Zwiesel
Unterkünfte für Flüchtlinge werden knapp

Helfer kritisieren Bürokratie

01.02.2023 | Stand 17.09.2023, 4:07 Uhr

Auch fast ein Jahr nach Kriegsbeginn reißt der Strom von Flüchtlingen aus der Ukraine nicht ab. Im Landkreis Regen sind aktuell rund 790 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert. −Foto: dpa

Von Christina Hackl

Fast genau ein Jahr dauert er jetzt schon, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Noch immer verlassen Menschen aus Angst vor Bomben, Tod und Terror ihre Heimat. In Zwiesel sind vor einigen Tagen zuletzt 25 Flüchtlinge in einem Mehrfamilienhaus untergebracht worden. Dabei lief nicht alles glatt. Helfer mussten sich um die Erstversorgung kümmern. Auch für den Landkreis wird die Unterbringung der Flüchtlinge zunehmend problematisch.

„Die Leute, unter ihnen viele kleine Kinder, hatten wirklich nur ein paar Habseligkeiten dabei“, berichtet ein ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer von seinem jüngsten Einsatz in Zwiesel. Als er gemeinsam mit anderen Helfern abends in das Haus gekommen sei, in dem die Ukrainer untergebracht worden sind, sei nicht einmal etwas zu Essen vor Ort gewesen. „Ein halber Sack Kartoffeln, das war alles.“

Auch Geld hätten die Menschen nicht dabei gehabt. Die Helfer machten sich also auf zum Einkaufen, um die Menschen zumindest mit dem Nötigsten an Nahrungsmitteln zu versorgen. Das Geld dafür nahmen sie aus ihrer Spendenkasse. Der Besitzer der Immobilie habe sich am Tag darauf bei den Helfern dafür entschuldigt, dass bei der Ankunft der Menschen keine Verpflegung vorbereitet war. Das Geld für die Einkäufe hat er mittlerweile in die Spendenkasse zurückgezahlt.

Man sei über den konkreten Fall nicht informiert, heißt es aus dem Landratsamt Regen. Pauschal lasse sich die Frage, wer für die Verpflegung der Flüchtlinge zuständig sei, nicht beantworten. „Teilweise haben sich Vermieter dazu verpflichtet, die Verpflegung der Schutzsuchenden zu übernehmen. In anderen Fällen obliegt die Verpflegung den Schutzsuchenden selbst. Im Bedarfsfall erhalten die Personen dann öffentliche Leistungen“, heißt es aus dem Landratsamt.

Aktuell seien rund 790 Flüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis Regen registriert. Davon wurden etwa 130 in staatlich angemieteten Unterkünften untergebracht. Die übrigen Schutzsuchenden hätten private Unterkünfte bezogen. „Neben den Zugängen aus der Ukraine erreichen uns aktuell Flüchtlinge vor allem aus Syrien, in monatlich schwankender Anzahl. Der weit überwiegende Teil des aktuellen Zustroms ist aber ukrainischer Herkunft“, heißt es aus dem Landratsamt weiter.

Eine verlässliche Prognose, wie viele Schutzsuchende noch kommen werden, könne man

Landkreis sucht Unterkünfte

nicht abgeben, da die weitere Entwicklung im Wesentlichen von den bundes- und bayernweiten Zugängen abhängig sei.

Bereits jetzt seien aber die im im Landkreis vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung „weitgehend ausgelastet“. Auf die Frage, ob der Landkreis nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten suche, heißt es: „Die Anmietung von Immobilien als staatliche Unterkünfte erfolgt bedarfsgerecht im erforderlichen Ausmaß. Die Unterkünfte sollen der kurzfristigen Unterbringung dienen, bis die ukrainischen Schutzsuchenden selbst eine eigene private Unterkunft gefunden haben.“

Bereits in der Vergangenheit habe das Landratsamt durch Aufrufe in Presse, Web und Social Media nach geeigneten Gebäuden gesucht. Noch immer können Interessierte geeignete Gebäude mit einer Aufnahmekapazität von mindestens 15 Personen anbieten.
Weil Unterkünfte fehlen, bereiten manche Kommunen in Deutschland Turnhallen und Container für Schutzsuchende vor. Im Landkreis Regensburg wird ein Kreuzfahrtsschiff zur Flüchtlingsunterkunft, in Stephansposching wurde eine Traglufthalle errichtet.

„Überlegungen zur Schaffung von dauerhaften Lösungen zur Unterbringung von Geflüchteten in öffentlichen Gebäuden, Containern oder Turnhallen bestehen derzeit nicht“, so das Landratsamt Regen. Für den Fall einer kurzfristig eintreffenden größeren Anzahl an Schutzsuchenden sei man jedoch „bestens vorbereitet“ und könne innerhalb kurzer Zeit auf eine spontane Ankunftswelle reagieren.
Bei den Ehrenamtlichen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, macht sich dagegen immer mehr Frust über die Bürokratie breit, die ihre Arbeit erschwere. „Zu Beginn der Fluchtwelle aus der Ukraine sind wir mit den Leuten ins Landratsamt zum Registrieren gefahren. Dort haben sie dann auch Geldleistungen für die

„Wir brauchen mehr ehrenamtliche Helfer“

ersten Tage in Deutschland erhalten“, berichtet einer der Helfer.

Mittlerweile aber sei das Prozedere wesentlich komplizierter, erklärt der Ehrenamtler: „Zuerst muss man die Formulare ausfüllen und Passfotos machen, dann kann man zur Registrierung ins Landratsamt. Anschließend muss man zur Registrierung ins jeweilige Einwohnermeldeamt der Gemeinde.“ Wenn das erledigt sei, müsse man die Formulare für das Jobcenter ausfüllen. Bevor das Jobcenter finanzielle Leistungen zahlen könne, sei ein Bankkonto nötig. Für diesen Schritt brauchten die Menschen aber erst einmal eine Steuer-ID. Erst wenn das Konto eröffnet sei, könne die Registrierung beim Jobcenter erfolgen.

„Das größte Problem dabei ist, dass die Leute nicht Deutsch sprechen und sie bei allen Schritten Unterstützung brauchen und auch einen Fahrdienst, der sie zum Landratsamt und zum Jobcenter bringt“, so der Helfer.

Die Hilfsbereitschaft für die Menschen aus der Ukraine sei im Bayerwald zwar erfreulicherweise noch immer groß, aber mit der zunehmenden Anzahl von Flüchtlingen brauche es eben auch immer mehr Helfer, die nicht nur Kleidung oder Geld spenden, sondern die auch Zeit für Behördengänge, Jobvermittlung und Wohnungssuche haben. „Ich hoffe, dass sich weiter genügend Ehrenamtliche finden, die den Menschen aus der Ukraine bei der Ankunft hier in Deutschland helfen. Ohne diese Hilfe wird es nicht gehen“, so der Flüchtlingshelfer.