Freyung-Grafenau
An der Grenze der Kapazität

Daten-Erfassung der Ukraine-Flüchtlinge stockt – Fehler und Überlastung im Zentralsystem

08.04.2022 | Stand 22.09.2023, 1:43 Uhr

Im Ehret-Gebäude auf dem Uni-Gelände in Passau geben Ehrenamtliche neuerdings auch Lebensmittel an in Passau lebende Ukrainer aus. In der Dreiflüssestadt gibt es ebenso wie im Landkreis FRG massive Probleme bei der Erfassung ihrer Daten. −Foto: Archiv/Passau für die Ukraine

360 Ukrainer sind bis dato im Landkreis FRG angekommen. Die Stadt Passau vermeldete in dieser Woche 457. Und der dortige Helferkreis sprach gegenüber der Heimatzeitung von teils chaotischen Zuständen bei deren Registrierung. Termine seien teilweise erst im Juni zu bekommen. Problematisch für die Flüchtlinge, denn ohne Registrierung können sie ihr Leben bei uns nicht führen. Wie schaut die Situation im Landkreis aus? Wir haben beim Landratsamt nachgefragt.

Wie viele sind bis dato gekommen. Wie viele sind im Landkreis geblieben?
Bisher sind 360 Ukrainer im Landkreis Freyung-Grafenau angekommen, wovon lediglich sechs den Landkreis wieder verlassen haben.

Wie ist die Verständigung? Gibt es genügend Dolmetscher?
Die Verständigung bei den bisherigen Registrierungen stellt kein größeres Problem dar. Entweder ist jemand dabei, der für die Familie übersetzt, oder die Kollegen und Kolleginnen verständigen sich auf Englisch, im Notfall auch mal mit Übersetzungsprogrammen.

Über Pool sind Dolmetscher anforderbar

Die entsprechenden Anträge wurden ja bereits übersetzt und wir sind aktuell auch dabei, noch weitere Unterlagen und häufige Fragen zusammenzustellen, die dann ebenfalls übersetzt vorliegen. Falls notwendig, besteht für das Ausländeramt auch die Möglichkeit, über den im Landratsamt aufgebauten Pool Dolmetscher anzufordern.

Andere Landkreise und kreisfreie Städte berichten von massiven Problemen bei der Erfassung. Sie sei zeitaufwendig, weil Personal und elektronische Erfassungssysteme fehlen. Die Erfassung von Fingerabdrücken und anderer biometrischer Daten bereitet Probleme. Wie schaut es bei uns aus?
Bezüglich der PIK-Registrierung – für die diese speziellen Geräte notwendig sind, von denen Sie sprechen – hat der Landkreis Freyung-Grafenau die gleichen Probleme wie die Nachbarlandkreise und Städte.

Wir nutzen jedoch parallel dazu bereits von Anfang an die Möglichkeit der reduzierten Registrierung über das Ausländerzentralregister (AZR).

Falls zum Zeitpunkt des Termins die PIK-Registrierung gerade nicht funktioniert, werden zumindest alle anderen ausländerrechtlichen Maßnahmen durchgeführt, die für die spätere Erteilung eines Aufenthaltstitels notwendig sind, und eine formlose Fiktionsbescheinigung ausgehändigt, mit der dann auch die Erwerbstätigkeit erlaubt ist.

Jedoch muss trotz der reduzierten Registrierung so schnell wie möglich eine vollständige und ordnungsgemäße PIK-Registrierung mit der Abnahme von Fingerabdrücken nachgeholt werden, was sehr zeitaufwendig ist.

Bei dieser PIK-Registrierung kommt es immer wieder zu Überlastungen und Fehlermeldungen des Systems, da bundesweit alle Ausländerbehörden und sämtliche andere Registrierungsstellen wie die ANKER-Einrichtungen auf den gleichen Server zugreifen müssen.

