Adlkofen
"Was hier passiert ist, das war eine öffentliche Hinrichtung"

13.03.2020 | Stand 21.09.2023, 2:27 Uhr
Alexander Schmid

Die Facebook-Seite der "Königlich Bayerischen Antifa". −Screenshot: fb

Soziale Medien können Wahlen beeinflussen. Spätestens seit Trump Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika geworden ist, weiß man das. Facebook und Co. wirken sich aber nicht nur auf die große Politik aus, sondern auch auf die kleine. In Adlkofen zum Beispiel im Landkreis Landshut.

Nachdem die "Königlich bayerische Antifa" (KBA) einen ehrenamtlichen Politiker aufs Korn genommen hat, der seit 24 Jahren in dem Gremium sitzt, hat der jetzt kurz vor der Wahl angekündigt, das Mandat nicht annehmen zu wollen, sollte er gewählt werden. "Sie haben es geschafft. Ich habe mich dem Druck gebeugt", bestätigt der 54-Jährige. Und weiter: "Was hier passiert ist, war eine öffentliche Hinrichtung."
Der öffentlich Druck ist Hans S. am Ende zu viel geworden. "Bitte schreiben sie nicht mehr meinen Namen. Es ist doch auch kein Verbrechen passiert", sagt er und erklärt, dass er auch Auswirkungen auf sein Privatleben fürchtet, auf seine berufliche Existenz.

Diese Furcht ist wohl nicht ganz unbegründet. Denn die KBA, die den Adlkofener Politiker auf ihrer Facebook-Seite an den Pranger stellte, hat immerhin fast 20.000 Abonnenten. Zum Vergleich: In Adlkofen, wo der 54-Jährige politisch bis zur Kommunalwahl noch aktiv ist, leben gerade einmal um die 4.321 Einwohner.

Bei politischer Konkurrenz Genugtuung

"Das Ganze ist es nicht wert", erklärt der 54-Jährige seine Entscheidung. Bei der politischen Konkurrenz registriert man das mit freudiger Genugtuung. So kann man auf der öffentlichen Facebook-Seite der Grünen in Adlkofen lesen: "Es freut uns, dass der Gemeinderat (...) Hans S. seine rassistischen und AfD-nahen Posts der letzten Jahre entfernt hat und verspricht, seine problematische politische Haltung zu überdenken. Wir begrüßen, dass er durch den Nichtantritt seines Gemeinderatsmandats im Falle einer Wiederwahl Konsequenzen aus seinem Verhalten zieht."

Eine ähnliche Erfolgsmeldung liest man auch auf der KBA-Seite: "Wir freuen uns über den glimpflichen Ausgang der ganzen Sache und sagen nochmal Vergeltsgott an den Gemeinderat für seine späte aber dann doch durchschlagende Einsicht." Glimpflich ausgegangen? Liest sich so, als wäre da ein strammer Nazi aus einem öffentlichen Gremium entfernt worden. Komisch nur: 24 Jahre lang interessierte sich niemand für Hans S. Er galt als honoriger Bürger der Gemeinde, der sich ehrenamtlich mit ganzer Kraft für seinen Heimatort engagiert. Auf Facebook wurde er zum rechten Bösewicht.

"Die mich kennen, die wissen, dass ich das nicht bin", sagt er. Nur dumm, dass der überwiegende Teil der KBA-Abonnenten ihn wohl nicht wirklich gut kennen. Die beurteilen ihn nach seinem Verhalten auf Facebook. Und da entsprach er dem klassischen Feindbild der KBA, deren Hintermänner und -frauen sich selbst als patriotische Bayern bezeichnen.

"...dann teilst Du‘s halt, auch wenn AfD drauf steht"

Tatsächlich postete und likte Hans S. Beiträge, die Menschen mit einer konservativen Einstellung zwar wohl nicht verkehrt finden, die aber eben aus dem ganz rechten Lager kommen. "Man denkt sich, dass die eigentlich nicht Unrecht haben und dann teilst Du‘s halt, auch wenn AfD drauf steht", sagt er. Ein öffentlichkeitswirksamer Fehler, weiß auch jetzt der Adlkofener Gemeinderat.

Jahrelang, so lange ist Hans S. schon auf Facebook, hat sich in Adlkofen auch nie jemand daran gestört, auch nicht bei den Grünen. Er habe ja auch keine strafbaren Inhalte geteilt, sagt S.. Und die AfD ist tatsächlich auch keine verbotene Partei.

Dass ausgerechnet jetzt, so kurz vor der Wahl, ein Fass aufgemacht wird, die KBA postete am 9. Februar ihren Beitrag über Hans S., das ist in seinen Augen kein Zufall. "Das ist so gesteuert worden", ist er sich sicher. Um Schaden von der Wählerliste "Demokratie leben" abzuwenden, erklärte der Adlkofener jetzt bei einer Wahlveranstaltung trotzdem seinen Rücktritt. Gleichzeitig zeigte er sich dort reumütig, was seine Posts und Kommentare in der Vergangenheit angeht.

Was bei der ganzen Aufregung keine Rolle spielt: Die ehrenamtliche Arbeit für Adlkofen, die Hans S. jahrzehntelang geleistet hat. "Er hat einen ganz ausgezeichneten Job gemacht", sagt Rosa-Maria Maurer, die die Liste Demokratie leben anführt. Und weiter: "Das, was jetzt passiert, hat er nicht verdient." Auch ihr ist natürlich klar, dass der Zirkus mit der bevorstehenden Wahl zu tun hat. "Man will uns jetzt in die rechte Ecke drücken." Und Hans S.? Der sagt: "Je mehr man sich mit Politik beschäftigt, umso frustrierender ist es." Das gilt wohl auch für Facebook. Beidem hat er jetzt abgeschworen.