Roßbach
"Siebener" wachen über die Grenzen

09.10.2020 | Stand 19.09.2023, 23:21 Uhr

Für die Markierungen der Grundstücksgrenzen ist ein Feldgeschworener unerlässlich. Bürgermeister Ludwig Eder (rechts) und Geschäftsführer Karl-Heinz Duschl suchen deshalb dringend Ehrenamtliche. −F.: red

Sie üben das älteste kommunale Ehrenamt in Bayern aus, sind durch Eidesform auf Lebenszeit zur gewissenhaften und unparteiischen Tätigkeit verpflichtet, vor allem aber wachen sie über Grenzen: die Feldgeschworenen. Mit Konrad Huber – gerade hat er seinen 85. Geburtstag gefeiert – hat die Gemeinde Roßbach nur noch einen Feldgeschworenen. Und das ist bei 48 Quadratkilometer kommunaler Fläche entschieden zu wenig. Doch es ist nicht leicht, diesen Posten zu besetzen.
Nach Bayerischem Abmarkungsgesetz sollen in einer Gemeinde, je nach Größe und Gemarkungen, vier bis sieben Feldgeschworene bestellt sein. "Die Gemeinde Roßbach hat fünf Gemarkungen. Ideal wäre es also, wenn wir fünf Feldgeschworene hätten", sagt der Geschäftsleiter der Gemeinde Roßbach, Karl Heinz Duschl.
Als Partner der Bayerischen Vermessungsverwaltung wachen diese Ehrenamtlichen tatsächlich über Grenzen. Sie sind bei Vermessungsarbeiten dabei – dann, wenn beispielsweise neue Siedlungsgrundstücke vermessen werden, wenn Grundstücksgrenzen sich nach Verkäufen ändern oder wenn Grundstücke neu vermessen werden, weil Grenzsteine fehlen. "Es kommt vor, dass Grenzsteine unbeabsichtigt ausgebaggert werden oder im Zuge von landwirtschaftlichen Arbeiten im Laufe der Jahre überackert werden, so nicht mehr sichtbar sind", merkt Bürgermeister Ludwig Eder an und erklärt weiter: "Feldgeschworene leisten einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwesen, weil sie Ordnung schaffen und oft durch ihre Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten Grundstücksstreitigkeiten vorbeugen."
Feldgeschworene dürfen einmal gesetzte Grenzzeichen suchen und aufdecken, wenn ein Grundstückseigentümer dies beantragt. Ferner dürfen Feldgeschworene innerhalb eines engen gesetzlichen Rahmens Abmarkungshandlungen in eigener Zuständigkeit und Verantwortlichkeit vornehmen. Wenn das Vermessungsamt Grundstücksgrenzen vermisst, sind diese ehrenamtlichen kommunalen Mitarbeiter dabei und setzen letztendlich, unterstützt durch Vermessungshelfer oder den kommunalen Bauhof, die Grenzsteine, Grenzpunkte oder markieren mit Meißelzeichen die genaue Abgrenzung eines Grenzverlaufs. Noch heute graben die Feldgeschworenen ihr individuelles Zeichen auf eine nur ihnen bekannte Art und Weise mit ein. Dieses "Siebenergeheimnis" ist ein sicheres Indiz, ob ein Grenzstein unberechtigt versetzt wurde.
Tatsächlich gibt es Feldgeschworene bereits seit Jahrhunderten. Sie werden auch "Siebener" genannt, weil in der Regel sieben Feldgeschworene in einer Gemeinde tätig waren. Durch die ungerade Zahl kann bei Unstimmigkeiten stets eine eindeutige Entscheidung gefällt werden. Daher leitet sich auch die Begrifflichkeit des "Siebenerzeichens" und "Siebenergeheimnisses" ab. Noch heute müssen Siebener einen Eid ablegen, dieses Geheimnis zeitlebens zu bewahren und nur mündlich an Nachfolger weiterzugeben. Seit zu Beginn des 19. Jahrhunderts die staatliche Landvermessung eingeführt wurde, arbeiten die Siebener effektiv und vertrauensvoll mit den Vermessungsbehörden zusammen.
Feldgeschworene werden vom Gemeinderat gewählt, auf Lebenszeit bestellt und anschließend vom Bürgermeister vereidigt. Die Wählbarkeit entspricht den Vorschriften des Landeswahlgesetzes (Gemeindebürger/in seit mindestens drei Monaten, das 18. Lebensjahr vollendet, das 67. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, einwandfreier Leumund, keine Vorstrafen). Ganz unentgeltlich muss diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht verrichtet werden. Der Feldgeschworene erhält 15 Euro pro Stunde, die Abrechnung erfolgt über die Gemeinde beziehungsweise über den Grundstückseigner.
Übrigens ist das Feldgeschworenenwesen in Bayern als lebendige und traditionelle Kulturform 2016 in das "Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" aufgenommen worden. Es ist also aller Ehren wert, als Feldgeschworener zur Verfügung zu stehen.

− red