Simbach
ThamI: Eine besondere Version von "Hänsel und Gretel"

13.02.2022 | Stand 20.09.2023, 5:07 Uhr

Bei Familie Holzfäller gibt‘s mal wieder nur trockenes Brot, das der Vater (Sebastian Niebler) gerecht verteilt. Gattin Maria (Magdalena Niebler) hat für die beiden Stiefkinder nichts übrig. Doch Hannerl (Katrin Birneder, vorne links) und Gretel (Amelie Geitner, vorne rechts) wissen sich zu helfen.

Amateurtheater auf der Bühne – in der Region derzeit Fehlanzeige. Um trotz Corona weiterhin aktiv zu bleiben, hat das Theater am Inn (ThamI) im Jahr 2021 zwei Videos produziert und ins Netz gestellt. Seit ein paar Wochen läuft "Hannerl und Gretel", ein Märchenfilm frei nach den Brüdern Grimm.

Über das Zustandekommen und die Schwierigkeiten beim Dreh hat die PNP ja schon berichtet. Nun fand sich Zeit, das Stück einmal in Ruhe anzusehen und zu besprechen – ohne eine Kritik im feuilletonistischen verfassen zu wollen. Der Film steht auf Youtube, ist aber auf der Vereins-Homepage https://thami.de verlinkt und von dort aus am schnellsten zugänglich. Klickt man auf "Film", geht’s zu Youtube, wo nur noch der Start-Knopf gedrückt werden muss. Über 200 Mal wurde "Hannerl und Gretel" bislang aufgerufen. Das Video ist knapp 30 Minuten lang und in HD-Qualität gedreht.

Schon im Titelbild wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine "sehr freie" Version des Klassikers "Hänsel und Gretel" handelt, inszeniert von den "Theaterstrolchen", der ThamI-Kindergruppe.

Zwei Töchter und eine Zicke als Frau

Zur Handlung: Nach einer ernsten Anfangsmelodie folgt ein Schwenk durch den Wald. Ein Bub (Sebastian Niebler), der den Vater spielt, stellt sich den Zuschauern als Robert Holzfäller, von Beruf Holzfäller, vor. Zwei Töchter aus erster Ehe leben bei ihm: Hannerl (Katrin Birneder) und Gretel (Amelie Geitner). Seine jetzige Frau (Magdalena Niebler) heißt Maria Carmen Holzfäller-Zicke. Ihr Name ist Programm.

Schnell wird klar, dass die Familie bettelarm ist. Weil das Essen nicht reicht, fordert die Mutter von ihrem Mann, die Kinder auszusetzen. Der Vater gibt schweren Herzens nach. Wie im Original-Märchen geht’s nun zur Holzarbeit in den Wald, wo die Kinder alleingelassen werden. Mit Hilfe einer Spur von Kieselsteinen finden die aber den Weg zurück.

Die Mutter kommt hinter den Trick und sorgt beim zweiten Mal dafür, dass ihr schändliches Vorhaben gelingt. Beim Irrweg durch den Wald gelangen die Schwestern zu einem Knusperhäuschen, das von zwei Damen bewohnt wird: Oberhexe Apolonia (Annalena Wallner) ist seit 300 Jahren Mitglied im Verein "Altdeutsche Hexen". Ihr Lieblingsessen: Jungmenschrouladen mit Pfeffersoße. Hexe Rumpelpumel (Dana Unterbuchberger) mit ihrem Kater Peter steht ebenfalls auf Menschenfleisch. Die Gretel, klein und mager, wird im Folgenden zur Putzhilfe verdonnert, während das Hannerl in ein Kellerverlies gesteckt und gemästet wird.

Die coolen Hexen sind in der Folgezeit für manchen Gag zu haben und enden tragisch: Eine wird von Gretel in den Teich geschubst und ertrinkt, die andere landet im Ofen. Im Hexenhaus finden die Kinder noch einen Schatz, der sie aller Sorgen entledigt. So können sie getrost nach Hause zurückkehren, wo sich die Verhältnisse inzwischen grundlegend geändert haben.

Der Abspann bietet noch ein paar Pannen während der Dreharbeiten sowie die Namen aller Beteiligten. Kameraleute waren Charlotte Leguay, Bärbel Geitner und Philipp Geitner (auch Regie), um den Schnitt kümmerte sich Julia Geitner.

Was nicht passt, wird einfach abgehängt

Was auffällt: Das Format der Bilder wechselt manchmal, was aber nicht weiter stört. Es gibt wenige Szenen in Gebäuden, vermutlich weil man sonst zu viel hätte umbauen müssen. Moderne Gegenstände, die nicht in die Zeit der Handlung passen, werden mit schwarzen Tüchern verhüllt. Schnelle Schnitte aus wechselnden Perspektiven sorgen für Abwechslung.

Die Tonqualität ist unterschiedlich und hängt davon ab, wie weit die Spieler von der Kamera entfernt sind. Bei Schwenks durch das Blätterwerk der Bäume, die als Zwischenschnitte benötigt werden, geht schon mal die Schärfe verloren. Das kann aber auch gewollt sein. Selten wird ein Kamera-Stativ verwendet, was auch kein Problem ist. Man ist damit flexibler und erzeugt mehr Bewegung. Mehrmals werden Statements der Beteiligten eingeblendet, um Lücken zu füllen oder zusätzliche Infos zu geben, die für das Verständnis der Handlung wichtig sind. Unerwünschte Hintergrundgeräusche sind nicht immer zu vermeiden. Zum Beispiel hört man einmal fremde Stimmen oder eine Kreissäge.

Das Knusperhäuschen, eigentlich eine alte Forsthütte, besteht natürlich nicht vollständig aus Lebkuchen. Lediglich zwei Paletten mit Leckereien hängen an den Fensterläden.

Schauspielerisch leisten alle sechs Kinder Großartiges. Da wirkt nichts gekünstelt oder heruntergeleiert. Jeder und jede lebt seine bzw. ihre Rolle. Auch die gewählten Schauplätze und die Kostüme passen ins Bild. Der Schnitt ist routiniert und der ganze Film sehr kurzweilig. Vor allem zum Schluss folgen noch ein paar witzige Ideen.

Making of und Outtakes als Zugaben

Dazu hat ThamI auch ein "Making of" ins Netz gestellt. Diese Doku ist fast so lang wie der eigentliche Film und wurde bis jetzt erst 50 Mal aufgerufen. Es handelt sich um unkommentierte Einblicke vom Filmset, die mit Handys aufgenommen wurden. Hier sieht man, wie die Szenen vorbereitet und besprochen wurden, erkennt so manche Schwierigkeit, die sich beim Drehen auftat. Kameraleute und weitere Teammitglieder kommen ins Bild und der Regisseur gibt seine Anweisungen.

Schließlich gibt es noch ein kurzes Video mit "Outtakes": Hierbei handelt es sich um misslungene Szenen und die üblichen Versprecher, bei denen viel gelacht wird.
Fazit: "Hannerl und Gretel" ist ein schöner kleiner Spielfilm für Kinder und jung gebliebene Erwachsene. Er hätte deutlich mehr als 200 Aufrufe verdient. Immerhin kostet er nicht einmal Eintritt.