Regen
„Gründen hat in Krisenzeiten Hochkonjunktur“ – Interview mit Manuel Huber von der Hans Lindner Stiftung

12.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:16 Uhr

Sein Team gibt Starthilfe bei der Firmengründung: Manuel Huber von der Hans-Lindner-Stiftung. −Foto: Hans-Lindner-Stiftung/Testov

Der eigene Chef sein, ein Traum, der scheinbar jeder Krise trotzt. Nach dem pandemiebedingten Wirtschaftstief 2020 erholte sich die Zahl der deutschen Existenzgründungen überraschend schnell: Bereits im Folgejahr, so der „Gründungsmonitor KfW 2022“, wagten 607000 Menschen den Sprung in die Selbstständigkeit – 30 Prozent mehr als 2020. Zusätzlich waren die Vollerwerbsgründungen – ohne Netz und doppelten Boden eines absichernden „Brotberufes“ – um 35 Prozent gestiegenen. Diese Erhebung entspricht auch den Beobachtungen von Manuel Huber, Gründungsberater der Hans-Lindner-Stiftung: „Ähnliche Knicks bzw. Schwankungen im Gründungsverhalten verursachen aktuell die Entwicklungen in der Ukraine. Es herrscht zunächst große Vorsicht. Sobald sich globale Auswirkungen aber wieder besser absehen lassen, gibt es einen regelrechten Ansturm auf alle Informations- und Unterstützungsangebote.“ Wie gut, dass die Hans-Lindner-Stiftung in Kooperation mit der Kreisentwicklung des Landkreises Regen Gründungswilligen seit heuer im Rahmen kostenloser „Beratertage“ unter die Arme greifen.

Herr Huber, was sagen Sie Menschen, die mit einer tollen neuen Geschäftsidee zu Ihnen kommen?
Huber: Eine gute Geschäftsidee – ggf. verbunden mit einem Alleinstellungsmerkmal – bildet natürlich eine gute Basis für eine erfolgreiche Gründung. Darüber hinaus spielen jedoch auch weitere Faktoren wie Branchenerfahrung, Vernetzung, Planung, vertriebliches Talent oder auch die individuelle Persönlichkeit eine wichtige Rolle. Im Rahmen der individuellen Beratungsgespräche vor Ort geben wir ein ehrliches Feedback zur Geschäftsidee. Wir hinterfragen und prüfen gemeinsam mögliche Konzepte, stecken Rahmenbedingungen ab, denken Zahlen an, diskutieren Fördermöglichkeiten und beantworten selbstverständlich offene Fragen der Gründerinnen und Gründer. Auch bieten wir Unterstützung und Tipps hinsichtlich Businessplan und Finanzplanung. Unsere Unabhängigkeit in der Gründerberatung erlaubt es uns, sehr offen mit den Klientinnen und Klienten zu sprechen. Wir haben nichts davon, möglichst viele Menschen (womöglich noch mit nur halbgaren Businessplänen) in die Selbstständigkeit zu schicken. Um die Gespräche möglichst gewinnbringend gestalten zu können, bitten wir die Gründungswilligen um die vorherige Zusendung einer kurzen Zusammenfassung des Vorhabens.

Existiert die Hans Lindner Stiftung dann speziell zum Zwecke der Gründungsberatung?
Huber: Die Hans-Lindner-Stiftung – wir sitzen mit rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Arnstorf im Landkreis Rottal-Inn und Regensburg – verfolgt verschiedene Stiftungszwecke. Da unser Stiftungsgeber, der Bauunternehmer Hans Lindner, vor knapp 60 Jahren selbst als Entrepreneur der Lindner-Group gestartet ist, gehören die Gründerberatung und auch das Thema Betriebsnachfolge aber definitiv zu unseren Kernthemen. Wir begleiten hierbei Menschen aller Alters- und Berufsgruppen, die über eine Selbstständigkeit im Voll- oder Nebenerwerb – ggf. auch im Wege einer Unternehmensnachfolge – nachdenken. Dies können beispielsweise medizinische Fachkräfte sein, die ihre eigene Praxis eröffnen möchten, Handwerker auf dem Weg zum eigenen Betrieb, Gastronomen oder Einzelhändler, aber auch Anwält:innen, Ingenieurinnen und Ingenieure oder Marketingprofis. Darüber hinaus verfügen wir über eine eigene Jugendförderung, eine humanitäre Hilfsstelle, drei Mitarbeiterinnen im Bereich unternehmerische Weiterbildung sowie eine Regionalförderung mit Fokus bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt.

Wie geht es nach der Erstberatung für potenzielle Gründerinnen und Gründer weiter? Welche zusätzlichen Angebote stehen ihnen offen?
Huber: Oftmals ergeben sich aus dem ersten Beratungsgespräch eine Vielzahl an (Recherche-)Aufgaben als Grundlage für eine weiter-gehende Beratung. Ziel ist neben dem Expertentum in der (eventuell neuen) Branche letztlich ein tragfähiger Businessplan, den man bei Finanzierungsfragen der Bank oder weiteren Stellen wie der Agentur für Arbeit vorlegen kann. In erster Linie dient dieser der Gründerin/dem Gründer aber als Drehbuch oder Referenzwerk für den Weg in die eigene Selbstständigkeit. Ist die Gründung im Vollerwerb vollzogen, gibt es auch die Möglichkeit, weiterhin unsere Beratung in Anspruch zu nehmen. Diese Anschlussberatungen und Leistungen sind dann aber meist kostenpflichtig. Speziell für Gründerinnen und Gründer haben wir mit unserer „UnternehmerSchule“ ein kostenfreies Angebot, bestehend auch sechs, auch einzeln buchbaren Abendterminen, an welchen von unseren ehrenamtlichen Referenten und Referentinnen ein umfassender Überblick über das Thema Existenzgründung und Unternehmertum vermittelt wird. Die Reihe tourt im Zweijahresrhythmus durch die niederbayerischen und oberpfälzischen Landkreise. Noch bis Ende Juni 2023 findet sie als Kooperationsprojekt zwischen den Landkreisen Deggendorf und Regen in Deggendorf statt. Die Referentinnen und Referenten stammen aus beiden Landkreisen.

Was sollten Gründer aus Ihrer Sicht unbedingt mitbringen?
Huber: Bei einer Gründung im Nebenerwerb darf man durchaus experimentieren und das auch ausleben. Wenn verrückte, ausgefallene Ideen dann durch die Decke gehen, kann man mit der gesammelten Erfahrung immer noch den Schritt in den Haupterwerb wagen. Geht man aber aus einem geregelten Angestelltenverhältnis in die Vollerwerbsgründung (am Ende gar, weil das Verhältnis zum Chef kein Gutes war oder man unbedingt die Branche wechseln will) müssen wirklich alle notwendigen Hausaufgaben gemacht sein und die Gründerin/der Gründer ganz, ganz tief im Thema stecken. Ansonsten würde ich pauschal sagen: Eine gute Portion Mut, Selbstvertrauen sowie Freude an neuen Herausforderungen und Menschen!


In enger Zusammenarbeit mit der Kreisentwicklung des Landkreises Regen bietet die Hans-Lindner-Stiftung am 17. Mai, am 13. Juli, am 14. September und am 16. November eine kostenlose Sprechstunde für potenzielle (Jung)unternehmerinnen und Jungunternehmer an. Diese Beratertage im Arberlandhaus Regen lassen sich individuell buchen. Anmeldung via wirtschaftsfoerderung@kew.landkreis-regen.de oder unter ✆ 09921/601 853.

− bb