Simbach
Alexanders Therapie ist geglückt

Dreijähriger hat bösartigen Nierentumor nach 1,5 Jahren besiegt – Familie Neumeier ist für all die Unterstützung dankbar

14.11.2020 | Stand 20.09.2023, 4:34 Uhr
Monika Bergbauer

"Sooo lange" ist die Kette, wo jeder Stein für eine Behandlung steht, die Ramona, Bernhard und der kleine Alexander halten. −Foto: Bergbauer

Ziemlich genau eineinhalb Jahre "Spießrutenlaufen" erlebte Familie Neumeier und brachte sie erfolgreich hinter sich. Das ist für Alexander etwa die Hälfte seines Lebens. Wie diese Zeit für die Familie war, erzählt die Familie nun.

Alexander dürfte in Simbach wohl der bekannteste Dreijährige sein. Am 24. April 2019 führte der Weg der Neumeiers überraschend ins Kinderkrankenhaus nach Altötting, wo ein Urologe und ein Kinderarzt sofort mit der Untersuchung begannen. Der Anfangsverdacht, dass hinter einem blauen Fleck mehr stecken könnte, bestätigte sich zum Entsetzen der Beteiligten. Es war ein so genanntes Neuroplastom. An der linken Nebenniere entwickelte sich ein Tumor. Bei zwei Drittel aller Kinder ist dieser in den ersten Lebensjahren nachzuweisen, jedoch ist er gewöhnlich nicht bösartig und verschwindet meist von alleine. Nicht so bei Alexander.

Bereits zwei Tage später wurde der Kleine in der Onkologie in München untersucht. Wie oft sie diesen Weg noch fahren würden ahnten sie zu der Zeit nicht.

Die endgültige Diagnose folgte am 7. Juni. "Wir haben uns komplett auf die Ärzte verlassen." Die Statistik spricht davon, dass etwa 60 Prozent der Betroffenen gesunden, 40 Prozent werden rückfällig, davon kann etwa die Hälfte geheilt werden. Mittlerweile erhöhte sich die Zahl auf 80 Prozent Heilungschancen von Anfang an.
Bevor die Therapie startete, heiratete das Paar noch kirchlich und im März 2019 zog "Bella", ein junger Hund, bei ihnen ein. Alexander bekam am 13. Juni den Katheder gesetzt, der erst vor wenigen Tagen wieder entfernt wurde. Heute zeugt nur noch eine kleine Narbe im oberen Bereich des Brustkorbes davon. Ebenso erstreckt sich über seine Bauchdecke ein "Reißverschluss", denn dieser Bereich musste einmal quer komplett aufgeschnitten werden. Die erste Chemotherapie wurde wegen mangelnder Sauerstoffsättigung unterbrochen. Ein Darmstillstand über 72 Stunden sowie eintretendes Fieber sorgten für weitere Schwierigkeiten. Doch danach sollte alles gut gehen.

24 Nächte war die Familie ununterbrochen in München. Insgesamt waren es vier solcher Blöcke. Alexander spendete seine eigenen Stammzellen und wurde am 2. Oktober operiert. Dabei entfernten die Ärzte den Tumor sowie einige Lymphknoten. Dann wartete nach zwei Chemotherapien Ende November eine weitere Chemo mit dreiwöchigem stationären Aufenthalt auf Alexander.

Eltern wechselten sich in der Therapie abRamona und Bernhard Neumeier wechselten sich während der Therapie ab, wenn möglich waren beide vor Ort. Am 20. Dezember gab es für die Familie ein vorgelagertes Weihnachtsgeschenk, als sie heim durften. Wenn der Bub auch noch nicht fit war, so war er doch wenigstens Zuhause.

Später führte der Weg nach Essen, wo Alexander eine Protonenbestrahlung bekam. Ein Verfahren, das in München nicht angewendet wird. Von montags bis freitags gab es täglich Bestrahlungen mit Sedierung, insgesamt zwölf. Am 9. März war man also wieder für drei Wochen stationär im Krankenhaus. Keine leichte Zeit auch wegen Corona. Ende April bekam Alexander die erste Immuntherapie, also Antikörper, die auf den Tumor "losgehen", sollte etwas nachwachsen. Im Mai folgten zwölf Tage München, wo die Eltern nur abwechselnd zum Kind durften.
In München stand der Familie eine Elternwohnung zur Verfügung, bereit gestellt von der Elterninitiative der "intern drei" und unter anderem finanziert von der Bettina-Preu-Stiftung, so dass die Ausgaben für die betroffenen Familien gering sind. Wie Bernhard Neumeier berichtetet, wird diese Stiftung auch von Gönnern aus unserer Gegend unterstützt. Seine Eltern spenden bereits seit 1999 jährlich und das Diepoltskirchener Benefizturnier, an dem sich die Gemeindebürger beteiligten, wird ebenfalls für diese Einrichtung ausgetragen.

