Die Bundesanwaltschaft hat nach der großangelegten Anti-Terror-Razzia gegen sogenannte Reichsbürger im Dezember 2022 erstmals Anklage erhoben.
Es geht um 27 Tatverdächtige rund um Heinrich Prinz Reuß, wie die Behörde am Dienstag in Karlsruhe mitteilte. Darunter befindet sich auch Maximilian E., ein ehemaliger Bundeswehr-Oberst aus dem Bayerwald.
Maximilian E. sei hinreichend verdächtig, eine „terroristische Vereinigung“ gegründet und sich anschließend an ihr als Mitglied beteiligt zu haben. Prinz Reuß soll als einer von zwei Rädelsführern agiert haben.
Ein Jahr nach der bundesweiten Razzia gegen ein mutmaßliches Netzwerk aus Reichsbürgern hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen 26 mutmaßliche Mitglieder und eine mutmaßliche Unterstützerin erhoben. Die Karlsruher Behörde wirft ihnen nach Angaben vom Dienstag unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vor. Sie sollen geplant haben, die demokratische Ordnung mit Gewalt zu stürzen.
Heinrich XIII. Prinz Reuß ist der mutmaßliche Kopf der Gruppe
Drei Oberlandesgerichte sollen sich mit den Anklagen befassen: Über die Anklagen gegen die prominentesten Angeschuldigten soll das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entscheiden. Zu den zehn Menschen, gegen die in Frankfurt Anklage erhoben wurde, gehört der Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß, der mutmaßliche Kopf der Gruppe. Er soll nach dem mutmaßlich geplanten Umsturz als provisorisches Staatsoberhaupt vorgesehen gewesen sein.
Außerdem stehen der frühere Bundeswehroffizier Rüdiger von P. sowie die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann auf der Liste. Von P. gilt der Bundesanwaltschaft zufolge ebenso wie Reuß als Rädelsführer. Acht weitere Anklagen gibt es zum Oberlandesgericht München, neun vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
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Das mutmaßliche Netzwerk flog bei der Razzia am 7. Dezember 2022 auf. Seine Mitglieder sollen geplant haben, die staatliche Ordnung in Deutschland erst gewaltsam zu stürzen und dann durch eine eigene Staatsform zu ersetzen, die sie den Vorwürfen zufolge bereits in Grundzügen skizzierten. Der Bundesanwaltschaft zufolge verbindet die mutmaßlichen Reichsbürger eine „tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.
Überzeugt waren sie demnach von verschiedenen Verschwörungsmythen - beispielsweise davon, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep State regiert werde und von einer Allianz befreit werden könne. Dabei handle es sich ihrer Meinung nach um einen technisch überlegenen Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Streitkräften verschiedener Staaten. Mit dieser nicht existierenden Allianz habe die Gruppe zusammenarbeiten wollen, hieß es weiter.
Das Netzwerk soll Hunderte Waffen zusammengetragen haben
Die Mitglieder hätten erwartet, dass der Geheimbund ihnen ein Zeichen geben werde, dass der „Tag X“ gekommen sei, an dem er die obersten Institutionen Deutschlands angreife. Ihre eigene Organisation habe dann Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen beseitigen sollen. Für den Umsturz seien gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die ehemalige Richterin Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen.
Dazu wurde den Ermittlern zufolge bereits mit dem Aufbau von sogenannten Heimatschutzkompanien begonnen. Die Generalbundesanwaltschaft gab an, dass die Beschuldigten zudem bereits große Mengen an Geld und Waffen gesammelt hatten, um ihre Ziele gewaltsam durchzusetzen. Neben Geldmitteln im Umfang von 500.000 Euro seien „insgesamt rund 380 Schusswaffen, beinahe 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffen- sowie mindestens 148.000 Munitionsteilen“ gehortet worden. Hinzu kam demnach weitere militärische Ausrüstung wie Helme und schutzsichere Westen.
Netzwerk habe in Kauf genommen, dass es Tote geben würde
Mitglieder und Interessenten mussten laut der Karlsruher Behörde eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. „Verstöße dagegen sollten als Hochverrat mit der Todesstrafe geahndet werden“, hieß es.
Den Beteiligten sei bewusst gewesen, dass es bei der geplanten Machtübernahme Tote geben würde, erklärte die Bundesanwaltschaft. Sie hätten vorgehabt, bewaffnet in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen und Bundestagsabgeordnete festzunehmen. Dazu seien bereits Liegenschaften des Bundestags ausgekundschaftet worden.
Nach dem gewaltsamen Umsturz wollte der Kern der Gruppe, namentlich Reuß, demnach mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs über eine neue staatliche Ordnung verhandeln. Zentraler Ansprechpartner sei ihrer Auffassung nach aber nur Russland gewesen. Die mutmaßlichen Rädelsführer sollen versucht haben, Repräsentanten Russlands zu treffen. Es sei bislang aber unklar, wie Russland auf das Anliegen reagiert habe.
Ob die Anklagen zugelassen werden und die mutmaßlichen Reichsbürger sich vor Gericht verantworten müssen, entscheiden nun die drei Oberlandesgerichte. Die Gerichte in Frankfurt und München kündigten bereits an, dass es üblicherweise einige Monate dauert, bis entschieden ist, ob das sogenannte Hauptverfahren eröffnet wird.
„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene im vergangenen Jahr rund 23 000 Anhänger zu (2021: 21.000). Bei mehr als fünf Prozent - rund 1250 Menschen - handele es sich um Rechtsextremisten. Als gewaltorientiert gelten demnach etwa 2300 der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“.
− dpa/afp
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