Staunen in Eichendorf
2500 Jahre alt: Seltener Fund eines goldenen Ohrrings

Riesiger Herrenhof am Ortsrand von Eichendorf freigelegt – In drei Wochen rücken die Bagger an

23.10.2021 | Stand 22.09.2023, 1:44 Uhr
Christian Melis

Da war nicht nur der Landrat beeindruckt: Ein goldener Ohrring aus der Zeit um 500 vor Christus ist äußerst selten.

Inmitten eines keltischen Herrenhofs am Ortsrand von Eichendorf (Landkreis Dingolfing-Landau) haben Archäologen einen 2500 Jahre alten Gold-Ohrring gefunden. Es ist erst der dritte Goldfund in Niederbayern aus dieser Zeit.

Es ist ein keltischer Herrenhof von bedeutendem Ausmaß, den die Archäologen am östlichen Ortsrand von Eichendorf freigelegt haben. Dort wo das Gesundheitszentrum der Marktgemeinde entstehen wird, findet zurzeit die größte von fünf Ausgrabungen im Landkreis statt. Kreisarchäologe Florian Eibl stellte am Freitagnachmittag eine beeindruckende Palette an Fundstücken und Erkenntnissen vor, die sowohl bei Landrat Werner Bumeder als auch Bürgermeister Josef Beham Staunen auslöste.

Die bisher im Landkreis gefundenen Herrenhöfe dieser Epoche würden von ihrer Dimension viermal in den freigelegten Fund hineinpassen.

110 mal 110 Meter Ausmaß dürfte der hallstattzeitliche Herrenhof groß gewesen sein, begrenzt von einem breiten Doppelgraben mit einer ursprünglichen Tiefe von mehr als drei Meter. Ein Ausmaß jenseits eines Hektars, so der Kreisarchäologe, der den Vertretern des Landkreises und der Gemeinde anhand von Kartierungen und Anschauungsmaterial die Bedeutung erläuterte. Volumen und Qualität in dieser Form machen den Platz unweit der Vils zu einem Ausnahmefundort.

Ein Graben aus der Zeit um 4500 vor Christus

Dabei stießen die Archäologen der Münchner Firma Neupert, Kozik und Simm mit ihrem Grabungsleiter Simon Dupper und der Anthropologin Chiara Girotto auch noch auf einen Graben aus der Jungsteinzeit (4500 v.Chr.), eingerechnet mit der zwischenzeitlichen Bodenerosion bestimmt 2,10 Meter tief und sieben Meter breit.

Auch ein frühmittelalterliches Reihengräberfeld beschäftigt die Mitarbeiter der Archäologie. In 75 Prozent der 31 Grabstätten waren Kinder, "das ist absolut ungewöhnlich" und lasse sich wohl auch nicht mit einer Epidemie begründen, sagte Eibl mit Bezug auf ähnliche Reihengräber, die früher freigelegt wurden. Bei zwei Frauenbestattungen wurden mehrreihige Perlencolliers freigelegt.

Doch der Kern der Grabungen fixiert sich auf hallstattzeitlichen Funde in der Anlage, darunter ein goldener Ohrring.

Goldener Ohrring in feiner Schmiedearbeit gefertigt

Es ist der zweite Ohrring und der dritte Goldfund in Niederbayern, der aus dieser Zeit stammt. Eichendorf reiht sich hier neben Bruckberg und Riedenburg ein. Eibl zeigte das Fundstück, das feine hallstattzeitliche Schmiedearbeit darstellt. Üblicherweise handelte es sich um Frauenschmuck. Die weiß-rot bemalte Keramik ist ein weiteres Indiz für die gehobene soziale Klientel, die wohl um 500 vor Christus hier gelebt haben dürfte. Doch die keltische Eisenzeit endet für die Archäologen nicht an den Grabungsgrenzen, wie frühere Entdeckungen zeigten.

Schon 2009 bis 2012 wurde die benachbarte Siedlung "Am Baierlhof" immer wieder untersucht, wurde ein Teil der Grabenanlage um den Herrenhof entdeckt. Eibl brachte deshalb aus der Kreisarchäologie Fundstücke von der seinerzeitigen Grabung mit, zeigte zum Beispiel hallstattzeitliche Schlachtmesser mit verzierten Beingriffen, wie sie auch jetzt wieder gefunden wurden. Feinverzierte Keramik wurde auch damals entdeckt, rituelle Trinkgefäße zum Beispiel oder das Schnabelstück einer Kanne. Für ihn sei dieser Fund noch sensationeller, weil viel seltener.

Es dürfte sich um ein Tongefäß, das schon vor 2500 Jahren einer etruskischen Tonkanne nachgebildet worden war. "Das ist der erste Fund in Niederbayern", sagte er, das weise nicht nur auf die soziale Schicht hin, sondern auch auf die weiträumigen Beziehungen, die die Menschen seinerzeit gepflegt hatten. Es handele sich nicht um einheimischen Ton. Würde man die den bisher gefundenen Herrenhöfen im Landkreis einen Status zuweisen, so könnte der Herrscher dem Rang eines Bürgermeisters entsprechen, in Eichendorf aber noch höher als ein Landrat, veranschaulichte es Eibl. Oder gar einer Landrätin, denn auch Frauen hatten zu dieser Zeit führende Rollen.

Anhand eines freigelegten Befundes gab es einen Einblick in die Tiefe: Brandlehmschichten, die verziegelten Lehm beinhalten, Keramik oder Fragmente von Reibsteinen. Rund 100 Euronorm-Kisten an Fundmaterial wurden freigelegt,was die Dimension der ganzen Grabung aufzeigt.

In dem Baugebiet entsteht das Gesundheitszentrum

Das Areal ist Baugebiet für ein Kinderhospiz mit Elternbereichen, Seniorentagesstätte und WG sowie 19 kleinere Wohnungen und umfasst rund 7000 Quadratmeter, wie Bürgermeister Josef Beham auf Nachfrage erläuterte. 4000 weitere Quadratmeter werden später bebaut. Am 1. Juli wurde mit der Grabung pünktlich angefangen, doch dass sie sich bis in den späten Herbst hineinziehen würde, war nicht zu erahnen. Bis zu 16 Personen waren teilweise im Einsatz.

Insofern bedankte sich der Kreisarchäologe mit Respekt für die sachbezogene Zusammenarbeit mit der Gemeinde. Bau- und Grabungsfirma, Markt und Landkreis, alle zogen an einem Strang: "Es läuft super." Das Interesse in der Öffentlichkeit ist groß, auch vier Schulklassen statteten den Archäologen am Freitag einen Besuch ab und hatten viele Fragen im Gepäck.

Den Dank erwiderten sowohl Bürgermeister Beham als auch Landrat Bumeder. Die Bedeutung gehe weit über die Landkreisgrenzen hinaus, war er überzeugt, es seien wichtige Erkenntnisse gesichert worden, die sonst verloren gegangen werden. "Aus der Geschichte lernen, war noch nie ein Fehler." In drei Wochen sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, dann rücken die Bagger an.