Ministerposten-Vergabe
Wer wird was in der Ampel-Koalition? Zoff bei den Grünen

25.11.2021 | Stand 20.09.2023, 4:03 Uhr

Robert Habeck, Annalena Baerbock und Anton Hofreiter beim Bund-Länder-Forum der Grünen zum Beginn der Urabstimmung über den Koalitionsvertrag mit SPD und FDP zur Bildung einer Bundesregierung. −Foto: Kay Nietfeld/dpa

Bei der FDP ging es geräuschlos, bei den Grünen dagegen hoch her. Eigentlich wollten sie am Donnerstagnachmittag ihre Kandidaten für die Ministerposten in der künftigen Ampel-Koalition präsentieren. Doch dann gab es Zoff.



Das Ergebnis: Die Urabstimmung zum Koalitionsvertrag startet verspätet. Bis zum Abend war zunächst kein grünes Personaltableau bekannt. Parteichef Robert Habeck sagte, die Namen wurden die entsprechende Liste solle erst am Freitag bekanntgegeben werden. Es wurde aber auch nicht ausgeschlossen, dass dies noch im Laufe des Donnerstagabends geschehen könnte.

Auch die SPD hat ihre Minister noch nicht benannt, doch aus anderem Grund: Die Sozialdemokraten haben ein Wahlkampf-Versprechen ihres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz einzulösen. Seine Ministerriege soll paritätisch aufgestellt sein, also aus mindestens gleich vielen Frauen wie Männern bestehen. Generalsekretär Lars Klingbeil sagte am Mittwoch, man warte deshalb bewusst bis die beiden potenziellen Partner ihre Minister nominiert hätten.

Wer wird also was in der Dreierkoalition, die sich "Fortschritt" auf die Fahnen geschrieben hat?

Das weiß man schon sicher:

Bundeskanzler: Der bisherige Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz wird befördert. In der Woche ab dem 6. Dezember soll der 63-Jährige im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Auch die künftigen FDP-Minister sind vom Parteivorstand nominiert worden und sitzen damit schon fest im Sattel:

Finanzen: Parteichef Christian Lindner (42) übernimmt diese zentrale Position im Kabinett, setzte sich bei der Personalie gegen Grünen-Chef Robert Habeck durch. Vizekanzler wird er aber nicht. Den Posten bekommen als zweitstärkste Kraft die Grünen - und zwei Vizekanzler sind im Grundgesetz nicht vorgesehen.

Verkehr und Digitales: Das Verkehrsministerium hatten viele eher bei den Grünen gesehen. Nun soll es FDP-Generalsekretär Volker Wissing (51) leiten. Für viele Grüne ist das schwer verkraftbar, nachdem schon in den Sondierungen das Tempolimit auf Autobahnen an der FDP gescheitert war. Wissing soll zudem die Großbaustelle Digitalisierung angehen. Dazu gehört der Ausbau der Infrastruktur und die Frage, wie staatliche Daten für neue Anwendungen verfügbar gemacht werden sollten.

Justiz: Dieses Ressort übernimmt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann (44). Er war ein unermüdlicher Kritiker von Corona-Maßnahmen, die am Bundestag vorbei verfügt wurden.

Bildung und Forschung: Dafür ist die Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger (53) vorgesehen. Sie ist die einzige Frau in der FDP-Ministerriege und bundesweit das am wohl wenigsten bekannte Gesicht. In Mai wurde sie mit 91 Prozent als Beisitzerin in das FDP-Präsidium gewählt - mit nur knapp weniger Zustimmung als Christian Lindner.

Das gilt als ziemlich sicher

Kanzleramtschef: Dieser Posten wird in einer Ampelkoalition noch wichtiger sein als bisher. Denn der Kanzleramtschef koordiniert die Regierungsarbeit und das dürfte bei drei Partner komplizierter werden. Es gilt als sicher, dass Scholz" enger Vertraute Wolfgang Schmidt (SPD) diese zentrale Aufgabe übernimmt. Zuletzt war der 51 Jahre alte Jurist Finanz-Staatssekretär, agierte hinter den Kulissen aber vor allem als "Spin Doctor" und Strippenzieher.

Arbeit und Soziales: Da sitzt Hubertus Heil fest im Sattel. Der 49-Jährige galt bereits in der vergangenen Wahlperiode als durchsetzungsstark und fleißig - und zwar bei Themen wie Rente, Arbeitsmarkt und Hartz IV, die für seine SPD besonders wichtig sind.

Wirtschaft und Klimaschutz: Hier gilt Habeck als gesetzt, schließlich ist Klimaschutz das zentrale Thema seiner Partei. Der 52-Jährige kann auf Erfahrungen unter anderem aus sechs Jahren als schleswig-holsteinischer Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Digitalisierung zurückgreifen. Habeck könnte nach dem enttäuschenden Wahlergebnis der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zudem Vizekanzler werden.

Auswärtiges Amt: Baerbock könnte mit dem Außenministerium trotzdem einen der prestigeträchtigsten Posten bekommen. Neuland ist die internationale Politik für die 40-Jährige nicht: Sie studierte unter anderem Völkerrecht. Bisher lagen Baerbocks Stärken im verständlichen Erklären komplexer politischer Konzepte. Als Außenministerin müsste sie eher souveräne Auftritte in heiklen Situationen meistern.

Innen und Heimat: Dafür wird die bisherige Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) favorisiert. Innen und Justiz gelten als "Spiegelministerien" mit zahlreichen Überschneidungen. Fachlich wäre die 56-Jährige also schon eingearbeitet.

Das ist noch unklar

Verteidigung: Dieses Ministerium ist den Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen überraschend zugefallen. Klingbeil wird Interesse an der Führung der Bundeswehr nachgesagt. Der soll allerdings im Dezember zum Parteichef gewählt werden. Beides gleichzeitig könnte schwierig werden. Als weitere Kandidaten gelten SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider, aber auch die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl - vor allem, falls die SPD noch eine Frau braucht.

Gesundheit: Eine naheliegende Besetzung wäre der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der seit Beginn der Corona-Pandemie eine Medienpräsenz hat wie kaum ein anderer Politiker. Der SPD-Politikler hat allerdings ein Problem: Beim designierten Kanzler Olaf Scholz ist er nicht besonders beliebt.

Bauen: Das Ministerium wurde neu geschaffen. Eine mögliche Kandidatin ist die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze. Im Kabinett Merkel hat sie keine schlechte Figur gemacht, ihr größter Erfolg war das Klimaschutzgesetz. Im Bauressort wäre ihre Expertise nützlich, denn im Gebäudebereich ist in Sachen Klima viel zu tun.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Dafür wird die bisherige Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt, Bärbel Kofler, gehandelt. Aber auch die Potsdamerin Klara Geywitz (45) wäre eine Option, die 2019 im Duo mit Scholz für den SPD-Vorsitz kandidierte.

Ernährung und Landwirtschaft: Mögliche Kandidaten der Grünen sind die derzeitigen Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, die frühere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke und der ehemalige Parteichef Cem Özdemir. Dem Vernehmen nach gab es am Donnerstag Streit zwischen linkem Flügel und Realos. Der linke Flügel wehrte sich gegen den Realo Özdemir als Minister, weil seine Besetzung am Ende den Linken Hofreiter das erhoffte Ministeramt kosten könnte.

− dpa/afp