Es erinnert an die Verstrickungen einer griechischen Tragödie – der Doppelgängerinnen-Mord von Ingolstadt, der aktuell am Landgericht verhandelt wird. Auf der Anklagebank Shahraban K.B. und Sheqir K..
Beide sind in der Nacht des 30. Juli dabei, als eine Clique in der Diskothek Viva in Geisenfeld feiert. Drei Zeugen mit teils erheblichen Erinnerungslücken werden dazu am zehnten Prozesstag befragt – es zieht sich zäh Stunde um Stunde hin. Ein Geduldsspiel für alle Prozessbeteiligten.
Zeuge eins: Richter muss jedes Wort aus der Nase ziehen
Besonders Murathan D. muss der Vorsitzende Richter jedes Wort aus der Nase ziehen. Es dauert Stunden, bis er mit den wirklich relevanten Details rausrückt: Dass ihn die Angeklagte gefragt hat, ob er jemanden kenne, der einen für 5000 Euro umbringt. Oder Waffen und gefälschte Papiere besorgen kann. Er hat solche Fragen nicht ernst genommen: „Was redest du da, frag mich nicht sowas“, antwortet er nur.
Den Kontakt bricht er nicht ab. „Sie war ein bisschen komisch drauf – irgendwie ängstlich“, beschreibt er die junge Frau. Sie erzählt ihm von Problemen mit der Familie und dass sie weg will. „Sie ist nicht mein Typ“, sagt er auch.
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Eine „Lichthupe bekommen“
Kennengelernt haben sich die beiden auf dem Parkplatz am Westpark. Dort habe er von ihr „eine Lichthupe bekommen“ und ihn dann um Feuer gebeten. Sie rauchen und reden. Ein paar Tage später treffen sie sich zufällig, dann tauschen sie Telefonnummern und Kontakte aus. Der Zeuge ruft sie beispielsweise an, als er und seine „Jungs“ sie als Fahrerin zum Viva brauchen. Furkan Y. ist auch dabei. Auf den scheint Shahraban zu stehen, in einer Nacht nimmt sie ihn mit ins Hotel, wo sie lebt. Murathan ist jedoch sicher, dass da nichts gelaufen sei zwischen den beiden, denn Furkan sei mit Khadidja zusammen gewesen – das spätere Opfer.
Einmal fragt Shahraban ihn, ob er mit ihr nach Augsburg fährt. Dort angekommen, bittet sie ihn, etwas auf das Anwesen eines Hauses „von ihrem Ex-Schwager oder Ex-Mann“ zu schmeißen. Richter Konrad Kliegl muss oft nachbohren: Der Zeuge spricht zuerst von einem Stück Papier, das er irgendwo am Straßenrand rauswirft. Dann wird daraus ein Stein oder Mehl, eingewickelt in Papier. Oder war es Kokain? Das bleibt offen wie der Sinn dieser Aktion. Shahraban versichert ihm, es sei „nichts Schlimmes“, aber er bekommt es doch mit der Angst zu tun, „dass sie mir was antut.“
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Zeuge zwei: Der beste Freund des Opfers
Der zweite Zeuge spielt auch eine wichtige Rolle: Tunahan Y. behauptet, Khadidja sei seine beste Freundin gewesen. Er habe sie über eine Live-App kennengelernt. „Sie hat Menschen unterhalten, mit ihnen geredet, Musik gehört“, erklärt er. Einmal ist Furkan zufällig dabei und findet sie hübsch, will sie näher kennenlernen. Die drei erstellen eine Gruppe, telefonieren täglich, tauschen Nachrichten aus. Anfang Juni besuchen die beiden Männer aus Ingolstadt Khadidja in Heilbronn, um sie erstmals persönlich zu treffen. Sie und Furkan kommen sich dabei wohl näher, denn nur zwei Wochen später reist Khadidja nach Ingolstadt. „Furkan hat sie seinen Jungs vorgestellt“, berichtet Tunahan.
Freunde melden Khadidja als vermisst
Dann, es ist der 17. August 2022, macht sich Furkan Sorgen, weil Khadidja nicht auf seine Anrufe und Nachrichten reagiert. „Sie hat immer sofort geantwortet“, sagt Tunahan, dessen Versuche, sie zu kontaktieren, ebenfalls scheitern. Die beiden melden ihre Freundin am Abend bei der Polizei als vermisst. Furkan habe Panik gehabt und „Filme geschoben“, habe sofort eine Verbindung hergestellt zwischen Khadidja und der Toten, die man in der Nacht zuvor in Ingolstadt gefunden hatte, so der Zeuge Tunahan. Er fand das übertrieben: „Das hat für mich keinen Sinn gemacht, denn Khadidja wohnte ja woanders.“ Der Richter glaubt ihm aber nicht, denn jemand soll ihn bereits in den frühen Morgenstunden informiert haben. „Das ganze Piusviertel wusste es“, so Kliegl. Eher noch als die Polizei.
Die Angeklagten kennt der Zeuge scheinbar nur flüchtig vom Sehen. Er war aber auch in der Partynacht im Viva dabei. Dort hätten sich ein paar der Jungs und auch Sheqir K. mit Shahraban unterhalten, um höflich zu sein, denn sie sei als einziges Mädchen allein dagesessen. Nach der „Sache“ hat er viele Nachrichten gelöscht, die er Shahraban alias Sheri geschickt hat. „Ich war am Brennen, weil meine beste Freundin tot war.“ Fest steht aber auch: K.B. hat ihm einmal in einer „Notlage“ 700 Euro geliehen. Die junge Frau mit dem schwarzen Mercedes hat sich öfter großzügig gezeigt.
Zeuge drei: „Hätte nicht erwartet, dass er so etwas macht“
Der dritte Zeuge erinnert sich nicht einmal, ob er am 16. August, als die Tote in dem Mercedes entdeckt wurde, in Ingolstadt oder schon in der Türkei war. Muhammet D. war mit dem Angeklagten Sheqir K. befreundet – „vor der Sache“, wie er betont. An der Nacht des 16. August erfährt er über einen Freund, „Sheqir sei mit Blut an den Händen “ aufgetaucht und habe erzählt, „dass er jemanden umgebracht“ hat. Für den Zeugen war das ein „Schock“: „Ich hätte nie erwartet, dass er sowas macht.“
War Sheqir K. aggressiv, wenn er getrunken hat?
Er äußert sich auch dazu, wie oft Sheqir K. Alkohol und Cannabis konsumiert habe und ob er danach aggressiv gewesen sei. Der junge Mann antwortet, sein Freund sei ein ganz normaler Konsument gewesen. „Ich kenne niemanden, der von Joints aggressiv wird.“ Ganz anders hatte zuvor der erste Zeuge den Angeklagten geschildert: „Er war eher ein ruhiger Typ. Aber wenn er betrunken war, war er schon ein bisschen aggressiv und hat bei jeder Kleinigkeit laut geschrien.“
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