Neue Interessenvertretung
"Ihr habt halt keine Lobby" – Freie Musiker gründen Verband

Aus der Pandemie gelernt: Unabhängig vom Genre und von der Ausbildung will "Pro Musik" die Interessen gegenüber der Politik vertreten

10.03.2021 | Stand 12.10.2023, 10:30 Uhr

Axel Müller will Pro Musik als Verband für alle Musiker öffnen. Anders als beim Tonkünstlerverband sei die Interessenvertretung auch offen für Autodidakten. −Foto: privat

"Ihr habt halt keine Lobby", hieß es oft gegenüber freien Musikern während der Corona-Pandemie. Stimmt – dachten sich Saxofonist Axel Müller aus Sundern in Nordrhein-Westfalen und sechs weitere Musiker und wollen das mit einem Verband nun ändern. "Pro Musik", der Verband freier Musikschaffender, soll die Interessen von Musikern vertreten.

Die Gründungsmitglieder des Verbands sind alle Profi-Musiker, die schon lange im Geschäft sind. Vom Hochzeitsmusiker über Studioarbeit bis hin zu Engagements mit berühmten Künstlern wie Helene Fischer oder BAP kenne man die Szene in ihrer Gesamtheit.

Denn eines sei in der Pandemie und den von der Politik bereitgestellten Hilfsmitteln deutlich geworden, so Axel Müller: "Die verstehen die Szene nicht, die verstehen nicht, wo die Probleme sind." Zwar gebe es Verbände für Musiker – regionale etwa oder die Orchestervereinigung. Durch diese sehen Axel Müller und die weiteren Gründungsmitglieder die Interessen von freien Musikern jedoch nicht vertreten. Ebenso den Deutschen Tonkünstlerverband, der sich eher auf den Bereich Klassik und Neue Musik spezialisiert – er setze eine Ausbildung für die Mitgliedschaft voraus. "Wir möchten die Musiker vertreten, welche genreunabhängig und unabhängig von ihrer Ausbildung freischaffend tätig sind. Denn es gibt eben auch viele erfolgreiche und hochqualifizierte Autodidakten oder Quereinsteiger", so Müller. Deshalb sei eine Neugründung die beste Wahl gewesen.

Noch können Musiker dem Verband nicht beitreten. Die sieben Gründungsmitglieder sind gerade noch mit den Vorbereitungen beschäftigt, den genauen Zeitpunkt der Öffnung kann Müller noch nicht nennen – ein paar Monate, schätzt er. "Wir wollen erst einmal attraktive Konditionen für die zukünftigen Mitglieder schaffen. Wir wollen nicht nur Geld nehmen, wenn die Mitglieder 100 oder 200 Euro im Jahr Beitrag zahlen." Gerade in der Pandemie seien Musiker ohnehin knapp bei Kasse, für den Vereinsbeitrag soll es konkreten Service geben – verbesserte Versicherungskonditionen etwa oder GEMA-Beratung.

Zentrale Forderung des Verbands ist die soziale Absicherung: Musiker haben als Selbstständige keinen Zugang zum ALG1, sondern fallen direkt in Hartz IV. "Wir fordern, dass die Arbeitslosen-Kasse auch für Selbstständige geöffnet wird in Kombination mit der Künstlersozialkasse", so Axel Müller. Solche Vorstöße müssten durchgerechnet und der Politik schmackhaft gemacht werden.

Und natürlich fordert der Verband Pro Musik, dass die Corona-Hilfen verbessert werden. "Das Problem ist: Keiner blickt mehr durch. Jedes Hilfsprogramm hat eigene Statuten, teils orientieren die sich an Betriebskosten – solche haben viele Musiker also kaum." Zwar hätten sich die November- und Dezemberhilfen bereits an Ausfällen statt Betriebskosten orientiert, was grundsätzlich besser sei, hier gab es jedoch Probleme bei Mischkalkulationen von Musikern, die ihr Geld etwa zum Teil durch Auftritte und zum Teil durch Unterricht verdienten. "Die Hilfen sind einfach nicht genau genug zugeschnitzt auf die Branche", sagt Müller.

Musiker bringen gerade ein Sonderopfer für die Gesundheit der Allgemeinheit, dafür sollte es Kompensation statt Sozialhilfe geben, so Müller. Viele Musiker hätten zuvor jahrelang nicht schlecht verdient und entsprechend Steuern gezahlt. Einige Politiker würden das langsam verstehen, ist Axel Müllers Eindruck. "Aber in Berlin kommt das noch nicht an."

Das Momentum der Corona-Krise, die vielen Musikern gezeigt habe, wie wichtig eine starke Interessenvertretung ist, wollen Axel Müller und seine Kollegen nutzen – und eine Lobby für Musiker aller Genres schaffen.

Kristin Winderl