Iggensbach
Als Kardinal Ratzinger Handlab besuchte

Zum 350-jährigen Bestehen des Marien-Wallfahrtsorts vor 25 Jahren kam hoher Besuch

29.08.2021 | Stand 21.09.2023, 23:35 Uhr
Robert Fuchs

Zum 350-jährigen Bestehen der Wallfahrt Handlab vor 25 Jahren begrüßten unter anderem Pfarrer Günter Augenstein (†, 2.v.l.), Landrat Dr. Georg Karl (†, 2.v.r.) und Bürgermeister Alois Zellner (r.) den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger (l.) und späteren Papst Benedikt XVI. sowie dessen Bruder Georg Ratzinger (3.v.r.). −Foto: Archiv/Robert Fuchs

Vor der Wallfahrtskirche Handlab hat man noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen wie am 15. August 1996. Vor 25 Jahren wurde, wie sonst auch, der traditionelle Frauentag auf der Handlaber Höhe gefeiert.

Im Mittelpunkt stand an diesem Tag das 350-jährige Bestehen der Marien-Wallfahrt, zu dem das kleine Wallfahrtskirchlein nach mehrjähriger Renovierung geweiht wurde. Aber das war nicht der einzige Grund, warum sich am Festtag mehr Besucher einfanden, als je zuvor: Als Ehrengast begrüßten der damalige Pfarrer Günter Augenstein (†), Bischöflich Geistlicher Rat Franz Kellermann (†) der ehemalige Kirchenpfleger Albert Duschl und Pfarrgemeinderatsvorsitzende Hermine Kramheller keinen geringeren als Joseph Kardinal Ratzinger, der den Festgottesdienst zelebrierte und in einer beeindruckenden Predigt mahnende Worte an die Gläubigen richtete: "Macht ist nur dann gottgewollt, wenn es eine Macht des Rechts und der Gerechtigkeit ist."

Mit dem Segen für die Wallfahrtskirche nahm Ratzinger auch die traditionelle Kräuterweihe vor. Zum Gefolge des Kardinals gehörte Bruder Georg Ratzinger, der apostolische Protonotar und frühere Leiter der Regensburger Domspatzen, der im Juli 2020 im Alter von 96 Jahren in Regensburg verstarb.

Als Joseph Ratzinger im ehemaligen Mütter-Erholungsheim in Handlab ein Interview gab, ließ er keinen Gedanken daran aufkommen, dass er irgendwann zum Papst gewählt werden könnte. Ganz im Gegenteil, er stellte in Frage, ob er noch die Kraft für eine weitere Amtsperiode als Präfekt der Glaubenskongregation aufbringen könnte. Diese Funktion hatte er sei 1982 inne, im November des Jahres endete die laufende Amtsperiode. Doch der Kurienkardinal machte weiter und sorgte 2005 für ein "kleines Wunder", als er 78-jährig im Konklave am 18. und 19. April zum 265. Papst gewählt wurde.

Immer wieder erinnerte sich Joseph Ratzinger noch heute gerne an Handlab, ist doch nur einige Kilometer entfernt, auf dem Messerer-Hof in Rickering, sein Vater zur Welt gekommen.

Jahr für Jahr machte er während seines Urlaubs einen Abstecher zur Familie Messerer, wo er immer herzlich aufgenommen wurde. Die Mutter von Anton Messerer ist eine Cousine zu Joseph Ratzinger, dessen im März 1877 geborener und am 25. August 1959 verstorbener Vater Josef als Gendarmerie-Meister 1929 nach Tittmoning an der Salzach und im Dezember 1932 nach Aschau am Inn versetzt wurde. Nach der Pensionierung des Vaters lebte die Familie Ratzinger, zu der neben dem Vater und der 1963 verstorbenen Mutter Maria die Geschwister Maria, Georg und Joseph gehörten, in Hufschlag bei Traunstein.

