Deggendorf
Prozess wegen versuchten Totschlags: Mit Flaschenhals auf andere eingeschlagen

19.06.2020 | Stand 18.09.2023, 4:37 Uhr


Ein 26-Jähriger, der aus dem Senegal stammt, muss sich unter anderem wegen versuchten Totschlags an insgesamt vier Verhandlungstagen vor Gericht verantworten, verteidigt wird er von Rechtsanwalt Wolfgang Mader.

Mit Hand- und Fußfesseln wurde der Angeklagte der der Jugendstrafkammer mit Vorsitzendem Richter Dr. Georg Meiski im Landgericht vorgeführt. Im vergangenen Juni soll der Beschuldigte im Deggendorfer Stadtpark mehrere Männer mit einem zerbrochenen Flaschenhals verletzt und dabei deren Tod zumindest billigend in Kauf genommen haben. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Bei Prozessbeginn wurden dem 26-Jährigen die Handschellen abgenommen. Er war vollständig gefesselt, da er schon mehrmals Vollzugsbedienstete angegriffen haben soll. Eineinhalb Stunden dauerte es, bis der Staatsanwalt die neunseitige Anklageschrift verlesen und der Dolmetscher diese in Wolof – ein senegalesischer Dialekt – übersetzt hatte. Währenddessen saß der Angeklagte mit verschränkten Armen da, richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Dolmetscher, kratzte sich immer wieder nervös im Nacken. Verständlich, schließlich ist die Liste der Vorwürfe lang: Unerlaubter Aufenthalt, Hausfriedensbruch mit Körperverletzung, versuchte Körperverletzung, sexuelle Belästigung – in einem Fall mit räuberischen Diebstahl, in einem anderen mit Körperverletzung –, Verbreitung pornografischer Schriften, Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung.

In der Hauptverhandlung am Donnerstag stand vor allem der Vorwurf des versuchten Totschlags im Fokus. Der Angeklagte soll am 15. Juni 2019 gegen 18 Uhr im Stadtpark eine Frau belästigt haben. Trotz mehrmaliger Aufforderung, sie in Ruhe zu lassen, sei er ihr mit den Worten "I will fuck you" weiterhin gefolgt. Aus Angst kontaktierte die Frau ihren Freund, der ihr dann zur Hilfe kam.

Der Lebensgefährte habe den Beschuldigten ebenfalls mehrmals dazu aufgefordert, die Rufe und Gesten zu unterlassen, den Stadtpark zu verlassen. Daraufhin soll der 26-Jährige entgegnet haben: "I will fuck your Frau". Nachdem sich das Paar entfernt hatte, soll diesem der Senegalese später gefolgt sein und mit einem abgebrochenen Flaschenhals in der Hand den 24-Jährigen zu einem Kampf aufgefordert haben.

Ein Zeuge wurde aufmerksam und kam ebenfalls hinzu, um zu helfen. Daraufhin soll der Angeklagte ihm mit der "Waffe" auf den Kopf getippt haben, mit den Worten "I kill you". Ein weiterer Passant, der während der Verhandlung als Nebenkläger auftritt, habe die Situation beobachtet und soll dem Zeugen auch zu Hilfe gekommen sein. Er habe sich zwischen die beiden gestellt, um sie auseinander zu halten. Der Bewaffnete habe trotzdem noch versucht den Zeugen zu verletzen.

Laut Anklageschrift hat der Beschuldigte dem Nebenkläger ins Gesicht geschlagen. Anschließend habe dieser versucht, den Angeklagten durch einen Hebelgriff, den er im Gerichtssaal an dem anwesenden Polizisten vorführte, zu Boden zu bringen. Als dieser Versuch fehlschlug, sollen die anderen beiden Männer geholfen haben, den Senegalesen zu überwältigen. Dabei hat dieser laut Zeugenaussagen "unmenschliche Kräfte" entwickelt. Die Beobachter glauben, dass der Angeklagte unter Drogen- oder Alkoholeinfluss stand, da seine Augen gelb waren. Die drei Männer hatten "alle Hände voll zu tun", den eher schmächtigen Beschuldigten am Boden festzuhalten. Während der Rangelei hat der Zeuge, der dem 24-Jährigen zur Hilfe gekommen sei, einige Schnittwunden erlitten. Der 6,5 Zentimeter lange Schnitt über dem rechten Augenlid musste mit vier Stichen genäht werden. Auch an der rechten Halsseite wurde der Verletzte getroffen und hatte drei Schnittwunden mit einer Länge von bis zu acht Zentimetern. Ein weitere Verletzung am linken Unterarm musste mit fünf Stichen versorgt werden. Der Geschädigte hat nach Zeugenbeschreibungen "wie eine Sau" geblutet. Er konnte sich bis auf die Narben wieder vollständig erholen. "Nur dass ich jetzt eben wie ein Terminator aussehe", sagte er in der Verhandlung.

Als der Angeklagte am Boden lag, kam ein weiterer Zeuge dazu. Der Senegalese soll weiterhin versucht haben, sich aus den Griffen zu lösen, und dazu angesetzt haben, den Hinzugekommenen in den Rücken zu stechen, was von den anderen Männern verhindert werden konnte. Dabei wurde dem Freund der belästigten Frau eine 1,5 Zentimeter lange Schnittwunde am Zeigefinger hinzugefügt. Der Nebenkläger hatte Prellungen und Abschürfungen. Anschließend konnte die Polizei, die die Frau gerufen hatte, den Beschuldigten in Gewahrsam nehmen.

Da die Tat bereits ein Jahr zurück liegt und die Zeugen nach eigenen Aussagen zufolge "einen Adrenalinstoß" hatten, konnten sich einige nicht mehr genau erinnern. Deshalb fielen die Aussagen teilweise sehr unterschiedlich aus. Außerdem standen einige zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss. Der Angeklagte hat sich nach jeder Aussage entschuldigt.

Schließlich vernahm Richter Meiski noch zwei Schwestern, die der Beschuldigte sexuell belästigt, geschlagen und pornografische Inhalte gezeigt haben soll. Die Mädchen waren zur Tatzeit noch minderjährig.

Auch hier bat der Senegalese um Entschuldigung. In seinem Schlusswort sagte er, dass sein Leben im Gefängnis "wie die Hölle" ist und er raus wolle. Der nächste Verhandlungstag ist für 6. Juli angesetzt.