Projekte an Salzach und Donau
Verbund-Chef wirbt für Pumpspeicher und Wasserkraftwerk

Michael Strugl im Interview

19.07.2023 | Stand 14.09.2023, 11:21 Uhr

Verbund-Chef Michael Strugl besuchte kürzlich wie jedes Jahr alle großen Standorte des österreichischen Energiekonzerns. Eine Visite im modernisierten Kraftwerk Töging bildete dabei den Abschluss. −F.: Verbund

Michael Strugl hat eine echte Alpentour hinter sich: Der Chef des österreichischen Energiekonzerns Verbund besuchte in den vergangenen Wochen – wie jedes Jahr – die großen Verbund-Standorte in Österreich und Bayern. Den Abschluss der Tour bildete eine Visite in Töging (Landkreis Altötting), wo vergangenes Jahr mit dem für 250 Millionen Euro umgebauten Innkraftwerk Deutschlands größtes Wasserkraftwerksprojekt abgeschlossen wurde. Was er als nächstes in Bayern plant, sagt der Verbund-Chef im Interview.

Herr Strugl, bei der Eröffnung des umgebauten Töginger Innkraftwerks im Oktober stellten Sie heraus, wie wichtig Ihnen das Engagement in Bayern ist, ja, dass sich der Verbund auch als bayerisches Unternehmen fühlt. Woher kommt diese enge Verbindung zum Freistaat?
Michael Strugl: Aufgrund der Bedeutung, die die Werkgruppen, die hier in Bayern sind, innerhalb des Konzerns haben. Umgekehrt kommt ein Drittel der Wasserkraft in Bayern, 34 Prozent, von uns. Wir sind damit der zweitgrößte Wasserkrafterzeuger im Freistaat.

Kein Wunder, dass Sie da in diesen Zeiten, wo um jede Kilowattstunde gekämpft wird, von der Politik hofiert werden – bei der Eröffnung des Kraftwerks war unter anderem Ministerpräsident Markus Söder da. Was überwiegt eigentlich – die Freude darüber, dass sich die Politik seit vergangenem Jahr so für die Energieversorgung stark macht? Oder empfinden Sie manche politische Zwischenrufe auch als störend und Sie würden sich wünschen, dass Sie als Energieversorger „einfach in Ruhe machen dürfen“?
Strugl: Für die Unterstützung sind wir dankbar. Aber, um ehrlich zu sein, die die wir im letzten Jahr bekommen haben, die hat mir weniger gefallen. Denn eigentlich ist hauptsächlich diskutiert worden über Strompreise und über Gewinne und am Ende über Gewinnabschöpfung. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten rund um die Uhr dafür, dass auch in Bayern sauberer Strom erzeugt wird und das Versorgungssicherheit gewährleistet wird. Da würde ich mehr Wertschätzung für unsere Leute wünschen.

Auffallend ist, dass in der Diskussion um den Ausbau der Erneuerbaren zuletzt vor allem über mehr Wind- und Solarenergie gesprochen wurde. Wasserkraft wird nur nachrangig betrachtet.
Strugl: Die Wasserkraft ist in der Energiezukunft eine tragende Säule der erneuerbaren Erzeugung. Sie hat nämlich einen Riesenvorteil: Sie ist grundlastfähig, im Gegensatz zur Sonne und Wind. PV und Windkraftanlagen sind natürlich die großen Wachstumsbereiche, um zusätzliche Erzeugungskapazität zu installieren. Wasserkraft ist hingegen gut steuer- und prognostizierbar – und zwar 24/7. Deswegen hat Wasserkraft auch eine so große Bedeutung – gerade in Bayern. Ich habe aber den Eindruck, dass das hier – in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft – auch so verstanden wird. Und jetzt komme ich zurück auf das, was ich eingangs gesagt habe: Wir fühlen uns auch bayerisch. Wir sehen uns als bayerisches Unternehmen, das sehr stark verankert ist in der Region, sehr gut zusammenarbeitet mit den Behörden in der Region und den Menschen vor Ort.



Ist die Unterstützung auch da, wenn neue Projekte wie ein Wasserkraftwerk im Tittmoninger Becken im Raum stehen?
Strugl: Meiner Ansicht nach kommen hier die kritischen Stimmen nicht aus der breiten Bevölkerung, sondern von NGOs und gewissen Gruppen, die sagen: Ökologie und Biodiversität sind uns wichtiger als erneuerbarer Strom. Die Bevölkerung versteht hingegen, dass Wasserkraft eine Form der saubere Erzeugung von Strom ist, den wir einfach brauchen. Und wir beweisen mit unseren Projekten, dass man die Erzeugung von sauberem Strom und Naturschutz gut in Einklang bringen kann. Richtig ist, dass ein Wasserkraftwerk als Querbauwerk einen Eingriff in die Ökologie bedeutet. Aber ich glaube, wir haben schon sehr gutes Know-how, wie man das hinbekommt.

„Wir werden bis 2030 bis zu 1,4 Mrd. Euro ausgeben“

Widerstand kommt auch aus der Politik, konkret von den bayerischen Grünen: Sie sagen, statt neuer Wasserkraftwerke zu bauen, sollte man die bestehenden ertüchtigen und sehen hier ein Potenzial von bis zu 40 Prozent Leistungssteigerung in Bayern.
Strugl: Aber das machen wir ja fortlaufend, wir sind jedes Jahr dabei, zu investieren: Wir werden bis 2030 bis zu 1,4 Milliarden Euro ausgeben, 800 Millionen davon in die Modernisierung bestehender Anlagen. Dazu die fortlaufenden Investitionen in Betrieb und Instandhaltung sowie in die Lehrwerkstätten. Das sind in Bayern 30 Millionen Euro jährlich. In Töging wollen wir neben dem neuen Krafthaus außerdem die neue Verwaltung im historischen Krafthaus unterbringen, wir peilen hier 2026 an. Das Projekt in Tittmoning würde 100 Millionen Euro kosten, ein mögliches Pumpspeicherkraftwerk Riedl sogar 400 Millionen Euro. Das wären 500 Millionen Euro für neue Projekte nur in Bayern.

