ihn beim heimlichen Üben unter der Bank. Der riet ihm auch, Schriftsetzer zu lernen. Fritz Klier ging zur Passavia, kam mit dem Buchdruck in Kontakt und merkte rasch, dass ihm diese Ausbildung nicht reicht. Der Besuch der Berufsaufbauschule folgte, eine Aufgabe in der PNP-Akzidenz-Setzerei, und schließlich schaffte er den Absprung: Er besuchte von 1967 bis 1970 die Werkkunstschule München-Bogenhausen. Kunstunterricht war sein Ziel.

Dieses Ziel hat er verwirklicht, unterrichtete Kunst in der Sonderschule und Hauptschule in Pocking und am dortigen Gymnasium. In diese Zeit fiel auch die Familiengründung mit den zwei Kindern, die er sehr liebt.

Doch Fritz Klier spürte, dass es für ihn noch mehr gibt als das Lehrerdasein. Seit den Kindertagen war er mit Kunst konfrontiert. Er erinnert sich: "Der Vater zeichnete mit Kohle aus den Kartoffelfeuern und war nicht ungeschickt, der Opa war Glasmaler." Schon als kleiner Bub habe er selbst Schwarzweiß-Fotos von Teppichherstellern koloriert. Erste Erfolge hatte der Schüler Fritz als Dekorations- und Maskenmaler sowie Illustrator von Kirchenblatt und Einladungskarten. "Ich bin mit Zeichnen groß geworden." Schon damals hatte er ein Motiv, das bis heute geblieben ist: Tiere. Wichtig war für Fritz Klier auch die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte. Mit dem Impressionismus der Franzosen hat er sich beschäftigt, später mit den Expressionisten und mit Edvard Munch. Er bewundert nicht nur den Ausdruck, sondern auch die handwerkliche Könnerschaft. Ein Kopfschütteln verursacht ihm so Manches, das er heute sieht. "Ich denke mir meinen Teil."

Überblickt man das Œuevre Fritz Kliers, das er in unzähligen Ausstellungen in der Region, in ganz Deutschland, in Österreich und auch in Italien ausgestellt hat, stellt man fest, dass Themen geblieben sind, der künstlerische Ausdruck sich gewandelt hat, gereift ist. Und doch: Gerade in den zeichnerischen Blättern mit dem unverkennbaren Strich erkennt man den Meister sofort. Ein Klier bleibt ein Klier! Das ist seine besondere Kunst: Menschen, Situationen darzustellen, zu überspitzen oder auch zu überhöhen. "Zwischenmenschliche Beziehungen" heißt eine meisterhafte Serie. Unzählige Blätter sieht die Besucherin in seinem Atelier und erinnert sich an die Ausstellungen "Augenblick, Herr Goethe!" und "Frivolitäten" (1999), "Ramadui" (2005), "Eros und Satire – Zwei Künstler im Dialog der Jahrhunderte" (2006) – eine Reaktion Fritz Kliers auf das Werk Franz von Stucks – und "Mittsommer" 2010, um nur die wichtigsten zu nennen.

Heute arbeitet der Künstler expressionistischWährend der frühe Künstler deutlich von den Impressionisten beeinflusst war, arbeitet der reife Klier expressionistisch. Gegenständlich war er (fast) immer und ist es bis heute geblieben.

Neben den satirischen Werken nehmen Reisebilder einen beträchtlichen Teil des Œuevres ein. Hier sind es die Stimmungen, die den Betrachter faszinieren. Von der italienischen Sonne sind z. B. die Arbeiten in Italien und am Gardasee geprägt. Die Hitze Afrikas flimmert in den Zeichnungen aus Ägypten. Was das sakrale Werk betrifft, spürt man: Fritz Klier kennt die Bibel. Das erkennt der Betrachter beim Blick auf die Serien "Judas" (2000), "Pilatus" (2002) und "Maria Magdalena" (2004). Sehr beeindruckend ist das goldfarbene Triptychon im Betsaal von Ruhstorf mit dem Thema "Auszug aus Israel" (2004). Doch Klier wäre nicht Klier, wenn er nicht das "Personal des Himmels auf Erden" – dabei schmunzelt er – kritisch unter die Lupe und aufs Blatt bringen würde – von ratlosen Kardinälen bis zu rauchenden Bischöfen.

"Provokation um ihrer selbst willen ist nicht das Anliegen der gereiften Künstlerpersönlichkeit Fritz Klier", sagt sein Freund, der Passauer Fotograf Georg A. Thuringer. Er wolle nur einen Anstoß geben, hinter die Fassaden zu blicken. Der Kreis schließt sich wieder: Freunde sind ihm wichtig, "aber es gibt wenige", weiß er und denkt an den Regensburger Alfred Böschl, der viel zu früh heuer starb. Wenige, aber gute Freunde fand er in den Künstlergemeinschaften, denen er angehört: dem Berufsverband Bildender Künstler Niederbayern/Oberpfalz, der Innviertler Künstlergilde und der Burg in Burghausen.

Auch wenn er zurzeit nicht arbeiten kann, ist Fritz Klier zuversichtlich, dass er bei seiner angefangenen Serie über Tierbilder bald wieder weiter zeichnen – und dann mit Ehefrau Regina und Elsa, dem temperamentvollen dreijährigen Berner-Sennen-Aussi-Mix, wieder spazierengehen kann. Ad multos annos – und künstlerisch fruchtbare Jahre.