Im Abschwung
Handwerkspräsident warnt Politik auf Münchner Messe vor weiteren Belastungen

08.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:16 Uhr

Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Jörg Dittrich, Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), (von links nach rechts) bei der Veranstaltung „Zukunft Handwerk“ im Internationalen Congress Center München. −Foto: Lein/dpa

Bundeswirtschaftsminister Habeck macht den Betrieben zum Auftakt der Handwerksmesse in München Mut: Die Branche werde mit der Transformation zum Konjunkturmotor werden. Aber diese ist im Abschwung und spricht erst mal die wunden Punkte an.



Handwerkspräsident Jörg Dittrich hat die Politik vor zusätzlichen Belastungen der Wirtschaft in der Krise gewarnt. „Wir brauchen eine Entlastung von Steuern und Abgaben und vor allem von Bürokratielasten“, sagte Dittrich am Mittwoch zum Auftakt der Internationalen Handwerksmesse in München: „Die Bürokratie erwürgt uns inzwischen.“ Das Handwerk könne mit Krisen umgehen. Aber die Politik dürfe „nicht nur schnell verbieten, wir müssen auch schnell ermöglichen“. Sonst seien auch die Ziele der Energiewende nicht umsetzbar.

Betriebe ächzen unter hohen Preisen



Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, das Handwerk werde „zur tragenden Kraft der Transformation in Deutschland“ werden: „Ich weiß, viele Betriebe ächzen und stöhnen unter den hohen Preisen“, aber „ich glaube, dass das Handwerk zu einem Konjunkturmotor wird“. Das geplante Verbot neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024 verteidigte er. Die Bundesregierung plane, nächstes Jahr 2024 auf 500.000 Wärmepumpen zu kommen. Die Probleme müssten angegangen werden: „Zu der alten Bequemlichkeit zurückzukehren, das kann sich Deutschland nicht leisten.“ Wer die Kosten der Umstellung nicht stemmen könne, für den werde es Förderprogramme geben.

Söder fordert pragmatische Lösungen



Viktoria Krastel, Gewinnerin des Hessischen Gründerpreises in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“ wies darauf hin, dass sowohl Material als auch Fachkräfte knapp seien. „Und wer bezahlt das letztendlich?“ Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte mehr pragmatische Lösungen. Die Bundesnetzagentur befürchte bereits eine Rationierung von Strom. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt die Hälfte mit Erdgas, ein Viertel mit Heizöl. Im vergangenen Jahr sind 600 000 neue Öl- und Gasheizungen eingebaut worden. Die teure Energie und die Inflation machen dem Handwerk nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform enorm zu schaffen. Zwei Drittel der Betriebe beurteilten ihre Geschäftslage im Moment noch als positiv. Aber die Ertragserwartungen seien eingebrochen, die Investitionsbereitschaft sei am Boden. „In Verbindung mit rückläufigen Auftragseingängen und der Zinswende stehen die Zeichen im Handwerk auf Abschwung“, sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch.

Zahl der Insolvenzen im Handwerk gestiegen



Creditreform hatte im Januar und Februar mehr als 1300 Handwerksbetriebe in Deutschland befragt. Niedrige Eigenkapitalquoten und schmelzende Rücklagen hätten bereits Spuren hinterlassen. Die Zahl der Insolvenzen im Handwerk sei im vergangenen Jahr um 12 Prozent auf 3270 gestiegen. „Die deutlich verschlechterten Geschäftsaussichten zeigen sich besonders in den Ertragserwartungen, die im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen sind“, sagte Hantzsch. Maximal rechneten die Betriebe mit einer stabilen Ertragslage, fast jeder vierte Befragte erwarte sinkende Gewinne. Nur noch 47 Prozent der Betriebe wollten in naher Zukunft investieren. Steigende Finanzierungskosten und die schwache Auftragsentwicklung führten dazu, dass selbst auf dringend notwendige Ersatzinvestitionen zum Teil verzichtet werde.

„Fachkräftemangel im Handwerk ist fatal“



Zudem hätten 83 Prozent der befragten Betriebe Schwierigkeiten, Arbeitskräfte und Azubis zu finden. „Der Fachkräftemangel im Handwerk ist fatal“, sagte Hantzsch. Zum deutschen Handwerk zählen eine Million Betriebe mit fast 5,6 Millionen Selbstständigen und Beschäftigten sowie 360.000 Lehrlingen. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks fehlen heute schon 250.000 Handwerker, 19.000 Lehrstellen blieben unbesetzt. Am Freitag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum „Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft“ mit den großen Wirtschaftsverbänden BDI, BDA, DIHK und ZDH auf der Handwerksmesse erwartet.

− dpa