Deggendorf
Die Stadt will nicht überall hoch hinaus

Neues Wohn- und Geschäftshaus in der Bahnhofstraße geplant, doch der Bauausschuss lehnt ab

24.09.2021 | Stand 22.09.2023, 1:33 Uhr

Das Gebäude links soll abgerissen und durch einen höheren Neubau ersetzt werden. Als Bezugspunkt nennt Architekt Bert Reiszky unter anderem den Neubau an der Ecke Weidenstraße (hinten in der Mitte zu sehen). Doch die Stadt hat den Antrag auf Vorbescheid abgelehnt. Die Begründung: Der Bereich sei ausschließlich durch niedrigere Gebäude geprägt. Das ist wohl Ansichtssache. −Foto: Michaela Arbinger

Bei den einen geht es schnell, bei den anderen geht gar nichts: Diese Erfahrung hat am Mittwoch Günther Kraus im Bauausschuss machen müssen. Bevor sein Vorhaben – ein Wohn- und Geschäftshaus in der Bahnhofstraße – dran war, hatte das Gremium alle anderen, teils ambitionierten Anträge auf Vorbescheid locker-flockig durchgewunken. Zu Kraus’ Projekt aber sagte der Ausschuss klipp und klar Nein. Die Gründe erschließen sich weder dem Bauherrn noch dem Architekten.

Kraus will für den geplanten Ersatzbau in der Bahnhofstraße 46 bis 48 mit Blick auf den Bogenbach weder eine Gründerzeitvilla platt machen noch bedeutend mehr Fläche als bisher versiegeln. Sein Plan ist es, den nicht besonders hübschen und zugebauten Komplex aus den frühen 1950er Jahren abzureißen und durch einen – aus seiner Sicht – zeitgemäßen Neubau zu ersetzen: viergeschossig und damit höher als bisher. "Ich will hier etwas Schöneres bauen", sagt er. Die Planung hat er in die Hände des Deggendorfer Architekten und Stadtplaners Bert Reiszky gegeben. Dem schwebt an dieser Stelle eine "zeitgemäße Stadtvilla" vor.

Bauamtsleiter Christoph Strasser zeigte sich in der Sitzung wenig begeistert. Schon jetzt sei die Verdichtung des betroffenen Grundstücks "an der Grenze", was auf einem Luftbild auch deutlich zu sehen war. Außerdem wolle die Stadt "zum Bogenbach hin eher mit der Bebauung heruntergehen".

Weil es für dieses Gebiet – ein so genantes Mischgebiet – keinen Bebauungsplan gibt, ist ein Vorhaben dann zulässig, wenn es sich in die nähere Umgebung einfügt. Und genau das tut es nach Ansicht der Bauverwaltung eben nicht. Prägend für den Bereich zwischen Bogenbach und Hans-Krämer-Straße sei eine zweigeschossige Bebauung mit ausgebautem Dachgeschoss. Der Bereich sei "ausschließlich durch niedrigere Gebäude geprägt, welche durch das geplante Bauvorhaben deutlich überragt werden würden" – das ist der Beschlussvorlage der Bauverwaltung zu entnehmen.

Vor allem Letzteres ist Bert Reiszky, der ebenso wie Günther Kraus die Sitzung im Neuen Rathaus mitverfolgte, unverständlich. Er verweist unter anderem auf ein Grundstück nur zwei Parzellen weiter Richtung Stadtmitte, auf dem momentan recht massiv Studentenwohnungen gebaut werden. Und: Quer über die Straße mit Blick Richtung Stadtwaage steht dort, wo früher das Gasthaus "Zur Schießstätte" war, ein nicht eben zierlicher Neubau mit drei Vollgeschossen plus zurückversetztem Terrassengeschoss. Die Adresse: Bahnhofstraße 35. Für Reiszky ein Bezugspunkt. Für Strasser und die Bauverwaltung nicht, denn das Gebäude sei von der Bahnhofstraße abgerückt und nehme daher "nicht mehr am maßgebenden, unmittelbar straßenbegleitenden Bebauungszusammenhang teil", sondern sei aus städtebaulicher Sicht der Weidenstraße zuzuordnen. Abschließend heißt es in der Beschlussvorlage: "Hochpunkte entlang des Bogenbachparks werden (...) ohnehin kritisch gesehen". Die Empfehlung an das Gremium: "Die Baugenehmigung wird nicht in Aussicht gestellt."

Bert Reiszky hat auch zum Hochpunkt eine andere Meinung als die Stadt. Die Bahnhofstraße (ehemals Heroldgasse) sei eine der wichtigsten historischen Straßenachsen Deggendorfs und die wichtigste Verbindung nach Schaching. Noch heute bilde die Bebauung entlang des Bogenbachs eine Art inneren Stadtrand. Er wünsche sich an dieser Stelle einen selbstbewussten, markanten Akzent. Eine Variante des Vorentwurfs zeige daher eine zurückgesetzte "Box", die an einen Stadtturm erinnere. Der Architekt ist sich sicher, dass das Gebäude nicht in Konkurrenz zu den ortsbildprägenden Villen an der Bahnhofstraße treten würde. Zwar beginne bei diesen Häusern das Dach über dem ersten Obergeschoss, doch deren Dachlandschaft werde als drei- oder sogar viergeschossig wahrgenommen.

Mit 10:3 fiel die Abstimmung im Bauausschuss dann tatsächlich gegen das Projekt in der jetzt geplanten Form aus. Eine Gegenstimme kam von Karl-Heinz Gollwitzer (Freie Wähler) und damit von einem Architekten: "Es wurden bereits viele markante Gebäude realisiert. Ich sehe hier eine deutliche Verbesserung, auch mit einem Geschoss mehr." Für Gollwitzer liegt die Zukunft des Bauens prinzipiell darin, "nach oben zu gehen". Seine Argumente überzeugten Christian Heilmann-Tröster (Grüne). Obwohl er selten durch die Bauverwaltung "so eine Vehemenz der Ablehnung erlebt habe", stimmte auch er für die Neubaupläne in der Bahnhofstraße.

Für ganz vom Tisch hält Oberbürgermeister Christian Moser das Projekt noch nicht. Nach einem Verweis von Stadtjurist Johann Maier, dass es gegen die benachbarte Bebauung mit Studentenwohnungen (erfolglose) Nachbarschaftsklagen gegeben habe, stellte der OB fest: "Am Schluss entscheiden es die Juristen."