Simbach am Inn
Brauchtums-Weiterbildung in Corona-Zeiten

18.05.2021 | Stand 19.09.2023, 21:28 Uhr

Evi Mader und ihr Maibaum, den sie selbst gestaltet hat. Im Anschluss gab es eine zünftige Familienfeier im geschmückten Garten. −Foto: privat

Auch Evi Mader hat in ihrem Garten einen eigenen Maibaum aufgestellt. Wie es dazu kam und wie die Aktion ablief, das schildert die 30-Jährige in einem sehr persönlich gehaltenen Bericht:
Aufgrund der uns allen bekannten Einschränkungen im öffentlichen wie privaten Leben, können auch in diesem Jahr die meisten kulturellen und traditionellen Veranstaltungen nicht stattfinden. Wir alle haben es zuvor als mehr oder weniger selbstverständlich hingenommen, jedes Jahr die immer gleichen Feste zu feiern. Erst Corona hat uns gezeigt, wie wichtig Traditionen sind.

So kam es also, dass ich mich in diesem Jahr selbst mit der Thematik Maibaum beschäftigt habe, statt wie sonst immer an festlich geschmückten Tischen zu sitzen und einem der hiesigen Trachtenvereine dabei zuzusehen, wie er seinen Maibaum aufstellt. So habe ich nun einiges über eine wichtige bayrische Tradition gelernt, was ich bislang nicht wusste: Woher kommt der Brauch? Wie ist der Ablauf? Und vor allem: was gehört zu einem richtigen Maibaum?

Ich beschloss, mir meinen eigenen blau-weißen "Hexenabwehrstamm" zu gestalten. Ich konnte zwar nicht alle Richtlinien einhalten, habe mich aber so gut es mir möglich war an die Vorgaben gehalten, die ich in Erfahrung gebracht hatte. So ist mein sechs Meter hoher Maibaum keine Tanne oder Fichte, sondern eine entastete Tuje. Es war mir auch nicht möglich, den Baum zu entrinden und zu bemalen. Dafür habe ich ihn mit einem glatten blau-weißen Band umwickelt, so dass auch bei mir in der Walpurgisnacht keine Hexen daran hängen bleiben konnten. Wappen und Siegel von Stadt und Gewerken sind bei mir auch nicht zu finden, dafür aber mit Bändern geschmückte, selbst gebundene Tannenkränze.

Angst vor nächtlichen Dieben unberechtigt

In der Nacht zum 1. Mai habe ich den Baum sorgfältig versteckt und sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn anzuketten, damit er mir nicht doch noch gestohlen wird. Ich konnte ja niemanden zur Wache abstellen und selbst die ganze Nacht wach bleiben ... wollte ich auch nicht. Zum Glück lag er auch am nächsten Morgen noch wohlbehalten in seinem Versteck.

Mit der ersten Maß des Tages und festlicher Blasmusik (live gespielt von meinem USB-Stick) konnte es losgehen – natürlich unter strenger Einhaltung sämtlich Corona-Schutzmaßnahmen. So wurde der Baum von unserem Haushalt und einer weiteren Person – alle selbstverständlich standesgemäß in Tracht gekleidet – aufgestellt, anschließend nahmen wir mit 1,5 Meter Sicherheitsabstand unter freiem Himmel an der Biertischgarnitur im festlich geschmückten Garten Platz (saukalt war‘s) und genossen den Anblick des Maibaums, während wir ein Weißwurschtfrühstück (ja, so schreibt ma des in Bayern) verköstigten.

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass die Pandemie auch ihre positiven Seiten hat. Ich habe in diesem Jahr vieles über einen uralten Brauch gelernt. Statt einfach nur dabei zu sein, war ich mittendrin. Ich empfinde Brauchtum als ein äußerst wichtiges und erhaltenswertes Kulturgut, das uns auf keinen Fall verloren gehen darf.

− red