All jenen, die Anfang des 20. Jahrhunderts den damaligen Bürgersaal im ersten Stock des Alten Rathauses betreten haben, muss sich ein beeindruckendes Bild geboten haben. Der Raum war über und über mit repräsentativer Illusionsmalerei verziert: Holzvertäfelung, Pilaster und eine Kassettendecke mit dem Deggendorfer Stadtwappen. Im Zuge der aktuellen Sanierung wurde ein Teil wieder freigelegt. Damit öffnet die Stadt ein Fenster in die Baugeschichte des den Stadtplatz prägenden Gebäudes.
Die Bernrieder Diplom-Restauratorin Kathrin Heide, die die Freilegung eines Teils dieser Bemalung zusammen mit dem Passauer Architekten Norbert Paukner angeregt hat, ist begeistert: "Das muss ein beeindruckender Anblick gewesen sein." Ein etwa drei Quadratmeter großes Feld hat die Expertin sichtbar gemacht. Zu diesem Zweck mussten bis zu sechs Farbschichten abgenommen und das darunter Entdeckte retuschiert werden. "Ich finde es wichtig, dass man so etwas in einem historischen Gebäude nachvollziehen kann."
Fotos oder Bilder, auf denen die Originalbemalung zu sehen ist, gibt es laut Kathrin Heide leider nicht. Also hat sich die Restauratorin dem Original über mehrere zehn auf zehn Zentimeter große Felder genähert, die sie behutsam freilegte, bis sie sich schließlich ein stimmiges Bild von der ursprünglichen Bemalung ergab. Ein großer Künstler steckt übrigens nicht dahinter. "Das waren ganz einfach Dekorationsmaler", weiß die Bernriederin. Der Bürgersaal wurde 1905/06 eingeweiht. Wohl bis in die 1940er Jahre, schätzt Kathrin Heide, waren diese reichen Verzierungen zu sehen. Warum sind sie verschwunden? "Nach 1945 wurden Trennwände eingezogen, alles wurde übermalt und durch die geänderte Nutzung zerstört." Es entstanden mehrere Büros. Dafür mussten Leitungen verlegt und Wände eingezogen werden.
− mic
