Bamberg
"Zeitgemäß": Volkskundlerin erneuert fränkische Tracht

11.01.2012 | Stand 11.01.2012, 10:13 Uhr

Dirndl und Lederhose sind "in". Fränkische Trachten dagegen galten lange Zeit als altbacken und museumsreif. Doch damit soll nun Schluss sein, findet eine Trachtenberaterin. Sie hat eine neue Bamberger Tracht entworfen.

- Kein historisches Kostüm soll es werden und auch keine Verkleidung: Birgit Jauernig, Expertin für Trachten, hat eine erneuerte Bamberger Tracht entworfen. Und dabei geht es weder um Gewänder fürs Museum noch um sexy Oktoberfest-Outfits. Jauernig erforscht oberfränkische Trachten, um sie in der heutigen Zeit tragbar zu machen.

Das Kennzeichen: Rock und Mieder sind getrennt, das Mieder rund ausgeschnitten und geknöpft. Beim Stoff sind Streifenmuster sehr häufig, die Bluse ist schlicht gehalten - und anders als bei der gängigen Dirndlmode nicht gerüscht. Sie kann aber aufwendig gearbeitet sein mit Hohlsaum und Weißstickerei.

Für die Regionen Coburg und Kulmbach hat Jauernig, die das Bauernmuseum Frensdorf leitet, schon erneuerte Trachten gestaltet. Das Interesse sei enorm, sagt sie - und in den oberfränkischen Städten fast noch größer als auf dem Land. "Bei unseren Nähkursen haben wir ein buntes Publikum - von der Kunsthistorikerin bis zur Geschäftsfrau." Einen Nähkurs der Trachtenberatung zu besuchen, ist eine Möglichkeit, um eine erneuerte Tracht zu bekommen. Wer sich selbst nicht versuchen will, kann sich die Kleidung aber auch schneidern lassen.

Am Anfang steht für die promovierte Volkskundlerin die Recherche. Die Quellen sind historische Kleidungsstücke, Fotos, Grafiken, aber auch Schriftstücke, wie etwa Nachlass-Auflistungen der Amtsschreiber oder die sogenannten Physikatsberichte, die die Amtsärzte im 19. Jahrhundert über Lebensbedingungen in den Regionen anfertigten. Hier wurde häufig genau notiert, was die Menschen trugen.

Aus diesem Material filtert Jauernig heraus, wodurch sich die Tracht von der Kleidung in anderen Regionen unterschieden hat. Für die Entwicklung eines neuen Trachtenmodells seien die historischen Vorlagen ein Vorbild, das aber nicht kopiert, sondern in die Gegenwart übersetzt werde.

Denn: "Eine erneuerte Tracht soll ja gerne getragen werden." Heute seien die Sehgewohnheiten nun einmal anders als in früheren Jahrhunderten, das gelte etwa für den Taillensitz oder die Rocklänge. Ein Kleid aus dem Biedermeier eigne sich vom Schnitt her nicht mehr für den heutigen Modegeschmack. "Wir wollen etwas zeitgemäßes entwickeln, so dass man zum Beispiel spontan sagen kann: Das würde ich anziehen, wenn ich Gast auf einer Hochzeit bin."

Gerade in Franken hatte die Tracht lange ein schlechtes Image - die Kleidung galt als altbacken und Fall fürs Museum oder allenfalls für Festumzüge. Privat hätte sich kaum jemand in einer fränkischen Tracht gezeigt. "Das Thema war kaum gefragt", sagt Jauernig. Anders ist das in Oberbayern, wo eine ungebrochene Tradition besteht, das Trachtengewand etwa auf Hochzeiten oder an hohen kirchlichen Feiertagen zu tragen. Hier habe der Tourismus eine wichtige Rolle gespielt. Gäste hätten nun einmal Einheimische in landestypischer Kleidung erwartet und sich auch gerne selbst traditionell gekleidet.

Eine Ausnahme in Oberfranken sei die Fränkische Schweiz - hier gebe es heute noch vereinzelt ältere Frauen, die täglich ihre Tracht anzögen.

Auch in Mittelfranken ist die Trachtenberatung des Bezirks rührig. Mit dem Projekt "Pro Tracht" soll für regionaltypische Kleidung geworben werden. Die dafür entworfenen Kleider mit schwingenden Röcken und schmalen Taillen wirken nicht wie historische Kostüme, sondern orientieren sich an den heutigen Vorstellungen einer guten Figur.

Im vergangenen Jahr wurde auch eine Männertracht vorgestellt. "Es ist gut tragbare Kleidung, die dem modernen Kleidungsverhalten entspricht", sagte die Trachtenberaterin Evelyn Gillmeister-Geisenhof damals. Tracht sei nie etwas statisches gewesen, sondern habe sich im Laufe der Zeit immer weiterentwickelt.

Bei der Trachtenerneuerung solle es keine strengen Vorgaben geben, sagt die Oberfränkin Jauernig. "Wir geben nur den Rahmen vor." Vieles sei frei wählbar - ganz nach Typ oder Geschmack. "Es soll ja keine Uniform werden." Für ein Festtagsgewand könne man wertvolle Materialien wie Seide verwenden. Für ein alltagstaugliches Sommergewand sei zum Beispiel Leinen denkbar. Ein maßgeschneidertes Kleid hat seinen Preis - 600 Euro aufwärts. "Dafür hat man eine individuelle Maßanfertigung im Schrank", die man bei Bedarf enger oder weiter machen lassen könne, sagt Jauernig.

Und: Eine Tracht sei einfach ein schönes Kleidungsstück. "Sie trägt sich sehr schön, man fühlt sich ganz anders. Es ist keine legere Kleidung, eine Tracht schafft Kontur."