Galerie "Kunsträume grenzenlos"
111. Geburtstag von Josef Fruth: Retrospektive in Bayerisch Eisenstein

17.01.2022 | Stand 20.09.2023, 3:40 Uhr
Alexandra von Poschinger

Farbstarkes, leuchtendes Spektakel: Josef Fruths "Dorffasching", eine Leihgabe der Marktgemeinde Obernzell; Tempera, undatiert. −Fotos: Alexandra von Poschinger

Die Erde, die die Wurzeln seiner Kunst genährt hatte, fand sich im Bayerischen Wald. Josef Fruth brauchte ihn so dringend wie jeder einzelne Baum dort das Wasser. Keine Akademie hätte dem Maler, Grafiker und Dichter geben können, was er entdeckte, indem er sich in die Natur, in die Waidler, ihre Lebenswelt und ihr Brauchtum verbiss. "Im Woid dahoam" blühte er auf in seiner einzigartigen Kunst und lebte den Inbegriff kreativer Freiheit.

Die Kunst war ihm das fleißige Ausprobieren bildlicher Möglichkeiten, in erster Linie jedoch ein bunter Seelenzustand. Für ihn musste Farbe wohl zweierlei sein: rein und leuchtend. Anlässlich seines 111. Geburtstags im vergangenen Jahr lassen die "Kunsträume grenzenlos" in Bayerisch Eisenstein die Farben Josef Fruths nun in einer großen Retrospektive erstrahlen. In 130 Bildern verschiedener Techniken, Formate und Motive und einem kleinen Einblick in sein lyrisches Werk läuft der "Wächter über dem Urgrund", wie Biograf Stefan Rammer den Künstler tituliert, einmal mehr zu seiner ganzen Größe auf – und beeindruckt nachhaltig ob seiner Vielfalt.

Er brauchte den Wald wie der Baum das Wasser

Der Bayerische Wald schien Josef Fruths Werk von innen zu erhellen. Er half ihm, zu gestalten. In der Region zu einem Pionier figurativer Kunst der Gegenwart avanciert, war er zu einer Reise zwischen Popularität und Moderne angetreten, in deren Sog später eine ganze Künstlergeneration geriet. 1910 in Fürsteneck im heutigen Landkreis Freyung-Grafenau geboren, absolvierte Josef Fruth von 1926 bis ’29 die Glasfachschule Zwiesel. Eine schwere Krankheit zwang ihn zum Abbruch, so dass er sich fortan dem Privatstudium widmete und seine malerischen Fähigkeiten in Münchner Künstlerkreisen ausbildete. 1932 stellte Fruth zum ersten Mal aus. Ab 1947 freischaffend tätig, fertigte er in den 60ern großformatige Arbeiten für Schulen und begründete mit acht Künstlerkollegen den renommierten "Bayerwaldkreis". Für die Passauer Neue Presse wirkte er 15 Jahre lang als Illustrator. 1971 erhielt Fruth den Kulturpreis Ostbayern, 1979 das Bundesverdienstkreuz. 1994 verstarb er 84-jährig im Geburts- und Wirkungsort Fürsteneck.

Inspiriert von der Lebensweise im Wald, von regionalem Brauchtum und der Natur entwickelte Josef Fruth sein eigenes Universum. Reelles und Imaginäres standen dabei Seite an Seite, womit der Künstler nicht selten zur Mahnung im Umgang mit der Umwelt anhob. So illustrierte er die Schriften und Bücher seines Freundes, des Umweltschutzpioniers Hubert Weinzierl, besonders ausdrucksstark. Fruths Stile und Techniken unterscheiden sich oft so sehr, dass er sich nicht mühelos einordnen lässt. Leicht zu erkennen indes ist sein Talent, mithilfe dessen er nicht nur moderne Pfade beschritt, sondern nachkommenden Kollegen auch den Weg wies. Fruth fühlte sich frei zu experimentieren, gehörte keiner Kunstströmung an, wenngleich er mit diversen Avantgarderichtungen zu liebäugeln schien. Oft wird man geblendet vom Strahlen der Farben und vom Spielen der Lichter. Aber man findet stets, was man sucht: Raffinesse, in der Materie und in den großen Gesten.

In jeder Arbeit findet sich Raffinesse

Als Beispiel sei "Dorffasching" genannt: Mit seiner horizontalen Struktur wirkt das Bild wie eine Partitur. Eine Komposition gefasster Linien, besetzt mit Figuren, die wie Musiknoten verteilt sind. Eine Welt voller Glück oder Tragik, real oder metaphorisch dargestellt – in Josef Fruths Arbeiten trifft alles zusammen. Mitunter auch heimliche Botschaften, die es anhand volkstümlicher und mythologischer Motive zu entschlüsseln gilt. Oft inszeniert er Menschen wie Künstler inmitten der Tragödie des Lebens, zeigt sein Urverständnis von Gemälden als spannenden Theaterraum.

Dass in jeder Arbeit der Wald anklingt, zeugt von der tiefen Heimatliebe Fruths. Er malte Kühe, Hähne, Bauern und Dörfer als Repräsentanten seiner Herkunft. Mit den Essenzen und Aromen der Heimat haben sie sich in sein visuelles Gedächtnis eingebrannt. Sein Schaffensreichtum bestand darin, eine Szenografie verschiedener Identitäten zu erstellen. Wie ein persönliches Rezept, das sich von niemandem nachkochen lässt. Reichlich kosten aber schon.

Alexandra von Poschinger

Bis 24. April, Kunsträume grenzenlos, Bay. Eisenstein, Bahnhofstraße 52, Mi. bis So. 11-17 Uhr. Info: kunstraeume-grenzenlos.de