Deggendorf
Nach Verfolgungsfahrt durch den Bayerwald: Haft für 19-Jährigen

28.04.2021 | Stand 22.09.2023, 1:28 Uhr

Der Polo stürzte an der Schauflinger Straße eine Böschung hinunter und landete auf dem Ford Fiesta eines Studenten. −Foto: Resch

Keine Haftstrafe war keine Option: Das Jugendschöffengericht in Deggendorf schickte am Mittwoch einen 19-Jährigen ein Jahr in den Jugendknast. Für eine "Wahnsinnsfahrt" in einem 60-PS-Polo.

Mit bis zu 180 Sachen war es vergangenen September 83 Kilometer durch die Gegend gegangen, verfolgt von bis zu vier Polizeiautos. Nur mit viel Glück passierte nichts Schlimmeres. Auch nicht beim spektakulären Ende der Raserei, als das Schnauferl in der Schauflinger Straße in Deggendorf eine Böschung hinunter kugelte und auf einem geparkten Fiesta landete. Dieser gehörte einem Studenten.



Der schmächtige Angeklagte bekam in der Urteilsbegründung gehörig die Leviten gelesen. Nach drei Verhandlungstagen begründete Amtsgerichtsdirektorin Eva Nistler ausführlich, warum sie und die beiden Laienrichter ihn wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, eines verbotenen Rennens und Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig sprachen.

Quergestellte Polizeiautos und Beinahe-Crashes

Es war schon kurz nach 2 Uhr an diesem 20. September 2020, als der 19-Jährige und drei Mitfahrer im Polo durch Deggendorf cruisten. Erst drei Tage zuvor hatte der junge Mann bei einer Verhandlung am Amtsgericht Besserung gelobt, als er schon einmal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor dem Kadi stand. Das Verfahren wurde gegen eine Geldbuße eingestellt. Doch mit der Reue war es nicht weit her. Nur drei Tage später setzte sich der Angeklagte – natürlich immer noch ohne Schein – wieder ans Steuer und geriet im Stadtgebiet nach einem auffälligen Wendemanöver ins Visier der Polizei, die den Polo zu einer Kontrolle anhalten wollte.

Der 19-Jährige gab Vollgas. Die Polizei hinterher. Erst durch die Stadt, dann über Graflinger Straße und B11 Richtung Viechtach (Landkreis Regen), auf der B85 Richtung Passau und zurück nach Deggendorf. Den Höllenritt konnten weder quergestellte Polizeiautos, noch Beinahe-Crashs, noch Gegenverkehr, noch tränenreiche Anrufe der Mutter und auch kein telefonischer Appell der Ex-Freundin stoppen. Das Gaspedal blieb durchgetreten, denn der Tacho soll bis zu 180 km/h angezeigt haben. Warum er nicht anhielt? "Er hatte Panik, Angst vor einer Bestrafung und wurde vermutlich von den Mitfahrern angestachelt", sagte dazu Richterin Nistler.

Bewährungsstrafe kam für Gericht nicht in Frage

Nach 50 Minuten und wieder zurück in Deggendorf, setzte sich in der Schauflinger Straße ein Polizeiwagen rechts neben den Polo. Die Wagen berührten sich und ab ging die Post eine Böschung hinunter bis zu dem geparkten Fiesta eines Studenten. Alle Insassen hätten tot sein können, zogen sich aber nur ein paar Schrammen zu.

Einen Gefährdungsvorsatz und eine Nötigung, wie Staatsanwältin Dr. Katharina Haider angenommen hatte (sie hatte ein Jahr und drei Monate gefordert) sah das Gericht nicht. Eva Nistler und die Laienrichter waren überzeugt: "Er war nur auf das schnelle Davonfahren fixiert." Für den Angeklagten sprach sein Geständnis, gegen ihn sein strafrechtliches Vorleben.

Eine Bewährungsstrafe, wie Verteidiger Dr. Ronny Raith sie gefordert hatte, kam für das Jugendschöffengericht nicht in Frage. "Bewährung gibt’s nur, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass Sie nichts mehr anstellen werden. Wir aber glauben, Sie haben’s halt leider noch nicht kapiert. Und dann kann man nicht ein Auge zudrücken und sagen: ,Werd‘ scho’."