Theater an der Rott
Männer zwecks Fortpflanzung gesucht: "Penthesilea" in Eggenfelden

19.01.2022 | Stand 21.09.2023, 6:38 Uhr

Im Kampf der Geschlechter und der Völker von Amazonen und Griechen treten gegeneinander an (v.l.): Eveline Schulz (eine Amazone), Barbara Novotny (Penthesilea), Stefanie Darnesa (Prothoe), Markus Schiefer (Diomedes), Alexander Mitterer (Achill) und Norman Stehr (Odysseus). −Foto: Rupert Rieger / Theater an der Rott

Es ist eine furiose Geschichte über Liebe und Begehren, Macht und Machtlosigkeit: Das Frauenvolk der Amazonen zieht regelmäßig in die Schlacht, nur zu dem Zweck, um Männer zu entführen und in einem Zeugungsfest den Fortbestand der Amazonen zu sichern. Die unterlegenen Männer werden freigelassen, Söhne werden getötet, Töchter zu Kriegerinnen ausgebildet. So war das von Anbeginn, so will es das uralte Gesetz, und das darf bitte sehr nicht hinterfragt werden. Ganz ungünstig, wenn einer Amazone die Liebe in die Quere kommt, die hat nun wirklich keinen Platz in den Gesetzen des Staates. Blindwütig stürzt sich Amazone Penthesilea auf den griechischen Helden Archill und ahnt nicht, dass er sich ihr nur zu gern ergeben würde.

Über 200 Jahre alt ist diese Geschichte, Heinrich von Kleist schrieb das Drama "Penthesilea" 1808, Uraufführung war erst 1876. "Ich finde das Stück topaktuell", sagt der 1976 in Salzburg geborene Regisseur Josef Maria Krasanovsky, der das Drama ab Samstag, 22. Januar, auf die Bühne im Theater an der Rott in Eggenfelden bringt, wo er bisher schon die Stücke "Wir sind noch einmal davongekommen" und "In Evas dunklen Gärten" inszeniert hat.

"Beide Hauptfiguren stehen vor dem Problem, dass sie als Individuum mit dem Staat in Konflikt stehen", beschreibt Krasanovsky den aktuellen Bezug. Es geht um die Fragen: "Wo hört die Freiheit eines Individuums auf und inwieweit darf ein Staat in den persönlichen Alltag eingreifen." Wobei es in "Penthesilea" doch um deutlich mehr geht als 2G oder 2G+.

Am Theater an der Rott ist der Schauspielklassiker in einem Bühnenbild von Vincent Mesnaritsch und in Kostümen von Elke Gattinger zu sehen. Ungestüm und wild sehen die Darsteller aus in ihren schwarzen Klamotten, die aus der Rockergang oder auch aus dem Sadomaso-Club stammen könnten. In welcher Zeit an welchem Ort also spielt "Penthesilea" hier?

"Ich würde das Stück gern so verorten wie ein gutes Hugo-Boss-Sakko", sagt der Regisseur: "nämlich absolut zeitlos." Zwar gebe es einige Verweise in unsere Gegenwart, aber "keinen billige Modernismus". Es geht um Josef Maria Krasanovsky um den ideellen Gehalt des Dramas, um den Konflikt des Individuum in seiner gesellschaftlichen Ordnung.

Im Zentrum seiner Inszenierung soll die Frage stehen: "Wie geht ein Mensch mit ganz starken Gefühlen um?" Penthesilea in ihrem Liebes- und Kriegesrausch kann dabei durchaus als abschreckendes Beispiel dienen. Gewalt spielt in dem Drama eine große Rolle. "Für uns in Westeuropa ist Krieg ein wahnsinnig abstrakter Begriff geworden", findet der Regisseur. "Wir wollen versuchen, begreifbar zu machen, was Krieg bedeutet, ohne dass der Theaterabend derb und widerlich wird."

Ganz im Gegenteil, bei aller Drastik verspricht Josef Maria Krasanovsky: "Es gibt auch sehr viel zu lachen. Es muss sich niemand fürchten für dem Stück. Und ich würde sogar sagen, dass sich auch die Netflixgeneration gut wiederfindet darin." Dass Intendant Uwe Lohr ein Werk wie dieses auf den Spielplan setzt, findet Krasanovsky "sehr, sehr mutig". "Alles, was Schwellenängste abbaut, ist gut."

Krasanovsky führt nicht nur Regie, er hat auch eine eigene Textfassung erarbeitet. Anstatt dreieinhalb Stunden dauert "Penthesilea" in seiner Version nur anderthalb Stunden. "Wir haben probiert, das Thema und die Konflikte extrem zuzuspitzen". Bis auf wenige Ausnahmen zum besseren Verständnis wird ausschließlich Originaltext in Versform aufgeführt.

Neben Schauspielerinnen und Schauspielern des Ensembles und Gästen wirken mehrere Studierende der Athanor Akademie für Schauspiel und Regie aus Passau mit, die seit David Esrigs Ruhestand der Rottaler Theatermacher Sebastian Goller leitet. Krasanovsky selbst hat 2003 die Athanor Akademie absolviert und lehrt dort regelmäßig als Dozent.

Raimund Meisenberger



•Mit Stefanie Darnesa, Danae Mareen, Alexander Mitterer, Barbara Nowotny, Markus Schiefer, Norman Stehr und Studierenden der Athanor Akademie Passau

•Zu sehen 22.–23.1., 28.-30.1. und 4.-6.2., Schulvorstellung Do., 27.1.