Reisereportage
Wo Seefahrer die Segel setzten: Unterwegs auf der autonomen Insel Åland

29.07.2022 | Stand 19.09.2023, 20:08 Uhr

Die Viermastbark "Pommern" ist eine der vielen Sehenswürdigkeiten auf Åland. Die Ostseeinsel war Ausgangspunkt der Fahrten des heutigen Museumsschiffs. −Foto: Visit Åland

Es ist eine Idylle wie man sie aus den Verfilmungen der Kinderbücher der schwedischen Autorin Astrid Lindgren kennt: geheimnisvolle Seen, dunkelgrüne Wälder, saftige Wiesen, blühende Apfelbäume und kleine rote Holzhäuser mit weißen Fensterrahmen. Fehlt nur der strohblonde Michel aus Lönneberga, wie er aus seinem Schuppen kommt. Doch die Insel Åland gehört zu Finnland. Die Amtssprache auf dem Eiland ist jedoch Schwedisch, die Straßenschilder tragen schwedische Namen und viele Familien sowieso. Stockholm liegt viel näher als Helsinki.

Åland vereinigt die besten Eigenschaften der beiden skandinavischen Nationen in sich. Die Insel mit dem mildesten Klima Finnlands ist weltoffen, vielsprachig, multinational und einer der faszinierenden Orte in der EU, in denen das oft beschworene gemeinsame europäische Haus längst gelebte Realität ist.

Die Lebensqualität und die Gehälter auf Åland sind hoch, das wirkt anziehend. Die Einwohnerzahl in der autonomen Region stieg zwischen 1980 und 2020 um rund 13000 Personen auf derzeit gut 30000. IT-Spezialisten lassen sich nieder, der Archipel aus 60 bewohnten und etwa 20000 winzigen unbewohnten Inseln beheimatet über 2600 Unternehmen.

"Mehr Arbeit, weniger Geld, aber dafür glücklich"

Zu den jungen Familien, die auf Åland ihre Zukunft aufbauen, zählen Johanna und Ebbe Delfs. Sie war Finanzmanagerin bei einer Bank in Kopenhagen, er Manager in der dänischen Fußballliga. Vor der Pandemie beschlossen beide, dass ihr inzwischen zweijähriges Kind mit Gras unter den Füßen aufwachsen sollte. Auf der zu Åland gehörenden Schäreninsel Föglö kauften sie das leerstehende und heruntergekommene einstige Prachthaus eines Reeders. Sie restaurierten das im Jahr 1912 errichtete Gebäude im Stil der damaligen Zeit, richteten ein kleines Restaurant, mehrere Hotelzimmer und einen geschichtsträchtigen Laden für åländische Spezialitäten ein. Ein Saunahaus mit Blick auf das und direktem Zugang zum Meer darf in Finnland natürlich nicht fehlen. "Wir haben mehr Arbeit als früher und verdienen dafür weniger Geld", erzählt Johanna Delfs lachend in geschliffenem Englisch. Doch alle seien hier glücklich. Viele junge Familien aus Finnland und Schweden tun es den Delfs gleich und lassen sich auf Föglö nieder. Es gibt genug Nachwuchs für einen Kindergarten und sogar eine Grundschule. Dank verlässlicher Fährverbindungen ist auch die Hauptstadt Mariehamn mit ihren vielen Einkaufsmöglichkeiten schnell erreichbar.

Nahezu wie ein unabhängiger Staat

Dort residiert das Parlament von Åland, das Landtag (Lagting) genannt wird. Die Volksvertreter haben in den Bereichen Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, Wirtschaftsförderung, Binnenverkehr sowie Post und Polizei die Kompetenz zur Gesetzgebung. Auf diesen Gebieten arbeitet Åland nahezu wie ein unabhängiger Staat mit einem eigenen Verwaltungsapparat. Für die Außenpolitik, das Zivil- und Strafrecht, das Gerichtswesen und die Steuerangelegenheiten ist die Regierung in Helsinki zuständig. Die Åländer sind stolz, dass sie die einzige autonome Region Finnlands sind. Sie haben ihre eigene Flagge und Briefmarken. Ålands neuere Geschichte ist geprägt von der Seefahrt. In Mariehamn lebten erfolgreiche Reeder, deren Schiffe auf allen Weltmeeren segelten. Einen Einblick davon bekommt man im Seefahrtsmuseum, dessen Schmuckstück das Segelschiff "Pommern" ist. Mit der 1903 gebauten Viermastbark wurde bis 1939 auf abenteuerlichen Reisen um die Welt Getreide von Australien nach Europa transportiert. Das 106 Meter lange und 13 Meter breite Schiff ist komplett begehbar. Eine Ausstellung in den riesigen Laderäumen schildert eindrucksvoll das harte Leben, das die 26-köpfige Besatzung an Bord des Windjammers führte.

Heute erfolgt die Anreise höchst luxuriös. Moderne Kreuzfahrtriesen, auf denen kaum ein Wunsch der Gäste unerfüllt bleibt, steuern den Hafen von Marihamn nach wenigen Stunden Fahrt an.

INFORMATION

Die Insel Åland bietet ein reiches touristisches Angebot. Mit Fahrrädern und Fähren lassen sich viele Inseln erforschen. Wanderer finden ausgeschilderte Touren vor. Geführte Paddeltouren führen durch die Schären. Bootsführer steuern entlegene Leuchttürme und Fischerdörfer auf dem Meer an. Sportangler kommen ebenso auf ihre Kosten wie Golfspieler und Gourmets.

ANREISEN

Åland erreicht man am bequemsten an Bord von Fähren und Kreuzfahrtschiffen, die von Helsinki, Turku, Stockholm und Talinn aus abfahren. In Mariehamn gibt es einen Regionalflughafen, der die Insel an Helsinki, Turku und Stockholm anbindet. Die Airline Finnair fliegt täglich von Frankfurt nach Helsinki.

ÜBERNACHTEN
Die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen von der dörflichen Pension bis zum modernen städtischen Hotel. Empfehlenswert sind das Carlsro Badhotell auf der Insel Föglö und das in der Hauptstadt Mariehamn zentral gelegene Park Alandia Hotel.