Freyung-Grafenau/Neuschönau
Eindrücke eines FRG-Helfers aus dem Kriegsgebiet

Stephan Götz berichtet beim Rotary-Meeting über Hilfsgütertransport in die Ukraine

06.11.2022 | Stand 19.09.2023, 4:35 Uhr
Jutta Poth

Kurz vor der Abfahrt des nächsten Transports am 2. November präsentieren die Helfer die Pakete vor dem Rettungswagen von Winfried Stadler, der erneut ein Fahrzeug zur Verfügung stellte. −Fotos: Götz

Was Stephan Götz beim Hilfsgütertransport erlebte, hat er nun in einem Foto- und Videovortrag beim Meeting des Rotary Clubs Freyung-Grafenau im Clublokal Euler in Neuschönau berichtet. Er sprach von seinen Eindrücken nach seiner Rückkehr aus der Ukraine, die mit unerwarteten Tücken verbunden war. Für ihre Hilfsaktion für die kriegsgebeutelten Menschen in der Ukraine konnte der Rotary Club einen Mann gewinnen, der über die nötigen Kontakte zu den Anlaufstellen in der Ukraine verfügte. Mit ihm ergab sich die Möglichkeit, Hilfsgüter an die richtigen Stellen zu bringen.

Dank Spenden: 500 Feldbetten gekauft

Bereits mit Beginn des Krieges in der Ukraine wollte der Rotary Club FRG nicht nur zusehen, sondern helfen. Der wichtigste Punkt dabei war, dass die Hilfsgüter oder Spenden auch dort ankommen, wo sie benötigt werden. So startete man Anfang des Jahres mit dem damaligen Präsidenten Thomas Hörtreiter-Buchic einen Spendenaufruf. Innerhalb kürzester Zeit fanden sich mehr und mehr Unterstützer. Durch das Engagement und die Kontakte von Rotary-Freund Winfried Stadler kam man auf die Idee, Feldbetten zu kaufen, die dann ins Kriegsgebiet transportiert werden sollten.

Stadler, der selbst einen Rettungsdienst betreibt, beteiligte sich ebenso mit einer hohen Spende von 12500 Euro und der damit verbundenen Betten-Beschaffung. Erfreulich war auch die Spende des Waldkirchner Modehauses Garhammer mit über 6000 Euro. Es konnten 500 Feldbetten im Gesamtwert von 25000 Euro eingekauft werden. Die nächste Herausforderung war, wie man die Betten an die Orte in die Ukraine transportieren kann. Hier wurde man auf Stephan Götz aufmerksam, der die Tochter seiner Kollegin mit den Enkelkindern aus der Ukraine holte. 1993 lernte er die Ukraine während seiner Ausbildung zum Altenpfleger bei einem Schüleraustausch kennen und lieben.

"Seit dem ersten Tag lässt mir der Krieg in der Ukraine nicht mehr los", berichtet Stephan Götz. Als die Angriffe starteten, habe er gerade Urlaub genommen. Er wollte zuhause in Reichermühle (Ortsteil der Gemeinde Jandelsbrunn) das Badezimmer renovieren. Aber er konnte angesichts der Nachrichten und Kriegsbilder nicht so weitermachen, als wäre nichts passiert. "Ich war 1993 zum ersten Mal in der Ukraine und habe dort in einem Krankenhaus gearbeitet. Ich habe viele Freunde dort. Deshalb trifft mich dieser Krieg, als ob es mein eigenes Land wäre. Auch die Vorfahren meines Vaters kommen aus dem Osten. Wenn ich in die Ukraine komme, ist es wie nach Hause zu kommen".

Während seiner zwei vorausgegangenen Reisen konnte er über den befreundeten ukrainischen Arzt Sergej Steuer, der in Berlin praktizierte und zurück in die Ukraine ging, bereits wichtige Kontakte in der Ukraine knüpfen. Durch Robert Dupekt, einem freiwilligen Sanitäts-Soldaten aus Polen, erfuhr Götz, wie wichtig die Versorgung mit Medikamenten ist und auch, wie dringend Krankentransportwägen benötigt werde, um Verletzte im Kriegsgebiet zu versorgen. Daraufhin startete Götz eine Sammelaktion, um in Deutschland ausgemusterte Fahrzeuge zu kaufen und in die Ukraine zu bringen. Mit einem dieser Transporter, ein altes Postfahrzeug, wurden dann im Juli die ersten Feldbetten in Stadlers Rettungswache in Hutthurm verladen und ins Kriegsgebiet gebracht. Stephan Götz kam nach 5000 Kilometer wieder wohlbehalten in Passau mit dem Zug an. Den Transporter beließ er in der Ukraine.

