Weißbier: Unertl geht und Steer kommt

Unertl verlegt die Produktion nach Aldersbach – Steer plant Aufbau von Museumsbrauerei

25.02.2021 | Stand 25.02.2021, 4:00 Uhr

Abschied von der Brautradition am Mühldorfer Stadtwall. Unertl verlagert die Produktion nach Aldersbach −Fotos: ede

Mühldorf/Aldersbach. Wetterleuchten im "Weißbier-Himmel": Der Weißbräu Unertl in Mühldorf hat angekündigt, den Braubetrieb nach 92 Jahren an der angestammten Stelle am Stadtwall einzustellen und künftig alle Weißbiere in der befreundeten Brauerei in Aldersbach im Landkreis Passau herstellen zu lassen, allerdings nach den gleichen Rezepturen wie in Mühldorf, mit der gleichen Aufbereitung des Wassers und mit den gleichen Hefestämmen.

Unertl erzielte in den vergangenen Jahren spektakuläre Erfolge im international härtesten Qualitätswettbewerb um den "European Beer Star". Das energetisierte Quellwasser stammt aus dem hauseigenen Arteserbrunnen und die Brauerei wird mit klassischer Musik beschallt. Vor allem mit seiner Bio-Dinkel-Weißen sorgte die bio-zertifizierte Brauerei für Furore und gewann fünf Mal in Folge die Goldmedaille des "European Beer Star". Das Wasserrecht in Mühldorf werde er behalten, betont Wolfgang Unertl und auch die Qualität der Biere werde bleiben.

Trotz dieses Umzugs wird die Innstadt Mühldorf ihren Platz im "Weißbierhimmel" behalten, denn erstens plant Wolfgang Unertl den Bau einer Wirtshausbrauerei, Kooperation mit Bio-Bauern sei bereits vereinbart, und zweitens erklärt Weißbräu-Kollege Rudi Steer den Aufbau einer schon länger geplanten Museumsbrauerei im Gebäude des ehemaligen Turmbräus, rund 100 Meter weiter in der Weißgerber Straße gelegen.

Für den Weißbräu Unertl ist der 31. März ein besonderer Tag. Dann soll die Braugeschichte am Stadtwall enden. Dann soll auch die Herstellung des der Dinkelweißen und des Gourmet-Weißbieres nach Aldersbach verlagert werden. Anstelle der Brauerei soll es künftig Wohnungen und eine Tiefgarage geben. Das Areal ist bereits verkauft.

"Für uns ist diese Lösung ein Glücksfall", sagt Wolfgang Unertl im Gespräch mit Heimatwirtschaft, denn schon lange verbinde ihn eine kollegiale Freundschaft mit der Brauer-Familie von Aretin in Aldersbach. Dort werden bereits seit einer Weile die mengenmäßig dominierenden Weißbiersorten von Unertl aus Mühldorf, wie das Standard Weißbier und die Leichte Weiße hergestellt.

Am angestammten Standort am Stadtwall am Rande der historischen Altstadt sei das Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig gewesen, der Platz zu knapp, der Denkmalschutz ein Problem. Auch die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Gastronomie wirken mit. In Spitzenzeiten stellte Unertl in Mühldorf rund 11000 Hektoliter Bier her. Jetzt soll Mühldorf soll nur der Vertrieb für die Region bleiben, die Produktion in Aldersbach im Landkreis Passau erfolgen. Auch die Familie Unertl will nach Niederbayern, in die Nähe von Aldersbach ziehen – zurück zu den Wurzeln, denn dort hatte bereits der Urgroßvater vor über 100 Jahren eine Brauerei.

Die Pläne für eine Wirtshausbrauerei in Mühldorf seien indes weit gediehen, sagt Unertl. Allerdings stehe ein Start des Projektes noch ganz unter dem Vorzeichen der Corona-Krise, die vor allem die Gastronomie mit besondrer Härte trifft. So steht zum Beispiel bereits fest, dass es heuer kein Mühldorfer Volksfest, sonst eines der größten im südöstlichen Oberbayern, geben wird. Mit dieser unsicheren Perspektive jetzt sofort eine neue Wirtshaus-Brauerei in Angriff zu nehmen, das sei zu unsicher.

Optimistisch sieht Rudi Steer (80), Braumeister und Gründer der Brauerei Steer die Situation. Er will mit dem Einbau seiner Museumsbrauerei in die alten Gebäude des ehemaligen Turmbräus an der Weißgerber Straße am nördlichen Rand der Mühldorfer Altstadt beginnen.

In dieser 1967 stillgelegten Brauerei hat Steer einst sein Handwerk als Brauer und Mälzer erlernt. Weitere Erfahrungen sammelte er in Heidelberg und in Feldkirchen bei München bevor er auf die Doemens-Meisterschule in München wechselte. Als junger Meister kehrte er 1965 nach Mühldorf zurück und war bis 1981 Braumeister bei Unertl. Die letzten 25 Jahre seines Berufslebens als Angestellter war er Gebietsverkaufsleiter im Außendienst für das Münchner Hofbäuhaus.
Ganz von der Praxis konnte er jedoch nicht lassen. Im Keller seines Privathauses braute er seit Mitte der 80er Jahre sein eigenes Bier: Weißbier, Helles, Weißbier Bock, Untergäriger Bock und Dinkelbier waren Spezialitäten – in kleinen Mengen, zu 150 Liter je Sud, weil der Platz beengt war. Seit 1997 hat er seine kleine Brauerei als Gewerbe angemeldet; er plante schon vor über 15 Jahren eine kleine Brauerei in der Nähe des Stadtplatzes und gründete, als sich hier keine Gelegenheit bot, zunächst den Braugasthof "Zum Steer" in Altmühldorf. Gebraut wurde bei einem befreundeten Unternehmen.

Inzwischen hat Steer nicht nur das Braustüberl im ehemaligen Turmbräu gepachtet, sondern auf dem historischen Gelände an der Weißgerber Straße auch einen Bierverkauf eingerichtet und viele historische Gegenstände aus der Braugeschichte zusammengetragen.

Wenn das Wetter schön bleibt, dann soll es in Kürze mit dem Aufbau der Brauerei losgehen, sagt er im Gespräch mit Heimatwirtschaft. Die Genehmigung liege vor. Das Weißbier von Steer ist mittlerweile in mindestens drei Landkreisen erhältlich.

− ede

Weitere Details zu den Weißbier-Brauerein aus Mühldorf: https://steer-weisse.dehttps://www.brauerei-unertl.de