Freyung-Grafenau
Wertvolles Tannen-Totholz

Forstbetrieb Neureichenau liefert Stämme für Forschungszwecke an Nationalpark Sumava

30.03.2021 | Stand 22.09.2023, 0:55 Uhr

Zusammen mit Revierleiterin Margit Messerklinger und Ausbilder Christian Gibis (Mitte) arbeiten Luca Friedberger (v.l.), Tobias Billinger, Jannik Ledermüller, Matthias Kropf und Samuel Wittmann an der Totholzernte. −Foto: Königseder

Totholz – das heißt grob beschrieben, abgestorbene Bäume oder Baumteile. Für die meisten Waldbesitzer und Waldbesucher ist Totholz nicht unbedingt eine Augenweide, für viele ist es nutzlos. Für den Forstbetrieb Neureichenau der Bayerischen Staatsforsten und die Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava ist Totholz aber eine herausragende ökologische Ressource in den heimischen Wäldern, erklärt stellvertretender Forstbetriebsleiter Daniel Kraus.

Seltenen Arten von Insekten Pilzen, Flechten und Moosen diene das Holz als idealer Lebensraum oder Nahrungsquelle. Und gerade diese Artenvielfalt sei für den Wald der Zukunft besonders wichtig, garantiere sie letztlich auch dessen Widerstandsfähigkeit gegen Umweltkalamitäten wie Borkenkäfer, Trockenheit und Stürme.

Wissen über Totholz soll verbessert werden

Trotzdem wünschen sich viele immer noch einen aufgeräumten Wald, das sagt auch Kraus: "Viele klagen beim Waldspaziergang, dass es so unaufgeräumt ist – früher hätte man hier noch mit dem Auto durchfahren können". Je unaufgeräumter, desto besser ist es aber für die kleinen und großen Waldbewohner – für nicht wenige Arten könne das Entfernen von Totholz lebensbedrohlich sein. Die Staatsforsten haben schon seit längerem auf diese Tatsache reagiert. So gibt es hier die Vorgabe an die Revierleiter, an die 10 sogenannte Biotopbäume pro Hektar Wald stehen zu lassen.

Weil Totholz und Biotopbäume künftig wohl immer mehr das Bild in den Wäldern mitbestimmen werden, haben es sich die Förster der Staatsforsten zur Aufgabe gemacht, das Wissen im Umgang mit Totholz zu erweitern und das auch an die Forstwirte-Azubis weiterzugeben.

Einige von ihnen werden deshalb in den nächsten Tagen und Wochen im Hüttenwald – zwischen Bierhütte und Freyung – gezielt Totholz ernten. Noch nicht ganz alleine, sondern unter der Anleitung ihres Ausbilders Christian Gibis und der zuständigen Revierleiterin Margit Messerklinger. Dabei werde laut Gibis vor allem auf die Sicherheit geachtet. "Man muss bei dieser Art von Holz sehr vorsichtig sein und genau auswählen, welchen Baum man fällen kann und welchen man lieber stehen lassen sollte", ergänzt die Revierleiterin.

Die "Tannen-Ernte" wird dabei aber nicht nur an die lokalen Sägewerke verkauft, sondern im Rahmen eines Interreg-Projektes an ein grenzübergreifendes Forschungsprojekt der beiden Nationalparks (wir berichteten) geliefert. Die Ergebnisse aus diesem Projekt sollen später einmal als Grundlage für Totholzkonzepte zum Erhalt der Artenvielfalt dienen. Unter dem Namen "Flechten, Moose, Pilze und Insekten" ist das Projekt gestartet, bei dem auf Waldflächen am Rand der Parks an bestimmten Punkten künstlich Totholz-Lebensräume geschaffen werden.

Wann man hier mit Ergebnissen rechnen kann, das könne man laut Forstbetriebsleiterin Gudula Lermer nicht sagen: "Bis ein Baum komplett zersetzt ist, wird von uns vermutlich keiner mehr leben. Das kann Jahrzehnte dauern. Wir erhoffen uns aber Erkenntnisse über eine nachhaltige Verwendung von Totholz auch in sogenannten Wirtschaftswäldern."

Nationalpark Šumava bekommt 200 Festmeter

Das Holz aus dem Hüttenwald wird in den Šumava-Park geliefert. Hier werden circa 200 Festmeter Totholz den Besitzer wechseln. Zum Vergleich: Jährlich werden im Gebiet des Forstbetriebs Neureichenau rund 150 000 Festmeter Holz geerntet. Der Nationalpark Bayerischer Wald bezieht sein Tannen-Totholz aus dem Forstbetrieb Bodenmais.

Übrigens: Die Sägewerke brauchen sich keine Sorgen machen, dass sie durch die Aktion zu kurz kommen könnten. Weil die Forscher nicht an den intakten und somit für die Sägewerke interessanten Stammabschnitten interessiert sind, gibt es hier auch keine Konflikte.