Von wegen aufgeklärte Gesellschaft, von wegen offen für diverse Lebensformen. Im Fußball, in den Kabinen, auf und neben dem Platz herrschen oft noch uralte Haltungen. „Es ist gang und gäbe, im Fußball zu sagen: Was war das denn für ein schwuler Pass?!“, sagt Jonas Köck.
Der Filmemacher aus Mauth im Landkreis Freyung-Grafenau war federführender Kameramann der aufsehenerregenden Dokumentation „Das letze Tabu“ über (die versteckte) Homosexualität im Profifußball, die ab Dienstag, 13. Februar, auf Amazon Prime zu sehen ist.
Von weltweit 500.000 Profifußballern haben weniger als zehn öffentlich gemacht, dass sie homosexuell sind, erklärt der von Broadview produzierte Film von Regisseur Manfred Oldenburg, der auch die Doku „Kroos“ gedreht hatte. Zu Wort kommen darin u.a. Thomas Hitzlsperger, Peter Tatchell, Collin Martin, Matt Morton, Per Mertesacker, Babak Rafati, Rolf Töpperwien, Marcus Urban, Dario Minden und Amal Fashanu, Nichte jenes tragisch berühmt gewordenen Justin Fashanu. Er war 1990 der erste Mann, der sich im Profifußball als schwul geoutet hatte – er wurde angefeindet und nahm sich 1998 das Leben.
„Jeder schwule Fußballer kennt die Geschichte“, sagt Kameramann Jonas Köck, „und auch wenn die Gesellschaft definitiv weiter ist als in den 90er Jahren – viele haben Angst davor, dass es einem selber so ähnlich gehen könnte.“
Macho-Identität in Fußball-Kabinen
Warum ist Homosexualität im Profifußball bei Männern immer noch ein Tabu? „Weil Fußball als Kampfsport wahrgenommen wird, bei dem man Härte zeigen muss“, glaubt Köck, der selbst begeisterter und begabter Fußballer war. „In der Kabine herrscht oft eine Macho-Identität – eine andere männliche sexuelle Identität kommt da nicht vor.“
Umso wertvoller, dass im Film „Das letzte Tabu“ nicht nur über homosexuelle Fußballer gesprochen wird, sondern dass diese selber zu Wort kommen und einem breiten Fernsehpublikum deutlich machen können, wie es ihnen geht in einem Umfeld, das sie mehr oder weniger zwingt, ihre Identität geheim zu halten. Die Doku öffnet eine neue Perspektive innerhalb der Fußball-Welt und erzählt zugleich vom Zustand einer Gesellschaft, die auf ihre alten Vorurteile beharrt.
Auch wenn tiefe Werthaltungen und Ressentiments am Werke sind, auch wenn der Spieler öffentlichen Druck und negative Kommentare fürchtet, so ist der handfeste Grund für das Tabu vielleicht auch ein sehr banaler: „Spieler fragen sich auch: Wie schlägt sich ein Outing auf meinen Marktwert nieder? Auch die Berater spielen da eine Rolle; niemand will das Geschäft kaputt machen.“ Der Fußballer ist in diesem Denken ein Produkt, eine Information über Homosexualität könnte den Preis drücken.
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Von Anfang 2023 bis in den Herbst hinein war der 36-Jährige Kameramann Jonas Köck mit den Dreharbeiten beschäftigt, zu Hause in Deutschland, in Tschechien, England, Spanien und in den USA. Dass Fußball das Thema war, ist für den früheren Spieler ein „besonderes Schmankerl“. Es wäre ihm eine Freude,„wenn der Film einen kleinen Anstoß in eine positive Richtung geben kann.“
Ab Dienstag, 13. Februar, auf Amazon Prime, Trailer im digitalen Feuilleton auf pnp.de/kultur
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