Zwischendurch gab der Wagen den Geist auf

Nachdem die ersten 200 Feldbetten bereits im Einsatz sind, startete im September der nächste Hilfstransport. Winfried Stadler, bei dem alle Fäden zusammengelaufen sind, stellte bei diesem Hilfskonvoi einen Rettungswagen zur Verfügung, den sein Bruder umlackiert und technisch gewartet hat. Zugleich wurde ein Feuerwehrmannschaftswagen beschafft, um die restlichen 300 Feldbetten sowie weiteres Equipment zu transportieren. Mit dabei auch ein Operationstisch und chirurgische Instrumente im Wert von 30000 Euro, die Dr. Siegfried Schmidbauer gespendet hatte. Wie Götz weiter ausführt, kamen von einem anonymen Spender 5000 Euro und von Gabas Darek 1000 Euro.

An der polnischen Grenze traf sich Götz mit Robert Dupekt, um gemeinsam nach Kiew aufzubrechen. Dort wartete ein Bus, der zum Operationssaal umfunktioniert wurde. Mit im Gepäck waren Pakete für ukrainische Kinder, die polnische Kinder für sie gepackt haben. Zwischendurch gab der Feuerwehrmannschaftswagen den Geist auf. Doch geschickte ukrainische Mechaniker konnten ihn wieder zum Laufen bringen.

Neugeborene bekommen Namen einer Abwehrwaffe

Zu den Empfängern in der Ukraine zählten unter anderem ein medizinisches Bataillon der dortigen territorialen Streitkräfte. Ihre Aufgabe ist die medizinische Versorgung der verletzten Soldaten und Zivilisten sowie auch die Evakuierung und andere humanitäre Aufgaben.

Stephan Götz hat mehr als tausend Bilder und Videos gemacht. In seinem Bild- und Videovortrag in Neuschönau ließ er extreme Bilder toter russischer Soldaten aus. Aber es ist tägliche Realität in 1700 Kilometer Entfernung, sagt er. "Eigentlich ist dieser Krieg nicht so, wie ich ihn zeige. Er ist zum größten Teil langweilig. Meistens passiert nicht viel. Aber dann geht es plötzlich los. Es riecht nach Schweiß und Furcht und man hat das Gefühl, dass nichts wirklich organisiert ist". Götz schildert, dass im Park links neben ihnen eine iranische Kamikazedrohne eingeschlagen hatte, kurz nachdem sie weg waren. Am nächsten Tag haben die Kinder in diesem Bombenkrater gespielt.

Die Offensive gehe voran. 700000 Soldaten und zwei Millionen Reservisten kämpfen nach Angaben des Referenten derzeit gegen Russland. Wenn es keine nukleare Eskalation gebe, könne die Ukraine den Krieg gewinnen, so Götz. Aber das Gewinnen sei ein fürchterlich grausames Vorgehen. Ihre hochmoderne Panzerabwehrwaffe "Javeline" sei bei den Ukrainern so beliebt, dass sogar neugeborene Mädchen auf ihren Namen getauft werden. Auch diesmal wurden der Rettungswagen sowie der Feuerwehrmannschaftswagen in der Ukraine als Geschenk belassen. Stephan Götz kam wieder mit der Bahn zurück.

Am vergangenen Mittwoch machte sich Stephan Götz erneut mit einem Hilfsgütertransport auf den Weg nach Kiew. Dieser wurde wiederum von Winfried Stadler organisiert. Der von ihm bereitgestellte Rettungswagen ist mit 700 Stück Winterkleidung im Wert von 3000 Euro beladen, die der Rotary Club Freyung-Grafenau zur Verfügung stellt. Hier kam ihnen Max Fuchs preislich großzügig entgegen.

Diesmal muss Stephan Götz den Rettungswagen wieder zurückbringen, da wegen der zerstörten Infrastruktur der Bahn sonst kein Zurückkommen möglich wäre. Mit viel Glück ist Stephan Götz bereits heil zurückgekommen oder tut das am Montag, 7. November, – nach über 5000 Kilometern.