In diesem Monat wird Karl Bauer 63 Jahre alt. Sein schönstes Geschenk hat er aber bereits in der Tasche, er hat es sich selbst gemacht, denn dem Passauer Extremsportler gelang vor eineinhalb Wochen der Flug seines Lebens.
293 Kilometer legte Bauer mit seinem Gleitschirm zurück, landete nach dem Start am Hausstein bei Deggendorf nahe der Stadt Laucha an der Unstrut in Sachsen-Anhalt. „Das ist die längste Strecke bei uns, die je von Süden nach Norden geflogen worden ist“, ordnet Bauer den Rekordflug selbst ein.
„King Karl“ hat wieder zugeschlagen. Unter diesem Spitznamen kennt man Bauer unter seinen Freunden und in der Fliegerwelt – und das weit übers Passauer Land hinaus, wie der Megaflug wieder einmal bewies: „Bist du der KK?“, fragte ihn ein Beobachter, kaum war er gelandet.
Insider beobachten den Flug aufmerksam
Sein Flug blieb ja nicht unterm Radar, Insider beobachteten ihn aufmerksam. „Als ich bei 200 Kilometern war, hat es daheim schon geheißen ,Tragl Bier kaufen zum Feiern‘“, erzählt Karl Bauer lachend. Doch es ging weiter und weiter, „Flugdauer 6:56 h“ stand am Ende am Datenblatt und „Strecke über Grund 334,5 km“, es zählt aber die „XC Strecke“ und die weist eben 297 km aus.
Diese Daten haben sich eingebrannt in die Wertungstabellen, die unter online einzusehen sind. Dort auch ersichtlich ist die „Deutsche Flachlandwertung“, die Karl Bauer nun anführt.
Lesen Sie auch: Kurioser Anblick: Warum ein Airbus durch den Bayerischen Wald rollt
Sein Über-Flug hat ihn auf diesen 1. Platz katapultiert. Er bewirkte aber mehr als nüchterne Daten-Arithmetik, er schwebt nun als Maß aller Dinge im Raum, und Bauer hat damit bewiesen, dass ein gewisses Alter keine Schranke bedeutet. Und: „Von so einem Flug träumt man sein ganzes Leben lang. Jetzt ist er wahr geworden“, kommt er in der Rückschau selbst ins Schwärmen.
„Karl hat was Außergewöhnliches geschafft“
„Diese Leistung ist gar nicht hoch genug zu bewerten, Karl hat was Außergewöhnliches geschafft. Er ist halt ein extrem leidenschaftlicher Flieger“, zollt Schorsch Höcherl dem Passauer Respekt. Das kommt aus berufenem Munde, denn Höcherl ist als Chef des Flugzentrums Bayerwald ein Profi, ist Fluglehrer und Tandempilot, Ballonpilot, Ultraleicht-Fluglehrer und war einst einer der hartnäckigsten Gleitschirm-Konkurrenten Bauers in der Jagd nach Weite und Ruhm und Ehre. Sie kennen sich schon lange, haben zusammen 1987 mit dem Gleitschirmfliegen begonnen.
Fun fact am Rande: Höcherl hat Bauer vor zwei Monaten den Schirm verkauft, mit dem der nun seinen Rekord flog. „Das ist ein professionelles Gerät. Man braucht sowas und Ausdauer und auch Glück dafür“, zählt Bauer die Bausteine des Erfolgs auf.
Das könnte Sie auch interessieren: Radspektakel in Patriching: Die Bilder
Dieses Fliegerglück begann am Samstag, 27. April, um 11.33 Uhr auf 830 Metern Meereshöhe am Hausstein, dem beliebten Startpunkt der Gleitschirmer im Bayerischen Wald. Sie breiten den Schirm aus und laufen auf einer ehemaligen Liftschneise die Wiese hinunter, bis sie genug Auftrieb haben um abzuheben.
Die Thermik ist hervorragend an diesem Tag, sie trägt Bauer bis auf 2842 Meter hoch, er nimmt Kurs Richtung Norden. Also immer der Nase lang, dem Auftrieb nach? „Ich habe die Route bewusst gewählt, weil ich erfahren habe, dass das die Rennstrecke der Segelflieger ist“, erklärt King Karl.
Fliegerkollegen klopfen King Karl virtuell auf die Schulter
Sein Ziel ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 bis 40 km/h, „das ist ein gutes Tempo. Wenn man langsamer ist, auf Sicherheit fliegt, dann wird‘s nix“, spricht er aus Jahrzehnten an Flugerfahrung. Über 2800 Meter Höhe – wie kalt ist es denn da? Ziemlich kalt, Bauer hat vier Schichten angezogen, darüber eine Jacke aus glattem, windschnittigem Material, trägt zwei Sturmhauben und Handschuhe.
Bei sieben Stunden Flugzeit muss dann wohl auch der Gang zur Toilette sein, oder? Bauer lacht: „Ich muss nicht, trinke vor so einem Flug fast nix und bin sowieso maximal konzentriert.“ Und: „Wenn ich mir sowas vornehme, dann bin ich weitgehend schmerzfrei.“
Der Lohn der Schmerzfreiheit ist auch in den Kommentaren abzulesen. Fliegerkollegen klopfen King Karl virtuell auf die Schulter, vielfache Deutsche Meister sind darunter. „Du scheinst ja wie ein guter Wein zu sein“, spielt Sepp Gschwendtner (79) auf Bauers Alter an. Auf dieses Lob ist der Passauer mit am stolzesten: „Der Sepp ist eine Legende in unserem Sport, ein Pionier. Wenn der sich meldet, dann bedeutet das viel!“
Zu den Kommentaren