Serie „Vergangene Fußballzeiten“
Verlagerte Kernkompetenz: SV Finsterau setzt nach dem Rückzug der Fußballer auf Tischtennis und Wintersport

11.12.2023 | Stand 11.12.2023, 5:00 Uhr
Norbert Kellermann

Letzter großer Erfolg der Fußballer: Die Meistermannschaft des SV Finsterau in der Saison 2009/2010. − Foto: Verein

Der Fußball lässt die regionalen Vereine auch im Winter nicht los – mit Hallenfußball überbrücken sie die kalte Jahreszeit. Anders herum gibt es auch solche Klubs, die den Fußball loslassen müssen, aus welchen Gründen auch immer. Mit ihnen beschäftigt sich die Heimatzeitung in einer kurzen Serie. Heute: SV Finsterau.

Wir schreiben das Jahr 2010: Die Fußballer des SV Finsterau feiern die Meisterschaft in der A-Klasse Freyung und steigen ungeschlagen in die Kreisklasse Mittlerer Wald auf; selbst die größten Pessimisten konnten in der damaligen Aufstiegseuphorie nicht erahnen, dass nur drei Jahre später das Kapitel Fußball beim SV Finsterau ad acta gelegt wird und endgültig der Vergangenheit angehört. Vor zehn Jahren hat die Vorstandschaft des kleinen Sportvereins an der tschechischen Grenze nämlich den Beschluss gefasst, sämtliche Fußballmannschaften aus dem aktiven Spielbetrieb beim Bayrischen Fußballverband (BFV) abzumelden.

Wie bewerten die Vereinsverantwortlichen rückblickend diese Entscheidung, die durchaus Potenzial hat, den Anfang vom Ende eines Vereins einzuläuten? 1. Vorstand Christian Eder, der beim SV Finsterau seit dem Jahr 2006 dieses Amt bekleidet, zeichnet mit großer Nüchternheit den Entscheidungsprozess nach. „Wir hatten bereits in den beiden Spielzeiten nach dem Aufstieg mit personellen Problemen zu kämpfen, um eine konkurrenzfähige Mannschaft zu stellen. Dieser Entwicklung versuchten wir gegenzusteuern, indem wir im Jahr 2012 mit dem TSV Kreuzberg eine Spielgemeinschaft gründeten. Auch hier stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass immer öfter und immer mehr AH-Spieler in der ersten Mannschaft aushelfen mussten, auf Dauer ein untragbarer Zustand. Diese negative Entwicklung hat schließlich den Ausschlag dafür gegeben, den Spielbetrieb unwiderruflich gänzlich einzustellen.“

„Personelle Voraussetzungen“ fehlen



Möglichen Hoffnungen, perspektivisch die fußballerischen Aktivitäten wieder aufnehmen zu können, erteilt der Vereinsboss eine klare Absage. „Hierfür fehlen schlicht und einfach die personellen Voraussetzungen. Die wenigen fußballbegeisterten Nachwuchskicker jagen in der JFG Lusen dem runden Leder nach und können im Seniorenbereich zu den ersten Mannschaften der dort angeschlossenen Vereine wechseln. Immerhin schafft gelegentlich das ein oder andere Talent aus dem Gemeindebereich den Sprung in die Bezirksligamannschaft des TSV Mauth“, so die aktuelle Bestandsaufnahme von Eder. Allen negativen Strömungen in Sachen Fußball zum Trotz legt Eder – in den 80er Jahren selbst langjähriger Bezirksligakicker in Freyung und Mauth – Wert darauf, dass die erst im Jahr 2004 neu eingeweihte Sportanlage mit Rasenspielfeld und Vereinsheim top gepflegt und ganzjährig genutzt wird. „In den Sommermonaten hält z.B. der SSV Jahn Regensburg mit seinen Juniorenmannschaften bis zur U17 regelmäßig Trainingslager ab, ebenso wie der BFV Lehrgänge mit Nachwuchs- und Damenmannschaften. Darüber hinaus nutzen auch Vereine aus dem näheren Umkreis die Anlage für Kurz-Trainingslager. Und im Winter dienen die Sportstätten mit einem kleinen Biathlonstand als Start- und Zielbereich für die diversen Winterportevents.“

Aus der Not eine Tugend gemacht



Letztendlich hat der SV Finsterau aus der Not eine Tugend gemacht und konzentriert seine Kernkompetenzen nunmehr auf Sportarten, die den besonderen klimatischen Bedingungen auf 1000 m Meereshöhe Rechnung tragen, den Hallen- und den Wintersport. Im Tischtennis konnte die 1. Herrenmannschaft mit der 3. Meisterschaft in Folge und dem damit verbundenen Aufstieg in die Landesliga im Jahr 2022/23 den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feiern. Nach dem umgehenden Abstieg mischen die Schlagkünstler um Dezelak und Hruby heuer wieder im Spitzenfeld der Bezirksoberliga mit. Daneben befinden sich auch zwei Nachwuchsmannschaften im Spielbetrieb.

Das Herzstück des Vereins und der größte Stolz der Vereinsverantwortlichen ist die Abteilung Ski nordisch des SV Finsterau. Christian Eder gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er von den vielen hochkarätigen Veranstaltungen berichtet, mit denen sich der SV national wie international einen hervorragenden Ruf in der nordischen Szene erarbeitet hat. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für solche Großveranstaltungen haben laut Eder nur noch die beiden Wintersportorte Ruhpolding und Oberhof die Nase vor Finsterau. Zu den besonderen vom SV Finsterau perfekt organisierten Highlights zählen u.a. bayerische Meisterschaften im nordischen Nachwuchsbereich, Internationale Deutsche Behindertenmeisterschaften im Ski-Langlauf und Biathlon sowie natürlich die IPC-Weltmeisterschaften und IPC-Weltcups im Biathlon und Ski-Langlauf, letztmals im Jahr 2020.

Dorfleben ist intakt – auch ohne Fußball



„Wir könnten noch weit mehr Veranstaltungen ausrichten,“ unterstreicht Eder die Tatsache, dass der SVF ein gefragter Ansprechpartner ist, „aber wir möchten das herausragende Engagement unserer ehrenamtlichen Helfer nicht überstrapazieren. Immerhin erfordert die Durchführung eines solchen Events einen enormen organisatorischen und logistischen Aufwand. Dabei sind bis zu 400 Ehrenamtliche aus nah und fern im Einsatz, um zum Gelingen einer solchen Wintersportveranstaltung beizutragen.“

Nichtsdestotrotz wollen Eder & Co. ihrem guten Ruf in der Branche gerecht werden und sich spätestens in zwei bis drei Jahren wieder für die Ausrichtung eines Weltcups bewerben. Der SV Finsterau unterstreicht damit eindrucksvoll, dass mit einem tragfähigen Konzept, mit viel Herzblut und einer hohen Identifikation der Dorfgemeinschaft ein intaktes Vereinsleben auch ohne den Massensport Fußball möglich ist.