Deggendorf
Gewerkschafter zeigen Gesicht unter Hygieneregeln

Familiäre und zeitlich abgespeckte Mai-Kundgebung in Pandemiezeiten – Motto: "Zukunft braucht Solidarität"

02.05.2021 | Stand 22.09.2023, 0:23 Uhr
Josefine Eichwald

Vom KJR schon seit längerem auf dem Pflaster aufgemalte bunte Blumen markierten die 1,50 Meter Sicherheitsabstand für DGBler und Teilnehmer: (vorne v.l. in lockerer Reihenfolge) FW-Stadtrat Cem Yasinoglu, DGB-Kreisvorsitzender Thomas Müller, OB Dr. Christian Moser, Patrick Rostek (ver.di Niederbayern) und der Plattlinger Gewerkschafter Peter Boot, der aufgrund der abgesagten Innenraum-Kundgebung in Plattling erstmals zur 1. Mai Kundgebung nach Deggendorf gekommen war. −Foto: Eichwald

"Z’am halten mit Abstand" ist auf den Plakaten am Oberen Stadtplatz zu lesen, die Forderung zum 1. Mai 2021 lautet: "Zukunft braucht Solidarität". Was die Gewerkschaften für die Arbeitnehmer schon immer ausgeben, nämlich "zamhalten" und sich zu solidarisieren, ist in Pandemiezeiten erst recht oberstes Gebot. Treffender hätte die DGB-Devise nicht sein können, der in Deggendorf über 50 Teilnehmer am "Tag der Arbeit" zur 45-minütigen Maikundgebung folgten. Als Redner traten DGB-Kreisvorsitzender Thomas Müller und Patrick Rostek, Gewerkschaftssekretär von ver.di Niederbayern ans jedes Mal frisch desinfizierte Mikrofon, Deggendorfs OB Dr. Christian Moser sprach ein Grußwort.

"Wir überlassen den Platz nicht anderen Kräften": Der OB dankte dem DGB, dass er Gesicht zeige. "Arbeitgeber und Arbeitnehmer sitzen in einem Boot, die Pandemie hat uns mehr zusammengeschweißt"; sie teile aber auch die Gesellschaft, in solche, die ganz anders denken, und solche, die sich mit dem Thema arrangieren oder aktiv auseinandersetzen, kam Moser auf die Ambivalenz im Umgang mit Corona zu sprechen. Er setzt auf den "Impuls der Arbeitgeber, die Mitarbeiter in der unsicheren Situation mehr einzubinden". Der DGB formuliere klar die Rechte der Arbeitnehmer und lege den Finger in die Wunde, fügte Moser an; in der kommunalen Familie sehe er ein "Mehr an Miteinander als in der großen Politik".

In der Reihe der Erfolge, die sich die DGB-ler auf die Fahnen schreiben, ging Müller eingangs u.a. auf die Verfestigung des Kurzarbeitergeldes, die Sonderzahlung für Altenheim- und Krankenhauspersonal ("weil klatschen allein nicht reicht") ein. Er betonte, dass man "die ausbeuterische Fleischindustrie in die Schranken" gewiesen und die Ausweitung von Arbeitszeiten im Handel verhindert habe. "Altenpfleger, Busfahrer, Müllmänner", ohne Berufsgruppen wie diese, wie sie Rostek vertritt, wäre "Schicht im Schacht gewesen", kündigte Müller den ver.di-Gewerkschaftssekretär als Redner an.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse bei der Firma Ebenbeck in Straubing, "wo zwei von drei Beschäftigten die eine Betriebsratswahl eingeleitet haben, bereits aus vorgeschobenen Gründen fristlos gekündigt wurde", formulierte Rostek erneut die Forderung nach einem Betriebsrätestärkungsgesetz . Immer wieder fanden Aussagen den Beifall der Zuhörer, etwa als Rostek fragte, auf wen man sich verlassen könne. "Sicher nicht" auf Hubert Aiwanger, "der sein Amt als Wirtschaftsminister wohl eher als Gastwirtschaftsminister" verstehe. "Hat von Euch schon mal einer gehört, dass er sich für die Fortsetzung des Kündigungsstopps bei Mietverzug durch die Corona-Pandemie eingesetzt hat?" 14 Bundesländer hätten bereits ein Tariftreue- und Vergabegesetz. In Bayern habe die CSU-Mehrheit seit 2010 sechs entsprechende Gesetzentwürfe abgelehnt, dies öffne "Dumpinglöhnen und miesen Arbeitsbedingungen Tür und Tor".

"Wir brauchen keinen schlanken Staat, sondern einen starken Staat", gingen Rostek und Müller konform, ebenso wie bei der Ansicht, dass in den systemrelevanten Bereichen "die Stimmung nicht mehr so gut" ist, wie Müller sagte: "Mit dem Ende von Corona darf es kein Ende der Solidarität geben, 45 Milliardäre in Deutschland hätten in dieser Zeit Gewinne gemacht wie noch nie und müssten sich an den Folgekosten von Corona entsprechend beteiligen. Rostek schob nach, dass es "schon gar nicht geht, dass Firmen einerseits staatliche Hilfen bekommen oder Kurzarbeitergeld und gleichzeitig Dividenden ausschütten".

Ein starker Staat kann die Krise bewältigen", sieht Müller Handlungsbedarf, weil der digitale Ausbau noch nicht am Ende ist, die Schulen müssten auf entsprechende Ereignisse vorbereitet werden, wie sie jetzt eingetreten sind. Auch dem Raubbau an der Infrastruktur und der Reduzierung von Krankenhäusern müsse Einhalt geboten und auf die Personalsollstärke geachtet werden.

Unterschriftenlisten für "Bahnhofsservice"

Vor Ort kämpfen die Gewerkschafter aktuell um den Erhalt von "persönlichen" Dienstleistungen an den Bahnhöfen Osterhofen, Plattling und Deggendorf. Dort ist beabsichtigt, den Gastrobereich, bzw. Reiseverkäufe an Kiosken etc. zu schließen. "Mit Fahrkartenverkauf nur via touchscreen und Video verwahrlosen unsere Bahnhöfe", wird moniert. Die Bahnhöfe seien auch unter Beteiligung der Kommunen saniert und hergerichtet worden, hieß es mit Verweis auf Unterschriften-Protestlisten, etwa beim Yormas oder beim Zeitungsstand in Plattling. "Wir reden immer vom ÖPNV und einem Ausbau bei der Verkehrswende, dann ist die Schließung ein Rückschritt".

Eigentlich war der 1. Mai heuer als großes DGB-Familienfest mit Vereinen geplant. FW-Stadtrat Cem Yasinoglu, die Deggendorfer SPD-Chefin Susanne Riedl und der Türk Gücü Vorstand Turgay Mus hatten sich vier Monate in Vorbereitungen gestürzt, Ende Januar hatte man wegen Corona canceln müssen.