Mord statt Totschlag?
Bluttat in Freyung: Neuer Mordprozess gegen Dominik R. möglich

13.04.2021 | Stand 21.09.2023, 23:24 Uhr
Christine Pierach

Dominik R. beim ersten Prozess vor Gericht. −Foto: Archiv

Dominik R. hat Ende Oktober 2016 seine Ex-Freundin (20) in deren Wohnung in Freyung mit einem Messer getötet. Jetzt könnte der Prozess gegen ihn neu aufgerollt werden.

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Als die Mutter ihre tote Tochter, die in der Wohnung versteckt worden war, Tage später entdeckte, war der damals 23-jährige R. mit dem gemeinsamen kleinen Sohn bereits in Spanien. Am elften Tag eines Mordprozesses verurteilte das Landgericht Passau Dominik R. Ende 2017 zu zwölf Jahren Gefängnis wegen Totschlags. Nun prüft das Landgericht Deggendorf die Wiederaufnahme eines Mordprozesses. Das beantragte die Passauer Staatsanwaltschaft. Erstes Zwischenergebnis: Der Antrag ist zulässig.

Dominik R. war Mitte November 2016 in Spanien festgenommen und am 1. Dezember nach Deutschland ausgeliefert worden. Im August 2017 hatte der erste Prozess in Passau begonnen und bis November gedauert. Seither sind mindestens zwei Zeugen von damals wegen Falschaussage vor den Passauern Landesrichtern belangt worden. Sie hatten Details zur Tat gewusst, aber verschwiegen. Im Urteil hatte der Vorsitzende Richter aber betont: "Zum Tatgeschehen gibt es nur wenige gesicherte Fakten. Wir kommen nicht drum herum: Nur Lisa H. und der Angeklagte waren dabei, vielleicht das Kind. Die Lisa kann nichts mehr sagen. Und das Kind kann noch nichts sagen."

"Nach einem heftigen Streit"

Im Prozess hatte Dominik R. am neunten Tag seinen Verteidiger vortragen lassen: "Ich habe Lisa H. nach einem heftigen Streit getötet." Wirklich zu klären war damit nicht, ob die junge Frau schon eingeschlafen war, als er zustach. Dann wäre, wie damals vom Staatsanwalt angeklagt, womöglich eine Verurteilung wegen heimtückischen Mordes und, wenn aus Eifersucht auf Lisas neuen Freund, zudem aus niedrigen Beweggründen möglich gewesen.

Im Schlaf erstochen?

Ein Zeuge wollte im Mordprozess lediglich von einer Ohrfeige des R. irgendwann einmal für Lisa gewusst haben. Seiner damaligen Partnerin hatte er aber berichtet, Dominik R. hätte mit weiteren, schlimmen Details und damit geprahlt, die junge Frau im Schlaf erstochen zu haben. Der Sprecher des Landgerichts Deggendorf, Martin Metzler, erklärt: "Im Anschluss wäre die Getötete zum Ausbluten in die Wanne gelegt und schließlich in Müllsäcke verpackt worden. Hätten die wegen Falschaussage Verurteilten diese Details mitgeteilt, wäre die Tötung nicht nur heimtückisch, sondern auch aus niedrigen Beweggründen erfolgt. Dominik R. hätte der Getöteten ohne eine Beziehung zu ihm das Lebensrecht abgesprochen und deutlich gemacht, dass er sie als seinen Besitz betrachtet. Hätten die Verurteilten vor Gericht die Wahrheit gesagt, hätte das Landgericht Passau auch diese Details zu Lasten Dominik R.s verwerten können."

Wiederaufnahme beantragt

Die Staatsanwaltschaft Passau hat daraufhin und mutmaßlich wegen weiterer Fakten und Indizien, die durch die neuen Aussagen ans Licht gekommen sein könnten, Ende 2019 die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen R. beantragt. Ein derartiges Verfahren zu Ungunsten des Verurteilten – aus der bezifferten Freiheitsstrafe kann hier lebenslängliche Haft werden – beginnt ohne Hauptverhandlung mit gerichtlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit des Antrags und dessen Begründetheit. Ist der Antrag zulässig und begründet, ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und eine neue Hauptverhandlung an. Zuständig ist nun das Landgericht Deggendorf. Dessen Sprecher Metzler bestätigte am Dienstag auf PNP-Anfrage: "Der Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft Passau ist zulässig, weil alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind – es gibt ein rechtskräftiges Urteil wegen Totschlags, die Passauer Staatsanwaltschaft will weiterhin eine Verurteilung Dominik R.s wegen Mordes. Und für die Wiederaufnahme ist das Landgericht Deggendorf zuständig."

Auch die Gründe bestätigt Metzler: Zwei Zeugen hätten in Passau zu Gunsten R.s ausgesagt. Einer hätte dabei aber gewusst, was Dominik R. selbst ihm erzählt hätte – dass R. Lisa im Schlaf erstochen habe und andere Details und, dass die Tat geplant war. Das hätte der Zeuge seiner damaligen Partnerin erzählt, die das ebenfalls im Landgericht Passau nicht berichtete. "Nun prüft das Landgericht Deggendorf im Probationsverfahren die Begründetheit des Antrags. Der Verurteilte und seine Verteidiger haben zwei Wochen Zeit, sich dazu zu erklären. Dann wird das Gericht entscheiden, ob es die Erneuerung der Hauptverhandlung anordnet."