Am 9. Oktober war nun die letzte Immuntherapie und am 13. Oktober, also genau 16 Monate nach dem Setzen, konnte der Katheder entnommen werden, den Alexander übrigens als Andenken mit nach Hause bekam. Das ist aber nicht das "Erinnerungsstück" an diese Zeit. Dazu gehört neben Beutelchen für den Katheder auch eine auffallend bunte Kette. Aber nicht irgendeine. Jedes Steinchen, das aufgefädelt wurde, steht für eine Behandlung: Chemotherapie, Narkose, Haarausfall, Intensivstation und so weiter. Alexander hatte Pflegestufe drei, was verdeutlicht, wie hoch der Betreuungsaufwand war. Auch das Essen gestaltete sich oft schwierig. Es durfte nur Abgepacktes und nichts Aufgewärmtes sein. Der Geschmackssinn des Jungen änderte sich, so dass er nicht mal einen Bissen seiner Lieblingsgericht runter bekam.

24 Stunden war mindestens ein Elternteil präsent, da lagen oftmals auch die Nerven der Eltern blank. Doch, sie kamen vielleicht auch gestärkt aus dieser schwierige Zeit. Auch jetzt braucht der Junge viel Nähe. Die Abschlussuntersuchung war am 29. Oktober. Alexander gilt als "therapiebeendet." Der Begriff "geheilt" wird erst nach fünf Jahren vergeben. Bis dahin gibt es regelmäßige Kontrollen.

Trotz der schwierigen Zeit, erlebte Familie Neumeier viel Hilfsbereitschaft, die sie nicht erwartet hatte. "Es ist ein Wahnsinn, welche Welle auf uns zurollte", sagen die Eltern. Gleich nach der Hochzeit nahmen Bekannte die Blumen in Pflege, weil keine Blumentöpfe im Haus sein durften. In Erinnerung ist auch die Benefizveranstaltung am 15. August 2019, die Helmut Wölfl mit Vereinen initiierte und die alle Erwartungen übertraf. Umgesetzt wurde sie mit von den drei Vereinen Alpenroseschützen Langgraben, Freiwillige Feuerwehr und Faschingsregierung Simbach. Die finanzielle Unterstützung konnte man in dieser schweren Zeit gut gebrauchen. Die Neumeiers waren selbst nicht dort, sie kamen an diesem Tag erst vom Krankenhaus nach Hause. Dafür packten aber die Großeltern von Alexander kräftig mit an.

Betreuung und Beruf zu verbinden, ging auch "irgendwie". Bernhard Neumeier fand in Intersport Wanninger in Deggendorf einen äußerst sozialen Arbeitgeber, der ihm immer frei gab, wenn es nötig war. Ramona Neumeier, die in der Metzgerei der Schwiegereltern arbeitet, stieß natürlich auf uneingeschränkte Unterstützung. Seit August arbeitet sie wieder und nimmt den Jungen auch einfach mit, der dann oft hinter der Verkaufstheke hervor spitzt. Die Großeltern waren stets zur Stelle und fingen so viel wie möglich auf. Ebenfalls eine große Hilfe war die Kinderkrebshilfe Rottal/Inn. Beratend, finanziell und noch weiter halfen sie ihnen. Und nächstes Jahr darf Alexander an einem Ausflug teilnehmen.

Beeindruckende UnterstützungAuch die Unterstützung, die die Neumeiers von Leuten aus Simbach und Umgebung bekamen, war enorm. Sei es zum Rasenmähen bis zum Autoleihen. Das waren nicht nur Freunde, sondern auch Bekannte, mit denen man eigentlich gar nicht so viel Kontakt hat. Wo nötig, nahm man die Angebot auch an. Der Zusammenhalt, der sich hier zeigte, auch seitens der Vereine, in denen Bernhard Neumeier lange aktiv ist, war beeindruckend.
Wie oft die Neumeiers auf der Straße angesprochen wurden und werden, wie es Alexander denn geht, lässt sich kaum mehr zählen. Dabei war es ausnahmslos ehrliches Interesse, das bekundet wurde. Trotz dieser dramatischen Monate ist Alexander ein "ganz normaler" Junge. Er freut sich, wenn er mit Hündin Bella spielen kann, die stets ein Auge auf ihn hat. Was zu kurz kam, sind Freundschaften. Doch, spätestens dann, wenn er in den Kindergarten kommt, dürfte sich das ändern. Kontaktschwierigkeiten hat der "Dreikäsehoch" ohnehin keinesfalls. Aber, das dauert noch ein bisschen. Jetzt muss erst einmal Ruhe und Alltag einkehren und so lange Corona das Zeitgeschehen bestimmt, wird man ohnehin von einer Abmeldung absehen.