Bei einem Besuch der Wallfahrtskirche Handlab im Oktober 1947 verewigte sich Josef Ratzinger mit folgenden Worten im Wallfahrtsbuch: "Gruß, Dir Gnadenmutter von Handlab! Seit vielen Jahren war es mir nicht mehr möglich, die mir so lieb gewordene Heimatwallfahrt Handlab zu besuchen. Heute nun wurde mir das Glück zuteil, hierher zu pilgern. Das Innere der Wallfahrtskirche bot mir einen Anblick dar, der überwältigend war. Der Altar ist vollständig neu entworfen und seine Farbstimmungen aufs feinste abgestimmt. Das Deckengemälde war mir völlig unbekannt. Dasselbe ist nach einer Erklärung des Hochwürdigen Pfarrer Wimmer über 300 Jahre alt und wurde im Jahre 1893 von einer unsachkundigen Hand übertüncht. Den Händen des Künstlers ist es möglich geworden, diese alten Deckengemälde, soweit sie erhalten waren, freizulegen und in ihrer ursprünglichen Form neu zu renovieren. Die vielen alten Votivtafeln wurden in sinnvoller, schön harmonisch abgestimmter Weise neu geordnet und an neuen passenden Plätzen angebracht. Dadurch wurde viel Raum für neue, künstlerische und religiös gehaltene Tafeln gewonnen…"

Den Bemühungen und dem Einsatz von Albert Duschl und Pfarrer Günter Augenstein war es zu verdanken, dass Joseph Ratzinger zur feierlichen Weihe der in mehrjähriger Bauzeit renovierten Wallfahrtskirche nach Handlab kam. Im Antwortschreiben an Albert Duschl bedankte sich der Kardinal für die Einladung, der der Eintrag des Vaters ins Wallfahrtsbuch beilag. "Ich werde die Blätter als kostbare Erinnerung aufbewahren" so Ratzinger, der eigens seinen Urlaubsplan änderte, um am 15. August 1996 den Termin in Handlab wahrnehmen zu können. "Ich freue mich schon sehr darauf, diese Wallfahrtsstätte, von der unser Vater oft erzählt hat, nun auch persönlich zu begegnen und dort das Hochamt zelebrieren zu dürfen".

Zum Jubiläum der Marien-Wallfahrt Handlab hat Verleger Josef Duschl aus Rickering einen 23-seitigen Bildband erstellt und aufgeschrieben, was er in Archiven und alten Überlieferungen in Erfahrung bringen konnte. Die Wallfahrtskirche Handlab besteht heuer seit 375 Jahren. Ihre Gründung ist auf "das Wunder von Handlab" zurückzuführen, eine Begebenheit, die sich am 19. Mai 1513 bei dem gegenwärtigen Marienbildnis zugetragen haben soll.

Der Herr der damaligen Schlossfeste Dobl soll in jähem Zorn bzw. in einer Eifersuchtstat, seiner Gemahlin die rechte Hand gänzlich abgeschlagen haben. Auf deren inbrünstige Anrufung der heiligen Mutter Gottes und der erlangten Fürbitte soll die Hand wieder angewachsen sein. Die Kopie eines Votivbildes über dem Eingang der Wallfahrtskirche (Original befindet sich in der Pfarrkirche Iggensbach) erinnert an die Bluttat des Dobler Burgherrn, die nach Meinung des ehemaligen Kreisheimatpflegers Georg Loibl († 2020) geschichtlich allerdings nicht belegt ist.

Das "Wunder" sprach sich schnell herum, eine Wallfahrt nach "Handl-ab" entstand. Am Ort des Geschehens wurde eine hölzerne Kapelle gebaut, die im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Vor 375 Jahren wurde die Kapelle "Maria Krönung" aus Stein errichtet. Die Besonderheit in der Wallfahrtskirche ist der Hochaltar, über dem in leuchtenden Deckenfresken die zwölf Apostel thronen. Ein weiterer Blickfang sind die zahlreichen Votivtafeln aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, als Mahn- und Merkbuch für das Leben sowie die Votivbilder von Fürstin Margarete von Thurn und Taxis, eine geborene Habsburg, die im Krieg beide Söhne verlor. Zu ihrem Gedenken stellte sie in Handlab zwei Steine auf. Von ihr stammt auch eine geschnitzte Kreuzigungsgruppe in der Wallfahrtskirche.