Gerhard Straßer klingelt, immer wieder. Er klopft laut an die Wohnungstür und ruft den Namen des Schuldners. "Herr F., sind Sie da?" Die Vermieter, ein älteres Ehepaar, stehen nervös hinter ihm neben der Tür. Seit acht Monaten hat Herr F. keine Miete mehr bezahlt. Auf Anrufe der Vermieter hat er nicht reagiert. Er hat sich tot gestellt, über Monate hinweg. Die Mietschulden wurden immer höher. Bis es den Vermietern reichte. Sie stellten Antrag auf Zwangsräumung beim Amtsgericht Passau. Deshalb ist Gerichtsvollzieher Gerhard Straßer heute hier. Er vollstreckt das Urteil des Gerichts. Die Wohnung wird in den Besitz der Vermieter zurück übergeben.
"Wir haben sein Auto vorm Haus parken gesehen", sagt der Vermieter. Dass Herr F. nicht da ist, glauben sie nicht so recht. Der Gerichtsvollzieher lässt die Vermieter die Wohnungstür mit einem Ersatzschlüssel öffnen. Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür schwingt auf.
Ein kleiner Vorraum mit Schuhregal, in dem 18 Paare Sneaker stehen. Im Halbdunklen blinkt das Licht des WLAN-Routers. Auf der Kommode steht eine weiße Engelsfigur; darüber hängt ein buntes Gemälde. Drei Türen. Straßer stößt die Tür links auf und tritt ins Wohnzimmer. Der Fernseher läuft ohne Ton. Leere Schnapsflaschen in Form von Totenköpfen stehen in den Regalen. "Sind Sie da, Herr F.?", ruft Straßer laut. Niemand antwortet.
Rund zehnmal im Jahr führt Gerichtsvollzieher Gerhard Straßer eine Zwangsräumung durch. Er ist einer von 13 Gerichtsvollziehern im Amtsgerichtsbezirk Passau. In Bayern gibt es rund 660 Gerichtsvollzieher. Sie haben im Jahr 2017 fast 209 Millionen Euro eingetrieben, weiß Straßer nach einer Auskunft der Landesjustizverwaltung. Zu seinen Aufgaben als Gerichtsvollzieher gehören auch die Zustellung von Schriftstücken, klassische Pfändungen, die Abnahme der Vermögensauskunft, Kindswegnahmen zur Übergabe an das Jugendamt bei Kindswohlgefährdungen sowie Versteigerungen.
− san
Mehr dazu lesen Sie in Ihrer Passauer Neuen Presse vom 6. April 2019 im Lokalteil Passau.