Sie sprechen das Projekt in Riedl selbst an. Es müsste dazu ein künstlicher See geschaffen werden. Dorthin soll dann Wasser bei günstigem Strom aus der Donau vom Kraftwerk Jochenstein hinaufgepumpt und bei Bedarf wieder heruntergelassen werden. Lohnt sich der Aufwand auch wirtschaftlich?
Strugl: Zur Wirtschaftlichkeit kann ich sagen, das ist unser Geschäft zu schauen, lässt sich das Projekt überhaupt realisieren? Die zweite Frage: Was bringt es für Bayern, für Deutschland, für das gesamte System? Das Pumpspeicherkraftwerk würde eine Leistung von 300 Megawatt haben. Warum ist das vorteilhaft? Wir sehen, dass der Ausbau der Erneuerbaren eines mit sich bringt: Die Stromerzeugung wird schwankender, während man gleichzeitig grundlastfähige Erzeugung herausnimmt – in Deutschland ganz konkret die Kernkraft. Man muss sehr viel Kapazität dazubauen, dass man diese ersetzen kann. Wir müssen sehen, wie wir mit diesen Schwankungen zurechtkommen. Ohne Flexibilität im Stromnetz, neuen Leitungen und einem massiven Ausbau der neuen Energien werden wir es nicht schaffen. Deswegen brauchen wir Speicher – die letztlich nichts anderes sind als riesige grüne Batterien. Solche Projekte braucht man, um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, und deswegen hätte Riedl gerade für die Region enorme Vorteile.

Glauben Sie, dass der Wirtschaftsstandort Bayern in Gefahr ist? Angesichts des langsamen Ausbaus der Erneuerbaren geht das Gespenst der Deindustrialisierung um: Investitionsentscheidungen fielen zuletzt zunehmend Zugunsten von Norddeutschland, wo es viel Windenergie gibt.
Strugl: Sie haben vollkommen Recht: Im Nordwesten Europas entsteht ein großer Cluster erneuerbare Erzeugung, das sind hauptsächlich diese großen Off-Shore-Windparks. Das führt dazu, dass sich natürlich neue Produktionen in Zukunft dort ansiedeln, wo die Energie zur Verfügung steht. Bayern hat eine starke Industrie, braucht also auch diesen günstigen Strom. Daher ist es wichtig, dass es eine gute Netzanbindung gibt, die von Nord nach Süd in Deutschland führt. Wenn es ein gut ausgebautes Netz gibt, dann bleiben die Märkte gekoppelt. Andernfalls droht, dass die EU Deutschland künftig zu verschiedenen Preiszonen zwingt. So wie im Übrigen zwischen Österreich und Deutschland, wo 2018 die Strompreiszonen getrennt wurden. Seitdem kostet der Strom in Österreich deutlich mehr als der Strom in Bayern, und der Unterschied wird eher immer größer.

Welche Rolle spielt Wasserstoff als Energiespeicher?
Strugl: Wir engagieren uns in diesem Bereich sowohl in Bayern als auch in Österreich. In Bayern sind wir an Projekten bis zu 20 Megawatt Leistung beteiligt. Das sind kleine Projekte, so fangen wir mal an. Im Burgenland arbeiten wir an einem Elektrolyseur mit einer Leistung von – nach dem Hochlauf – 300 Megawatt, wo die Industrie rund um Wien mit Wasserstoff versorgt werden soll. In Linz planen wir eine 60 Megawatt-Anlage gemeinsam mit Borealis, um damit zum Beispiel Düngemittel zu erzeugen.

„Beim PKW wird sich die batterieelektrische Mobilität durchsetzen“

Sie sehen das Potenzial von Wasserstoff eher in der Industrie und nicht zum Beispiel im Verkehr?
Strugl: In der Industrie benötigt man Wasserstoff sowohl als Grundstoff, aber auch als Energieträger. Sicher wird es auch Mobilitätsanwendungen geben – ich glaube allerdings weniger im Pkw. Ich glaube, dass sich da die batterieelektrische Mobilität durchsetzen wird. Aber bei Flugzeugen, wo ein Batterieantrieb nicht möglich sein wird, ist das sicherlich denkbar. Großes Potenzial gibt es sicher auch im Schiffsverkehr: Denken Sie an all die Tanker, die jetzt noch mit Schweröl herumtuckern. Dann kann man über Wasserstoff auch im Schwerverkehr nachdenken. In Tirol sind wir außerdem an einem Projekt zum Betrieb einer Lokalbahn mit Wasserstoff beteiligt. Auch Lkw und Busse können mit H2 fahren.

Stichwort Netzausbau: Der Verbund ist auch in den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos eingestiegen. Fahren Sie eigentlich schon selbst elektrisch, wenn Sie zwischen Wien und Töging unterwegs sind – immerhin 320 Kilometer?
Strugl: Tatsächlich ist mein Dienstfahrzeug noch ein Hybrid. Ein E-Auto wird folgen und ich bin es auch schon probegefahren. Die Distanz ist kein Problem! Und ich kann verraten: Es ist ein bayerisches Modell.

Interview: Johannes Geigenberger