Die Ausländerbehörde bzw. auch unsere EDV haben leider keine Möglichkeit diese Fehler eigenständig zu beheben bzw. die Überlastung des Systems irgendwie zu verhindern.

Wie hilft man sich vor Ort?
Die Ausländerbehörde Freyung versucht im Rahmen dessen, was möglich ist, die Anträge möglichst schnell abzuarbeiten und hat den Vorteil bei der PIK-Registrierung von dem guten Verhältnis zur örtlichen Polizei zu profitieren, welche umgehend von sich aus Unterstützung angeboten hat. Um den Rückstau so schnell wie möglich abzuarbeiten ist angedacht, dass das Ausländeramt täglich von bis zu zwei Kräften der PI Freyung unterstützt wird. Jedoch ist auch die Polizei auf das Vorliegen der technisch notwendigen Voraussetzungen angewiesen und kann nur dann bei der Registrierung helfen, wenn das System funktioniert.

Länger Wartezeiten für Registrierungs-Termin

Wenn die Flüchtlinge überhaupt einen Termin bekommen?
Aufgrund der Vielzahl der ukrainischen Flüchtlinge, die bisher schon im Landkreis angekommen sind und täglich weiter ankommen – sowohl über familiäre Zuzüge und private Aufnahmen als auch staatliche Zuweisungen – kommt es aber auch bei uns derzeit zu längeren Wartezeiten für einen Termin zur persönlichen Registrierung im Ausländeramt. Um hier Ungerechtigkeiten zu vermeiden, werden die Anmeldungen in chronologischer Reihenfolge abgearbeitet. Termine werden eigenständig von der Ausländerbehörde vergeben. Eine diesbezügliche schriftliche oder telefonische Nachfrage ist nicht notwendig.

Ohne Erfassung gibt es keine Arbeitserlaubnis und kein Geld oder eine Beschulung. Oder?
Durch das Verfahren der reduzierten Registrierung über das Ausländerzentralregister (AZR), nach der entsprechende Ansprüche geltend gemacht werden können und auch die Erwerbstätigkeit erlaubt ist, wird hier versucht, den Prozess zu beschleunigen.

Für einen Schulbesuch reicht es, wenn die Kinder in der Gemeinde gemeldet und dem Ausländeramt durch die reduzierte AZR-Registrierung bekannt sind.

Die Erfassungen beim Ausländeramt laufen deshalb derzeit schneller als eventuell Anträge nach dem Asylbewerber-Leistungs-Gesetz (AsylbLG) bei uns eingehen. Es sind noch keine Anträge abgelehnt worden. Die Bearbeitung staut sich jedoch auch im Sozialamt derzeit aufgrund der großen Masse an Anträgen, die hier innerhalb sehr kurzer Zeit gestellt wurden.

Die Kollegen versuchen sowohl die schnelle Unterbringung der Flüchtlinge in dauerhaften Unterkünften sowie deren Versorgung – auch finanziell – möglichst schnell sicherzustellen. Dies bedeutet einen großen, auch zeitlichen Arbeitsaufwand aufgrund der großen Masse und der sehr kleinteiligen Struktur; es stehen auf der anderen Seite oft Privatpersonen, die nur eine oder wenige Wohnung/en vermieten und Antragsberechtigte, die sich über den ganzen Landkreis verteilen.

Gemeinden zahlen vorab Vorschüsse aus

Um eventuelle Härten bei längeren Wartezeiten zu verhindern, wird auch mit Gemeinden zusammengearbeitet, die etwa den Flüchtlingen kurzfristig Vorschüsse auszahlen, die später mit den Ansprüchen der Betroffenen verrechnet werden.

Betrifft das auch Vermieter, die Wohnungen an die Flüchtlinge vermietet haben?
Auch die Vermieter erhalten die Unterkunftskosten, sofern die AsylbLG-Anträge vorliegen und Unterkunftskosten anfallen.

Die Fragen stellte Andreas Nigl