Polizei klärt auf
Brauchtum oder Straftat? Diese Regeln gelten beim Maibaumstehlen

28.04.2022 | Stand 29.04.2022, 14:14 Uhr

Maibäume hat man früher oft erst am 30. April oder am Morgen des 1. Mai geschlagen. Heute wird das meist Tage bis Wochen vorher gemacht. Maibaumdiebe haben also genug Zeit, um ihre Aktion durchzuführen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Von Teresa Kaiser

Erpressung, Diebstahl, Sachbeschädigung: Diese Delikte können beim Maibaumstehlen grundsätzlich im Raum stehen. Die Polizei erklärt auf PNP-Nachfrage, was bei der bayerischen Tradition erlaubt ist - und was zu weit geht.



Maibäume hat man früher oft erst am 30. April oder am Morgen des 1. Mai geschlagen. Heute wird das meist Tage bis Wochen vorher gemacht. Maibaumdiebe haben also genug Zeit, um ihre Aktion durchzuführen.

Wann und wie darf der Maibaum aber gestohlen werden? Paul Ernst Rattelmüller, geboren in Regensburg, war ein deutscher Heimatpfleger, Autor und Hörfunkmoderator. Er hat einst die „Goldenen Regeln“ für Maibaumdiebe veröffentlicht:
1. Nur heimlich und unentdeckt darf der Baum gestohlen werden - je raffinierter die List, um so besser.
2. Frevelhaft ist es, den Baum zu zersägen oder zu beschädigen.
3. Werden die Räuber innerhalb der Gemeindegrenze beim Abtransport überrascht, müssen sie ihre Beute zurückgeben.
4. Aufgestellte Bäume dürfen nicht mehr gestohlen werden.
5. Nur der Baum und nicht die Tafeln, Kränze etc. sind Diebesgut.
6. Nach Versöhnung und Auslösung ist wieder Friede.
7. Das Brauchtum des Maibaumstehlens soll so gehandhabt werden, dass Juristen unnötig sind.

Außerdem haben sich in den vergangenen Jahren weitere „Brauchtumsregeln“ etabliert, die der Maibaum-Verein St. Markus München-Neuaubing ergänzt:

8. Der Baum muss bereits gefällt sein: Ist der Baum, der als Maibaum auserkoren wurde, noch fest verwurzelt, dann darf er nicht aus dem Wald gestohlen werden. Auch wenn der Baum liegt, darf er nicht aus dem Wald gestohlen werden. Dabei handle es sich um Holzdiebstahl.

9. Der Tradition zufolge darf der Maibaum auch nur gestohlen werden, wenn er sich innerhalb des Ortes befindet, in dem er aufgestellt werden soll.

10. Vereine oder Gruppen aus dem eigenen Dorf dürfen nur fremde Maibäume stehlen. Der eigene Maibaum - und auch der eines anderen ortsansässigen Vereins - ist tabu.

11. Legt ein Maibaumhüter seine Hand auf den Baum und sagt „Der Baum bleibt da“, dann darf der Baum laut Tradition nicht mehr von den Dieben angerührt werden. „Dies wird leider in neuerer Zeit nicht mehr so genau beachtet“, so der Maibaum-Verein auf seiner Internetseite. Es könne durchaus vorkommen, dass „übereifrige junge Leute sogar mit Messer und Gaspistolen auf die Bewacher losgehen“. In solchen Fällen sollen betroffene Vereine Anzeige bei der Polizei erstatten, um die Tradition zu schützen, heißt es.

Wann Maibaumstehlen ein Fall für die Polizei wird

Grundsätzlich können beim Maibaumstehlen „Erpressung“, Diebstahl und auch Sachbeschädigungen im Raum stehen, erklärt das Polizeipräsidium Niederbayern auf PNP-Nachfrage. Aber nicht jeder Maibaumdiebstahl ist sofort ein Fall für die Polizei. Für eine „rechtliche Ausnahme“ müsse auf beiden beteiligten Seiten ein „Einverständnis im Rahmen der Brauchtumspflege“ bestehen - wie etwa beim Brautstraußstehlen auf Hochzeiten.

Außerdem muss das Tatbestandsmerkmal der „Zueignungsabsicht“ fehlen. Die Maibaumdiebe sind in aller Regel benachbarte Vereine, die keine tatsächliche Zueignungsabsicht verfolgen. Vielmehr haben sie bereits beim Baumstehlen eine kulinarische Gegenleistung als Auslöse im Sinn: War der „Diebstahl“ erfolgreich, treten die Parteien in die Rückgabeverhandlungen ein. In der Regel einigt man sich auf Bier und Brotzeit, und es wird gemeinsam gegessen, getrunken und gefeiert.

Stichwort „sozialadäquat“

Überschreitet die geforderte Gegenleistung aber das „übliche“ Maß, wackelt das zuvor vorausgesetzte Einverständnis. Strafrechtliche Ermittlungen sind laut Polizei zumindest nicht ausgeschlossen, wenn eine Seite die Grenzen des anerkannten Brauchtums überschreitet - zum Beispiel 5000 Euro für die Auslöse des Maibaums verlangt. Die Polizei nennt dabei das Stichwort „sozialadäquat“. Inwiefern ein Vergehen des Diebstahls dann weiter verfolgt wird, hänge immer vom Einzelfall ab.

Etwas anderes sei es auch, wenn der Maibaum mit dem Ziel der persönlichen Aneignung gestohlen würde. Einfach klein schneiden und zu Feuerholz verarbeiten darf man den gestohlenen Maibaum zum Beispiel nicht, so die Polizei. In diesem Fall seien alle Tatbestandsmerkmale des Diebstahls erfüllt und etwaige Rechtfertigungsgründe lägen nicht vor.

Anzeigen müssen auch bei Brauchtum verfolgt werden

Der Maibaum-Verein St. Markus München-Neuaubing fügt auf seiner Internetseite hinzu: Sind körperliche Gewalt oder Waffen im Spiel, ist Schluss mit lustig. Dann werde empfohlen, die Polizei einzuschalten. „Es gibt leider immer wieder ‚dumme Buam‘ die, manchmal auch gedankenlos, ihr Messer mitnehmen und (vielleicht schon etwas alkoholisiert) dann auch damit rumfuchteln“, so der Maibaum-Verein.

Auch die Polizei Niederbayern gibt allen Maibaumdieben zu bedenken: Liegt eine Anzeige vor, muss die Polizei dem Fall nachgehen. Betroffene könnten dann nicht einfach sagen: „Das fällt ja unter Brauchtum.“ Fälle beim Maibaumstehlen, die in den vergangenen Jahren zur Anzeige gebracht und letztlich auch tatsächlich verfolgt wurden, sind der Polizei Niederbayern aber nicht bekannt.