Künzing
War "Schnecki" bei Menschenopfern dabei?

Vortrag im Museum Quintana über Rituale der Steinzeitmenschen

22.11.2021 | Stand 22.09.2023, 1:28 Uhr

"Schnecki" gehörte der Linearbandkeramiker-Kultur an, ihre Rekonstruktion im Museum Quintana betrachteten Vhs-Leiter Bernhard Greiler (v.l.), Bürgermeister Siegfried Lobmeier, Dr. Joachim Pechtl und Josef Wagner vom Museumsverein. −Foto: Kufner

Waren die ältesten Bauern Mitteleuropas grausame Menschenjäger? Ein schrecklicher Fund aus der linearbandkeramischen Kultur in Niederpöring weist in diese Richtung. Die Menschen vor 7000 Jahren waren keine friedlichen Bauern, sondern pflegten auch blutige Rituale. "Es spricht vieles für ein Ritual aus dem Bereich Menschenopfer", erklärte Dr. Joachim Pechtl am Donnerstag bei einem Vortrag im Museum Quintana den "Befund 61" aus dem linearbanderamischen Siedlungsbereich in Niederpöring.

Mitten in der steinzeitlichen Siedlung entdeckten die Ausgräber einen Schädel ohne Schädeldach. Wie Mondsicheln lagen zwei Schädelkalotten zur Linken und zur Rechten. Gefunden wurden einzelne Knochen, kein ganzes Skelett. Mit dabei war auch ein verkohlter Unterkieferast.

In der Langgrube lagen die Reste von neun Personen, davon einer Frau. Überwiegend waren es jüngere Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren.

Vermutlich wurden sie von hinten erschlagen. Deutlich zu erkennen sind die Schnittspuren am Schädel. Ein erster Schnitt erfolgte axial, ein weiterer kreisrund. Die Menschen wurden skalpiert. Erst wurde die Kopfhaut in der Mitte aufgetrennt, dann zur Seite geklappt und dann rundum abgetrennt. Anschließend wurde die Schädeldecke mit einem Steinbeil abgetrennt.

Aus Herxheim in der Pfalz sind ähnliche Funde bekannt. Dort entdeckte man 600 Schädelkalotten und grausam zugerichtete menschliche Überreste: Ziel des Rituals sei das "Zerstören der Menschlichkeit" gewesen, vermutete Dr. Pechtl. Egal ob Herxheim oder Niederpöring oder andere linearbandkeramische Fundstätten: Analysen mit Strontiumisotopen deuten darauf hin, dass diese Toten nicht aus der linearbandkeramischen Siedlung mit fruchtbarem Löss stammten, sondern aus einem Mittelgebirge. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Menschen als Sklaven oder Kriegsgefangene verschleppt wurden. Bevor sie ihr grausiges Ende fanden, lebten sie in der steinzeitlichen Siedlung.

Man kann davon ausgehen, dass sie anders behandelt wurden als die vermutliche bäuerliche Oberschicht. Bei dieser stand zusätzlich zu Getreidebrei Rindfleisch auf dem Speiseplan.

Die Linearbandkeramiker bestatteten ihre Toten in einem Gräberfeld außerhalb der Siedlung. Zu nennen ist hier die 2015 von Kreisarchäologe Stefan Hanöffner ausgegrabene "Schnecki", einer etwa 50-jährigen Frau, die in linker Hockerstellung mit Grabbeigaben und einem kunstvollen Kopfschmuck aus ursprünglich über 400 Donaukahnschnecken sorgsam zur Ruhe gebettet worden war. Das rekonstruierte Gesicht und Grab von "Schnecki" sind im Museum Quintana ausgestellt.

Die Linearbandkeramiker waren vermutlich aus dem Karpatenbecken her eingewandert. Sie verfügten über weit verzweigte Handelsnetze und eine ausgefeilte Wirtschaft. Schätzungen zufolge lebten in Südbayern wenige hundert Jäger und Sammler. Mehr Menschen mit dieser Lebensweise hätte das Ökosystem nicht ernähren können. Dr. Pechtl schätzt, dass demgegenüber allein in der steinzeitlichen Siedlung Stephansposching durchschnittlich 340 Menschen von der Landwirtschaft gelebt haben.

Interessant ist die Ausrichtung der Langhäuser der Linearbandkeramiker. Sie sind jeweils auf einen bestimmten Punkt hin ausgerichtet: dem vermuteten Ursprung dieser Menschen. Das deutet auf ein geschlossenes Weltbild hin.

Der Landkreis Deggendorf sei ganz vorne dabei bei der Erforschung der linearbandkeramischen Kultur, sagte Dr. Pechtl und hob auch die Arbeit von Dr. Karl Schmotz hervor: "Die Kreisarchäologie Deggendorf hat fantastische Dinge geleistet."

Bürgermeister Siegfried Lobmeier hieß die Besucher in Vertretung des erkrankten Museumsleiters Dr. Roman Weindl willkommen. Besondere Grüße galten Josef Wagner vom Museumsverein und Bernhard Greiler von der vhs Deggendorfer Land, die mit der Kreisarchäologie, dem Geschichtsverein Deggendorf und dem Museumsverein zu dem Vortrag eingeladen hatte.

− mik