Foaie Verde bei den EW
Musik der Sinti und Roma im Schloss Mariakirchen

21.07.2022 | Stand 20.09.2023, 1:44 Uhr
Josefine Eichwald

Der Name der Gruppe, Foaie Verde, bedeutet grünes Blatt. Grün steht für die Freude, mit der Violinvirtuose Sebastian Mare aus Rumänien, Bajan-Spieler Vladimir Trenin aus Russland und ihre Bandkollegen im Rottaler Schlossinnenhof musizieren. −Foto: Toni Scholz

Gäbe es ein Tempolimit fürs Geigenspiel, Sebastian Mare hätte es mehrfach deutlich überschritten. Der Violinvirtuose aus Rumänien, "Kopf" der Formation Foaie Verde (Grünes Blatt), hat sich beim furiosen Auftritt bei den Festspielen Europäische Wochen im Innenhof von Schloss Mariakirchen im Markt Arnstorf im Landkreis Rottal-Inn nur einmal 90 Sekunden selbst "gezügelt": als er ein Pferdehaar vom Geigenbogen an eine Saite seines Instruments knotete und damit Töne erzeugte, die ihn an seinen jüngsten Zahnarztbesuch erinnern ließen … wenn, wie er sagte, "der Bohrer sich langsam hochdreht".
Ansonsten lieferte sich die im Raum Stuttgart beheimatete Multikultiband mit dem Russen Vladimir Trenin am Bajan (Knopfakkordeon), Frank Wekenmann an der Gitarre und Steffen Hollenweger – er ersetzte den regulären Kontrabassisten Veit Hüber aus Tschechien – musikalisch halsbrecherische Verfolgungsjagden, besonders zwischen Mares Geige und Trenins Bajan.

Die ungarischstämmige Sängerin Katalin Horvath, die sich durch starke Bühnenpräsenz auszeichnete, gab nur ab und an Einblicke in die verträumt-romantischen oder auch sentimentalen Liedinhalte. Auch wenn es den akustischen Bilderbogen der Balkanmusik durchbrochen hätte, interessant wären mehr Hintergründe zu den Stücken durchaus gewesen.

Insgesamt gelang dem Quintett, das wunderbar aufeinanderbezogen agierte, ein reibungsloser Wechsel zwischen schwermütigen Inhalten voll intensiver Melancholie und fetzigen Rhythmen, auch mit emotionsgeladenem Gesang, wie bei "Put Putuje", einem Lied aus Bosnien, beim kecken "Tchicki Tchicki" aus dem Film "Transylania" von Tony Garlif oder bei der "Mademoiselle de Bucarest".

Das Publikum im Schlossinnenhof hielt aus doppeltem Grund die Luft an: Zum einen wegen der atemberaubenden Arrangements, mit denen Foaie Verde die Musik der Sinti und Roma auffrischte, zum anderen wegen der sehr engen Bestuhlung. Mit einer Ballade, einem Gebetslied der Roma, als letzte Zugabe, endete ein feuriger, mitreißender Abend friedlich und mit anhaltendem Applaus.

Josefine Eichwald