Deggendorf
Rehabilitationsverein Protek feiert 30. Geburtstag

28.07.2022 | Stand 20.09.2023, 3:49 Uhr

Klienten, Wegbereiter, Förderer, Mitarbeiter und Ehrengäste aus der Politik haben den Geburtstag des Vereins Protek im Jugendstilsaal des Bezirksklinikums gefeiert. Am Rednerpult gratulierte als Erster der Vizepräsident des Bezirkstags Dr. Thomas Pröckl. −Fotos: Schreiber

Es hat alles damit angefangen, dass Dr. Werner Groß auf dem ganzen Mainkofener Klinikgelände Arbeit gesucht hat: Seelisch kranken Patienten, die austherapiert waren, wollte er eine Beschäftigung geben, Halt, Selbstwertgefühl. Und hat festgestellt: "Mit denen kann man arbeiten." Man müsse nur jeden nach seinen Fähigkeiten, nach seiner Ausdauer einsetzen, erklärt Groß. Er, der noch nie davor einem Verein angehört hat, hat dann eben einen gegründet, erzählte er am Donnerstag im Festsaal des Bezirksklinikums. Und das zusammen mit neun Gleichgesinnten, darunter der damalige Krankenhausdirektor Dr. Lothar Blaha. 1992 war das. Jetzt ist der eingetragene Rehabilitationsverein Protek 30 Jahre alt, so wichtig wie eh und je und, das vor allem: Er fühlt sich an wie eine große Familie.

Die hat, zusammen mit Ehrengästen aus Politik, Klinik und dem großen Kreis der Förderer, den Geburtstag mit einem Festakt, einem Mittagsbuffet und Führungen durch die heutigen Protek-Einrichtungen gefeiert. Über 100 Leute waren dabei, darunter unter anderen vom Bezirksklinikum der Ärztliche Direktor Dr. Bernd Weigel und Krankenhausdirektor Uwe Böttcher, der stellvertretende Protek-Vorsitzende Alwin Richter und einige der 34 Vereinsmitglieder, die 20 hauptamtlichen Mitarbeiter um Geschäftsführerin Ulrike Schrettenbrunner sowie ehrenamtliche Helfer und ein Teil der zurzeit 93 Klienten.

Dr. Werner Groß, der noch heute Vorsitzender des Vereins ist, gab ihnen einen Überblick über 30 Jahre Erfolgsgeschichte, für die er zusammen mit Dr. Lothar Blaha den Grundstein gelegt hat. "Alleine hätte ich das nämlich nicht angepackt", stellte er klar – und überreichte Blaha als Dank für sein Engagement eine Urkunde, die ihn zum ersten Ehrenmitglied des Vereins macht.

Drei Säulen haben die insgesamt zehn Gründungs- und die weiteren Mitglieder in den Jahren ab 1992 aufgebaut: Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Ab 1994 lebte die erste Wohngemeinschaft zusammen, 1995 wurden zusätzlich ein Haus in Plattling gekauft und eine Wohnung angemietet, deren Eigentümer sie dafür extra umbauen ließ. 1998 entstand die Wohngemeinschaft auf dem Klinikgelände, 2002 erwarb der Verein ein Haus in Rettenbach, das 2008 saniert wurde, und 2014 kam eine Doppelhaushälfte in Natternberg dazu.

In Sachen Arbeit ging man nach anfänglichen Kleinst-Projekten im Jahr 1995 in die Vollen. Der Laden "Allerhand Sach’" auf dem Klinikgelände wird bis heute von Protek-Klienten betrieben, die dort auch ihre eigenen Produkte anbieten, etwa selbst gemachte Stofftiere oder Nistkästen. Im Laden gab es eine Weile auch einen Waschsalon, nach einem Umbau 2010 hat er zusätzlich ein Café zu bieten. Die Baugruppe hilft bei Umzügen oder beim Schneeräumen, betoniert auch mal einen Sonnenschirm für einen Kindergarten ein oder macht den Garten der Wohngemeinschaft pflegeleichter.

In die Montagewerkstatt kommen manche eher nur zum Ratschen. "Aber das ist auch in Ordnung so. Es wird dort nach Stückzahl abgerechnet", erklärt Werner Groß. Das ist das Prinzip in allen Arbeitsstätten von Protek: Die psychisch kranken Klienten können bis zu 15 Stunden in der Woche dort arbeiten und bis zu 450 Euro im Monat zusätzlich zu ihrer Rente verdienen. Sie teilen sich das ein, je nachdem, was für sie gerade geht oder nicht.

Auch in der Haselbeckstraße in Deggendorf wurde eine Werkstatt betrieben, die zog aber schließlich nach Fischerdorf. Dort, im Unteren Sommerfeldweg, wurde 2021 außerdem die Schreinerei eröffnet. Gleichzeitig zog der Verein mit seiner Geschäftsstelle dorthin.

Protek ist übrigens nicht nur mit sozialen Projekten wie einer Aktion zur Ukraine-Hilfe oder aktuell im Zuge einer Verlosung von Holzbänken aktiv, so Groß weiter, sondern gestaltet auch die Freizeit seiner Klienten mit. Der Vorsitzende zählte Weihnachtsfeiern und Grillfeste, Spiele und Turniere mit anderen Einrichtungen auf sowie Urlaubsfahrten, auch nach Österreich oder Kroatien. "Die strahlenden Gesichter", kommentierte er die Fotos, die er dazu zeigte, "sprechen für sich."

Ein Erfolgsprojekt, das weiter leben soll, findet auch Lothar Blaha, der feststellte, wie wichtig es ist, Vorurteile und Berührungsängste in der Gesellschaft abzubauen. Er erzählte außerdem von zähen Verhandlungen mit den Kostenträgern, bis der Verein Protek erst einmal auf gesunden Beinen stand. Von Organisationen wie der Aktion Mensch und anderen werde er zwar unterstützt, sei aber nirgends Mitglied.

Der Bezirk unterstütze Protek sehr gerne, versicherte der Vizepräsident des Bezirkstags, Dr. Thomas Pröckl, in seinem Grußwort. "Die Menschen möchten teilhaben, auch am Arbeitsleben. Besonders die Menschen mit seelischer Erkrankung", sagt er. Die immer zahlreicheren Möglichkeiten, die Protek da biete, seien besonders wichtig. Den Mitarbeitern und Helfern sprach er für ihr Engagement höchste Anerkennung aus.

Protek sei ein hochprofessioneller Verein, stellte auch Vize-Landrat Eugen Gegenfurtner fest. Er gebe den Menschen Halt, Stütze und Alltagsstrukturen. Er verschaffe ihnen soziale Kontakte und hole sie aus der Isolation. Aus seinem eigenen Arbeitsleben wisse er, wie viel Selbstwertgefühl, Freude und Sicherheit dieses einem Menschen gebe.

Renate Wasmeier, dritte Bürgermeisterin von Deggendorf, sieht das ähnlich: "Es geht um das Leben, es zu begleiten, die Eigenständigkeit zu erhalten und eine Familie zu haben." Schließlich kenne jeder das Gefühl von "du musst". Das Erfolgsrezept von Protek dagegen sei, auf jeden einzelnen und seine Möglichkeiten einzugehen sowie ihm Zeit zu lassen.

Wie beim Lebensalter, so Renate Wasmeier, sei der Verein mit 30 Jahren gerade mittendrin. "Dieser Weg ist ein unendlicher Weg, der nicht an einem Ziel endet." Vielmehr gehe es darum, ständig Neues zu entdecken und sich immer weiter zu entwickeln.