Landshut
Bebauung der Ochsenau: Jetzt wird die Europäische Kommission eingeschaltet

12.08.2021 | Stand 21.09.2023, 5:09 Uhr

Nur noch ein schmaler Streifen würde laut LBV von der bislang 50 Hektar großen Ochsenau übrig bleiben, wenn das geplante Neubaugebiet realisiert würde. −Foto: Klaus Leidorf

In der Ochsenau in Landshut haben zahlreiche seltene Arten auf dem dortigen fünfzig Hektar großen Kalkmagerrasen ihr letztes Refugium gefunden. Baupläne gefährden laut LBV und NVL den Lebensraum vieler seltener Arten auf dem Kalkmagerrasen.



Die Pläne der Stadt Landshut und des Freistaates Bayern zur Bebauung der Hälfte dieser Fläche gefährdeten diese Artenvielfalt, erklärte der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in einer Pressemitteilung. Aus Sicht der Naturschützer hätte das Gebiet als Teil des europäischen Schutzgebiets-Netzwerkes (Natura 2000) schon längst gemeldet werden müssen. Deswegen wenden sich der LBV und der Naturwissenschaftliche Verein Landshut (NVL) jetzt an die Europäische Kommission.

"Es geht dabei auch um die Einhaltung nationaler und bayerischer Naturschutz-Gesetze und die Glaubwürdigkeit der Politik: Trotz aller Bekenntnisse zum Erhalt der Natur geht deren aktive Zerstörung auch im Freistaat unvermindert weiter", sagt Andreas von Lindeiner, LBV-Landesfachbeauftragter für Naturschutz. An Standorten, an denen die Isar Schotter und Sand ablagerte und auf denen vergleichsweise trockene Bedingungen herrschten, entstanden mit den Kalkmagerrasen wertvolle Lebensräume für Arten wie Steppengrashüpfer, Deutscher Sandlaufkäfer und Kleine Wolfsfliege, heißt es in der Mitteilung. Heute seien diese Lebensräume und ihre Bewohner so gut wie verschwunden.

Arten, die es teils in ganz Deutschland nicht mehr gibt

"In der Ochsenau leben Arten, die es in ganz Bayern und zum Teil in ganz Deutschland nicht mehr gibt. Dieses Refugium muss dringend unter Schutz gestellt werden, so dass der Reichtum an außergewöhnlicher Natur auch für kommenden Generationen erhalten bleibt", sagt Stefan Müller-Kroehling, Landshuter Stadtrat und Zweiter Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins Landshut.

Ein Schutzgebietsstatus für den wertvollsten Teil der Fläche fehle aber laut Pressemitteilung des LBV bis heute. Nun droht die Bebauung. Entsprechende Grundstücksgeschäfte würden derzeit getätigt. "An Beispielen wie der Ochsenau wird sich zeigen, wie ernst es unsere Gesellschaft mit dem Naturschutz nimmt. Diese wertvollen Zentren der Artenvielfalt sind in der heutigen Zeit absolut tabu für solche zerstörerische Pläne", betont Christian Stierstorfer von der LBV-Bezirksgeschäftsstelle Niederbayern.

Die überplante Fläche befinde sich zudem teilweise im offiziell ausgewiesenen Hochwassergebiet. Das bayerische Naturschutzgesetz verpflichtet die Staatsregierung, dafür Sorge zu tragen, dass ökologisch wertvolle Grundstücke in öffentlicher Hand vorrangig den Zielen des Naturschutzes dienen, heißt es in der LBV-Mitteilung. Nach dem Erfolg des Volksbegehrens "Artenvielfalt – Rettet die Bienen!" habe der Freistaat sich den Gesetzesauftrag gegeben, einen Biotopverbund in Bayern zu schaffen. "Ziel ist es, ein Netz räumlich oder funktional verbundener Biotope zu schaffen, das bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche umfasst. Die Ochsenau ist in ihrer Gesamtheit ein unverzichtbarer Baustein dieses Netzwerkes", ist Christian Stierstorfer überzeugt.

"Verstoß gegen geltendes EU-Recht"

Im Zuge der Ausweisung des FFH-Gebiets (Fauna-Flora-Habitat) vor knapp 20 Jahren sei die Ochsenau nur sehr unvollständig gemeldet worden, erfülle aber auf ganzer Fläche alle Kriterien für ein solches Gebiets, sagt Christian Brummer, LBV-Kreisgruppenvorsitzender in Landshut. Das Versäumnis, diese laut LBV "extrem wertvolle Fläche" zu melden, obwohl insgesamt nur weniger als 100 Hektar im ganzen Unteren Isartal gemeldet wurden, verstößt nach Auffassung von LBV und NVL gegen geltendes EU-Recht. Die beiden Vereinigungen wenden sich deshalb an die EU-Kommission.

"Das Europäische Naturschutzrecht muss konsequent umgesetzt werden und darf nicht Gegenstand willkürlicher und interessengetriebener Festlegungen vor Ort sein", sagt Andreas von Lindeiner. Der LBV habe bereits die EU-Kommission im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland über diesen Fall informiert und bereite derzeit weitere Unterlagen für die EU-Kommission vor. Der LBV unterstützt damit auch die bereits vom NVL eingereichte EU-Beschwerde, die derzeit von der EU-Kommission bearbeitet wird.

Ein geplantes Neubaugebiet und das sogenannte "Grüne Zentrum" würde die Ochsenau auf einen schmalen Streifen zwischen Bebauung und Hangleite verengen. Dadurch würde sich der gesamte Charakter des "kleine Puszta" genannten Gebietes verändern und seine Eignung für viele der hier vorkommenden Arten verlieren, erklärt der LBV in seiner Mitteilung. "Es geht schlicht darum, dass sich der Freistaat Bayern an seine eigenen Gesetze hält", sagt von Lindeiner. "Es wäre grotesk, wenn ein Hotspot der Artenvielfalt durch ein ‚Grünes Zentrum‘ zerstört werden würde."

− lw