Niederbayern/Oberbayern
Wenn Einsatzfahrten mit Blaulicht und Martinshorn zu Unfällen führen

17.06.2019 | Stand 20.09.2023, 23:03 Uhr

−Foto: dpa

Wenn Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn im Straßenverkehr unterwegs sind, heißt die Devise für die anderen Verkehrsteilnehmer "Bahn frei!". Über rote Ampeln fahren, das Tempolimit überschreiten oder die Gegenfahrbahn befahren - das dürfen Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr, wenn sie zu den Einsatzorten eilen. Durch diese Sonderrechte sind sie und auch andere Verkehrsteilnehmer besonders unfallgefährdet. Die Passauer Neue Presse hat bei den Polizeipräsidien Niederbayern und Oberbayern Süd nachgefragt, wie häufig Einsatzfahrten in der Region zu Unfällen führen.

Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) kam es von 2015 bis 2017 bundesweit rund 470 Mal zu einem Unfall bei einer Einsatzfahrt. Dabei wurden allerdings nur Unfälle berücksichtigt, bei denen nicht verbeamtete Einsatzkräfte mehr als drei Tage arbeitsunfähig waren. Nicht enthalten sind hier Unfälle, die glimpflicher ausgegangen sind, sowie Unfälle mit Beamten.

Bundesweite Zahlen fehlen - auch das BRK wertet die Unfälle nicht statistisch aus

Aktuellere bundesweite Zahlen fehlen allerdings. Wie die Deutsche Presse Agentur (dpa) berichtet, heißt es beispielsweise vom Innenministerium im Freistaat Bayern, aktuelle Daten wären zwar vorhanden, aber eine Auswertung würde "mehrere Monate" in Anspruch nehmen und sei daher nicht möglich. Auch beim BRK werden laut dpa solche Unfälle zwar gemeldet, aber statistisch nicht ausgewertet.

Die Passauer Neue Presse hat bei den Polizeipräsidien Niederbayern und Oberbayern Süd nachgefragt. "Wir führen explizit keine Statistik zu Unfällen mit Beteiligung von Einsatzfahrzeugen", erklärt Alexander Huber, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Damit es erst gar nicht zu solchen Unfällen kommt, werden für die Beamten Schulungen zum richtigen Verhalten bei Einsatzfahrten mit Blaulicht und Martinshorn durchgeführt. "Es ist ein wichtiger Bestandteil der polizeilichen Ausbildung. Unsere Kolleginnen und Kollegen werden dahingehend intensiv sensibilisiert", so Huber. Auch werde das Sondersignal nur in dringenden Situationen eingesetzt, beispielsweise zur Gefahrenabwehr oder wenn Menschenleben gerettet werden müssen.

Einsatzkräfte haben grundsätzlich ein Sonderrecht im Straßenverkehr

Mit dem sogenannten Sonderrecht seien Einsatzkräfte von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zwar befreit. Das bedeute aber nicht, dass Fahrzeuge über rote Ampeln rasen und andere Verkehrsteilnehmer gefährden dürfen. Das Sonderrecht darf nur unter "gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung" genutzt werden. Wird ein Sondersignal von Feuerwehr, Polizei oder Rettungsdienst missbräuchlich verwendet, so handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit, wie Polizeisprecher Huber erklärt. Kommt es dabei zu einem Unfall mit Verletzten, dann muss sich der Fahrer wegen einer Straftat verantworten. In diesem Fall wird gegen ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

Zahlen im Bezug auf die Beteiligung von Polizeifahrzeugen für Niederbayern liefert Andreas Zenger, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern: "Im Jahr 2017 konnten in Zusammenhang mit Einsatzfahrten sechs Unfälle, im Jahr 2018 insgesamt neun Unfälle und 2019 bis dato zwei Unfälle recherchiert werden." An den Unfällen seien die Polizeifahrzeuge nicht nur alleine beteiligt, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer involviert gewesen. Bei der Erhebung der Zahlen sei aber nicht differenziert worden, wer bei diesen Unfällen "die Ursache gesetzt hat". "Inwieweit bei einem Verkehrsunfall im Zusammenhang mit einer Einsatzfahrt eine missbräuchliche Verwendung von Sonder- bzw. Wegerechten vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden", sagt Zenger. Die Konsequenzen ergeben sich aus den tangierten Rechtsvorschriften, die Ahndung obliege der jeweils zuständigen Verfolgungs- bzw. Ahndungsbehörde. "Mögliche dienstrechtliche Konsequenzen unterliegen ebenfalls einer Einzelfallprüfung."

Andere Verkehrsteilnehmer stellen bei Einsätzen oft ein Problem dar

Bei Blaulicht und Martinshorn müssen sich die anderen Verkehrsteilnehmer an das Wegerecht halten. Das bedeutet, freie Bahn zu schaffen, wenn sich ein Fahrzeug mit Sondersignal nähert. Dass die anderen Verkehrsteilnehmer oft ein Problem bei dringenden Einsätzen darstellen, bestätigt Bernd Spengler, Fachanwalt für Rettungsdienstrecht aus Würzburg. Meistens würden die Verkehrsteilnehmer bei Martinshorn und Blaulicht sofort rechts ranfahren. Manchmal sei es aber besser, ein paar Meter weiter zu fahren und so die Bahn schneller frei zu machen. Oftmals seien auch die Reaktionen der Verkehrsteilnehmer auf ein Einsatzfahrzeug unvorhersehbar, so die Polizei in Unterfranken. Auch laute Musik beim Autofahren sorge häufig dafür, dass ein heraneilendes Einsatzfahrzeug zu spät bemerkt wird.

− tk/vr/dpa