Freyung-Grafenau
"In naher Zukunft müssen Grenzen überschritten werden"

FRG-Pandemiebeauftragter Dr. Thomas Motzek-Noé skizziert zunehmende Belastungen im Krankenhaus – 70 Prozent ältere Intensivpatienten geimpft

23.11.2021 | Stand 21.09.2023, 22:47 Uhr

Die Situation in der Intensivstation (hier im Krankenhaus Freyung) wird immer belastender und unberechenbarer – auch für das dortige Personal. −Fotos: Karl

Vor einer Woche war die Dramatik bereits eine große, die die verantwortlichen Corona-Involvierten im Landkreis eine Pressekonferenz im Landratsamt einberufen ließ. Schon vor sieben Tagen, als die FRG-Inzidenz knapp über 1000 lag, hatte Pandemiearzt Dr. Thomas Motzek-Noé die Situation mit Blick auf die Auslastung der Intensivbetten in Landkreiskliniken, Personalengpässen und Verlegungen von Patienten mit drastischen Worten geschildert. "Unser Personal ist erschöpft, aber wir werden alles tun, um die Versorgung aufrechtzuerhalten." Am Dienstag lag die FRG-Inzidenz gut 60 Prozent höher, der

Inzidenz 60 Prozent höher als vor einer Woche

Landkreis belegte Platz 1 im bundesweiten Inzidenz-Ranking (siehe auch Zahlen unten). Die PNP hat bei dem Chefarzt den Stand in den FRG-Kliniken, Entwicklungen und mögliche Gegenmaßnahmen erfragt. "Wir müssen davon ausgehen, dass in naher Zukunft die Grenzen überschritten werden", deutete Motzek-Noé an.

Laut Intensivregister Divi (Stand Vortag 12.15 Uhr) liegen zwölf an Covid-19 erkrankte Patienten auf Intensiv in FRG-Kliniken. Kann man sagen, wie sich diese einzeln alterstechnisch zusammensetzen. Wie viele von ihnen sind geimpft bzw. ungeimpft?
Aktuell sind nur noch zehn Patienten auf Intensiv, da leider zwei verstorben sind. Wir beobachten zur Zeit in unseren Häusern einen Trend zu geimpften alten Patienten – sieben von zehn, die nicht geboostert sind. So sind alle geimpften Patienten über 68, die Hälfte davon über 80 Jahre – mit einer Ausnahme, dessen Intensivaufenthalt sich aber nicht in der Covid-Erkrankung begründet.

Müssen Patienten, die als Notfälle oder Covid-19-Fälle eigentlich schnellstmöglich in Intensivstationen behandelt werden müssten, verlegt werden? Wohin werden diese Patienten derzeit und voraussichtlich auch in den kommenden Tagen verlegt?

Es werden bei uns aktuell Covid-19-Patienten stabil intubiert und beatmet bayernweit verlegt, um eine Notfallversorgung zu gewährleisten. Diese Verlegungen konnten zum Glück geplant und ohne Probleme durchgeführt werden. Somit soll sichergestellt werden, dass wir Notfallpatienten auf jeden Fall adäquat erstversorgen können. Nicht-Covid-Patienten wurden in den letzten zwei Wochen nur verlegt, wenn eine spezielle Behandlung in unserem Haus nicht möglich war. Hier besteht kein Unterschied zu Nicht-Katastrophenzeiten.

Kann man vielleicht andeuten, wie sich die Intensivbetten-Situation derzeit und wohl in naher Zukunft gestaltet und ob es mögliche Maßnahmen für noch kritischer werdende Situationen gibt?
Die aktuelle noch kompensierte Situation kann innerhalb einer Stunde kippen, entweder durch ein Eintreffen von zu vielen Notfallpatienten, die intensivpflichtig sind, oder durch eine Verschlechterung der bereits stationären Covid-Patienten. Dann werden Entscheidungen an den vorhandenen

Covid-19-Patienten werden bayernweit verlegt



Möglichkeiten der Versorgung getroffen werden müssen. Solange es möglich ist, werden wir versuchen, jeden Patienten adäquat zu versorgen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass in naher Zukunft die Grenzen überschritten werden und die sonst übliche Hilfe der benachbarten Kliniken auch nicht möglich sein wird.

Wie steht es um die Belastung des Pflegepersonals – gibt es dort bereits Engpässe und mögliche angedachte Maßnahmen, um Verstärkung zu erhalten?
Die Belastung des ärztlichen und pflegerischen Personals ist eigentlich schon über der Grenze des Möglichen. Stationen wurden bereits seit zwei Wochen zusammengelegt, um Personal für die belasteten Bereiche freizustellen.